epd-Gespräch: Natalia Matter
Frankfurt a. M. (epd). Nach dem Urteil gegen Folterer der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) fordert der Göttinger Strafrechtsprofessor Kai Ambos eine Aufarbeitung der Rolle Deutschlands bei der Verfolgung lateinamerikanischer Staatsverbrechen. Es sei zwar zu begrüßen, dass Deutschland in dem Prozess gegen die Verantwortlichen des Folterlagers „El Vesubio“, in dem auch die deutsche Studentin Elisabeth Käsemann getötet wurde, als Nebenklägerin auftrat. „Aber das reicht nicht, wenn man glaubwürdig für Menschenrechte eintreten will“, sagte Ambos in einem epd-Gespräch.
Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude in Buenos Aires vor der Urteilsverküngung am Donnerstag (Foto: ECCHR)
Vielmehr müssten die Geschehnisse jener Jahre untersucht werden. Deutschlands Justiz und Diplomatie stehen in der Kritik, in den 70er und 80er Jahren nicht genug unternommen zu haben, um Elisabeth Käsemann und andere deutsche Opfer südamerikanischer Diktaturen zu retten. „Die Nebenklage zeigt das schlechte Gewissen“, sagte der Völkerrechtler. Den Fall Käsemann könnte man als Ausgangspunkt für eine Aufarbeitung nehmen. „Das wäre glaubwürdiger, wenn man dadurch zeigt, dass man wissen will, warum damals keiner geholfen hat.“
Die Beteuerungen der Regierenden verkämen auch angesichts der Rüstungspolitik zur reinen Propaganda, kritisierte Ambos. „Man kann nicht Nebenkläger sein und sagen, dass man etwas für die Menschenrechte macht, wenn man gleichzeitig Waffen an Saudi-Arabien liefert.“ Dies zeige, dass man die wirtschaftlichen Interessen wichtiger nehme als die Menschenrechte, wie schon Elisabeth Käsemanns Vater, der Theologe Ernst Käsemann, bedauert hatte. „Das hat einen bitteren Beigeschmack und zeigt eine Doppelmoral in der deutschen Außenpolitik.“
Die Aufarbeitung der Diktatur, bei der etwa 30.000 Menschen entweder spurlos verschwanden oder nachweislich getötet wurden, sei in Argentinien selbst weit fortgeschritten, erläuterte Ambos. Allerdings zeige sich bei Prozessen ein Problem, das oft bei solchen Massenverbrechen auftauche: „Es gibt oft keine Beweise, um die unmittelbaren Täter zu überführen, da die Opfer entweder getötet oder mit verbundenen Augen gefoltert wurden.“ Der Täter, der tatsächlich selbst getötet oder gefoltert hat, sei nicht zu identifizieren.
Deshalb würden Verbrechen in solchen Fällen den jeweiligen Verantwortlichen zugerechnet, im Fall des Vesubio-Prozesses zwei Militärs und fünf Gefängniswärtern: „Aber man kann nicht einmal beweisen, dass sie im Raum waren.“ Das sei rechtsstaatlich gesehen hochproblematisch. Für eine juristische Aufarbeitung in solchen Fällen gebe es jedoch keine andere Möglichkeit.
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Mehr dazu beim European Center for Constitutional and Human Rights.
Beim Nürnberger Menschenrechtszentrum.
Der Fall Klaus Zieschank.
Willi Baer, Karl-Heinz Dellwo (Hrsg.): Dass du zwei Tage schweigst unter der Folter, Bibliothek des Widerstands 8, Laika-Verlag, Hamburg 2010.
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