vonClaudius Prößer 01.12.2008

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Am Ende hat die Teletón noch mehr Spenden eingenommen als veranschlagt – natürlich. Die Übererfüllung des ehrgeizigen Spendenziels gehört zum Spektakel, nur einmal in dreißig Jahren hat es nicht geklappt.

Neben unzähligen anderen Vertretern der farándula (in etwa das, was man auf deutsch als „Promi-Szene“ bezeichnen müsste) erschien auch ein Mann auf der Bühne im voll besetzten Estadio Nacional, dessen Erscheinungsbild sich krass vom durchschnittlichen Chilenen, aber ebenso vom distinguierten Auftreten der Reichen und Einflussreichen abhebt. Reich ist Leonardo Farkas auch, aber der 41-jährige Unternehmer trägt auf dem Kopf eine blondgelockte Fußballermähne spazieren (ricitos de oro, „Goldlöckchen“, nennt ihn die Regenbogenpresse), bindet sich rosa Krawatten um den Hals und dicke Uhren ums Handgelenk. Dieser Mann nun spendete den bislang höchsten Einzelbetrag bei einer Teletón: eine Milliarde Pesos, ungefähr 1,2 Millionen Euro.

Farkas ist ein bizarrer Paradiesvogel, ein Mann, dessen politische Einstellung niemand kennt, der aber erwägt, bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr anzutreten, und der als candidato 2.0 auf Facebook bereits 150.000 Unterstützer zählt. Vor zwei Jahren kannte ihn noch niemand.

Farkas stammt aus einer Familie mit ungarisch-jüdischen Wurzeln, wurde im Norden Chiles geboren, wuchs in Santiago auf und studierte Betriebswirtschaft, ging aber in den Achtzigern nach Las Vegas, wo er als Show-­Mu­siker reüssierte:



Zu Beginn des neuen Jahrtausends kehrte er nach Chile zurück, um die Geschäfte seines verstorbenen Vaters zu übernehmen, in erster Linie das Berg­bau­unternehmen Minera Santa Fe, das bei Copiapó Eisenerz fördert. Wie es scheint, mit einigem Erfolg, denn Farkas hat 365 Tage im Jahr die Spendierhosen an. Der „Unternehmer und Philanthrop“ (so die Webseite seines Unternehmens) ist berühmt für die anständigen Löhne, die er zahlt, aber auch seine opulenten Trinkgelder und Geldgeschenke auf offener Straße. Aus der Sicht vieler Chilenen ist er damit der „gute Unternehmer“ oder der „gute Reiche“, im Gegensatz etwa zu Sebastián Piñera, dem aussichtsreichen Kandidaten
der rechten Opposition, der fraglos noch mehr Geld hat, es aber auch besser zu­sam­men­hält.

Auf dem Flughafen von Santiago gab es vor kurzem eine Rangelei, weil Farkas bei seiner Ankunft aus dem Ausland willkürlich Geldscheine in der Menge verteilte. Offenbar möchte der Mann geliebt werden, und mit seiner Teletón-Aktion ist er auf dem richtigen Weg. Se siente, se siente, Farkas presidente, soll das Stadion unisono gebrüllt haben: „Farkas for president“ auf chilenisch. Die Milliarde, die ihm nicht sonderlich weh tun dürfte, war also schon mal gut investiert.

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