vonlottmann 20.04.2009

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Beim Nochmal-Lesen und Lektorieren von DER GELDKOMPLEX fiel mir doch auf, was für eine besondere, so gänzlich andere, sogar unheimliche Zeit die gerade zuende gegangene Finanz- und Wirtschaftskrise gewesen war. Jetzt geht es zwar wieder aufwärts mit der Wirtschaft und dem Leben, aber den Leuten steckt das Elend und der Schock immer noch in den Knochen, nein, in der Seele. Jeder erzählt von seinen Depressionen. Das scheint überhaupt das neue Ding zu sein. Depressionen sei das neue Partythema, schreibt DER SPIEGEL, und Sarah Kuttners neues Buch mache es gesellschaftsfähig. Depressionen und Bindungsunfähigkeit. Es sei ihr inzwischen einfach nicht mehr möglich, eine Beziehung zu führen, meinte eine Freundin (28) zu mir so freimütig wie abgeklärt bei schönstem Sonnenschein gestern im Weinbergspark. Sie wisse es, ihr letzter Freund wisse es, ihr nächster wisse es. Das Leiden darüber sei endlos und von der letzten Generation vererbt, die ebenfalls daran gescheitert sei. Ich mußte an Ariadne von Schirachs Buch ´Tanz auf der Lust´ denken, das unsere Gesellschaft als bunt tanzende Ansammlung bindungsloser Atome beschrieben hatte, noch ganz positiv. Als wäre das ein neuer, herrlicher Zustand mit vielen zusätzlichen Optionen für jedermann. Das war exakt noch vor der Wirtschaftskrise. Nun ist der Kater groß.
Immerhin hat die Sonne alle wieder aus ihren Wohnungen gelockt. Und es gibt auch eine Ausnahme: Werbepapst Michael Schirner, inzwischen mehrfacher Professor, hat zwar 600.000 Dollar durch schlechte Wertpapiere verloren, aber seine Frau behalten. Die ist nämlich Chinesin und noch nicht von der westlichen Beziehungsunfähigkeit angesteckt: „Sie ist ein Geschenk des Himmels.“ Sie sei 36 Jahre jünger als er und sehe aus wie 16, „wie alle Chinesinnen“, lacht er und ist voller Energie. Noch nie habe ich meinen ehemaligen Chef so jung und glücklich erlebt. Ist er wirklich schon 60? Er müßte es sein, er war immer eine halbe Generation älter als ich. Am 6. Dezember werde ich 50 und feiere das in einer großen Gala im Berliner Tempodrom, wofür es bereits Karten zu kaufen gibt (´50 Jahre Joachim Lottmann´). Michael und seine loyale Frau gab ich als erste welche aus meinem persönlichen Kontingent.
Ich traf ihn übrigens anläßlich der Filmvorführung von ´Mein amerikanischer Cousin´ im Münzclub. Ganz Mitte war gekommen, auch Top-Leute aus London und Los Angeles, ja sogar den Kopf von Crome habe ich im Gewühl gesehen. Crome, der legendäre Unterwelt-Boß aus dem Köln der 80er Jahre! Anscheinend werden überall die Karten neu gemischt.

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