vonDominic Johnson 08.02.2011

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Es ist eine Räuberpistole, wie sie speziell eigentlich nur der Kongo hervorbringt. Ein Flugzeug aus Nigeria landete am Donnerstag nachmittag letzter Woche auf dem Flughafen von Goma, Hauptstadt von Nord-Kivu. An Bord der in den USA registrierten Frachtmaschine mit der Nummer N886DT: 6,8 Millionen US-Dollar in bar, vier Besatzungsmitglieder aus Nigeria und den USA und vier Händler, davon zwei Nigerianer, ein US-Amerikaner und ein Franzose. Das Flugzeug ist inzwischen beschlagnahmt, die Händler in Goma in Haft. Und Schicksal und Zweck des Geldes bewegen die Stadt und das Land.

Soviel scheint klar: Mit dem Geld sollte illegal Gold in großen Mengen gekauft werden. Dies erklärte am Montag Nord-Kivus Provinzgouverneur Julien Paluku, nachdem kongolesische Medien bereits breit über den Fall berichtet hatten. Er fügte hinzu: „Die Ermittlungen dauern an.“ Es müsse „Licht“ in „ein Netzwerk der Destabilisierung“ gebracht werden.

Den lokalen Berichten zufolge ist in das Geschäft General Bosco Ntaganda verwickelt. Bosco ist die wohl schillerndste Figur im Universum der ostkongolesischen Generäle. Der aus Masisi stammende ruandophone Kongolese kämpfte im Kongokrieg auf Seiten der RCD-Rebellen, brach mit Ruanda, wurde dort verhaftet, kam über Uganda in den Kongo zurück, half dem heute in Den Haag vor Gericht stehenden Milizenführer Thomas Lubanga, und war danach rechte Hand des Rebellengenerals Laurent Nkunda in seiner Heimat Nord-Kivu. Dann sorgte er Anfang 2009 als Militärkommandant von Nkundas CNDP für den Sturz Nkundas, alliierte sich mit Ruanda und Kongo, sicherte sich dadurch Schutz vor einer drohenden Verhaftung und Auslieferung nach Den Haag und wurde schließlich von Kongos Regierung zu einem der Kommandeure der laufenden Militäroperationen „Amani Leo“ ernannt, bei der Einheiten von Kongos Armee unter Sonderkommando gegen die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Ostkongo vorgehen. Goldschmuggel ist die wichtigste Einnahmequelle der FDLR. Bosco lebt unbehelligt in Goma, zum andauernden Ärger von Menschenrechtlern.

Soldaten unter Boscos Kommando sollen das Geld der Nigerianer am Donnerstag aus dem Flugzeug auf dem Flughafen Goma geholt und in Boscos Residenz gefahren haben. Sie wurden dabei verfolgt von Einheiten der kongolesischen Präsidialgarde. Die hatten die Dollarbewegungen am Flughafen bemerkt und sollen einen Anteil für sich gefordert haben: 100.000 Dollar. Die bekamen sie nicht, stattdessen lieferten sie Boscos Gade eine wilde Verfolgungsjagd quer durch die Stadt, bei der ein Motorradtaxifahrer überfahren worden sein soll. Am Freitag hätte Bosco im Gegenzug den Nigerianern das Gold an den Flughafen bringen sollen.

Da aber hatten schon die Behörden in Goma von der Präsidialgarde und den Flughafenbehörden Wind von dem Geschäft erhalten. Die Provinzbehörden beschlagnahmten das Flugzeug, verhafteten seine Insassen – die Nigerianer Alexander Ehinmola Adeola und Lawal Mukaila Aderemi, den US-Amerikaner Carlos Mary III Edward, den Franzosen Stéphane M’Bemba Franck – und ordneten die Beschlagnahme von Geld und Ware an. Schließlich landete sowohl das Gold als auch das Geld in der lokalen Niederlassung der kongolesischen Zentralbank. Wie genau es dorthin kam und ob es freiwillig abgegegeben wurde, ist derzeit nicht bekannt. Die Zentralbank hat nach eigenen Angaben 4.674.900 US-Dollar erhalten, davon allerdings 1.793.700 Falschgeld, sowie 119 Goldstücke mit einem Gesamtgewicht von 435,6 Kilogramm. Es fehlen also vermutlich über 2 Millionen Dollar sowie eine unbekannte Menge Gold, denn zwei der fünf Kisten waren bereits aufgebrochen. Möglicherweise befindet sich dies noch in Boscos Residenz, wird spekuliert.

Die Herkunft des Bargeldes scheint klar: Das Flugzeug kam direkt aus Nigerias Hauptstadt Abuja, die beiden Nigerianer gaben sich als Vertreter der Handelsfirma Asion aus. Eine Handelsfirma dieses Namens ist in London registiert, als Umbenennung eines vietnamesischen Unternehmens – Ostasien ist inzwischen Vorreiter bei der Abnahme ostkongolesischer Mineralien. Die Herkunft des Goldes bleibt hingegen ungeklärt. General Bosco gibt gegenüber Gesprächspartnern in Goma an, es gehöre nicht ihm, sondern komme aus Katanga. Es sei von Lubumbashi nach Daressalam oder auch nach Mombasa gebracht worden und von dort weiter über Ruanda nach Goma; ein ruandischer Mittelsmann habe Bosco eingeschaltet, als sich Streit um die Geschäftsbedingungen entwickelte. Diese Geschichte erscheint ziemlich unwahrscheinlich. In Katanga wird kein Gold gefördert, und die Ware hätte dann unbemerkt kongolesisches Gebiet verlassen und wieder entern müssen.

Wahrscheinlicher ist, dass Bosco selbst in den Schmuggel verwickelt ist. Es ist allerdings bekannt, dass Kongos Armee illegale Goldförderung betreibt. Legaler Mineralienexport aus Ostkongo ist seit September 2010 verboten. Es bleibt der illegale Export, oftmals in den Händen des Militärs. Und Kumpanei zwischen FDLR und Kongos Armee beim Goldschmuggel ist bereits in der Vergangenheit nachgewiesen worden. Nur nicht in einem solchen Ausmaß.

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