„Orientalistische Vision“ (E.Said). Photo: schockwellenreiter.de
„Im Zeitalter von Ludwig XIV war man hellenistisch, heute ist man orientalistisch gestimmt.“ (Victor Hugo, 1829)
Der Spiegel titelte vor einigen Tagen: “Wir sind alle Ägypter”
Und heute – nach einer Protestdemonstration von 80.000 Gewerkschaftsmitgliedern in den USA: “Kairo in Wisconsin”.
Die Berliner Zeitung zog nach und titelte über diese anhaltenden Proteste auf dem zentralen Platz in Madison gegen die Erhöhung der Kranken- und Alterssicherung: „Tahrir in Wisconsin“.
Während die FAZ vom „Kairos des Fertigmachens“ sprach – in bezug auf die deutsche „Opposition“ gegen Guttenberg. Wobei der Kairos jedoch keine verbummfiedelte Beziehung zur ägyptischen Opposition auf dem Tahrir-Platz hersrtellen sollte, sondern bildungsbürgerlich den „günstigsten Zeitpunkt für eine Entscheidung“ (Wikipedia) bedeutete. Aber in diesen Tagen und Wochen liest man ein solches Wort in einer Überschrift erst einmal anders.
Auch die Neonazis haben Kairo im Kopf. Der Tagesspiegel berichtet heute, dass nach ihrer verlorenen Schlacht in Dresden auf mehreren Faschoseiten im Internet „wutschnaubend behauptet wird, es habe in der sächsischen Hauptstadt ‚ägyptische Verhältnisse‘ gegeben.“ Gemeint ist damit: „politische Machthaber und Polizei“ hätten „Hand in Hand mit Kriminellen“ agiert.
„GaddaPlag Wiki“ meldet: „92% des Contents von Gaddafis „Grünem Buch“ besteht aus Plagiaten!“
Titanic-online berichtet aus Libyen: „Kein Rücktritt, aber: Gaddafi verzichtet auf Diktatorentitel!“
Der Sprecher des US-Präsidenten, Robert Gibbs, auf einer Pressekonferenz über den sich ausbreitenden und vertiefenden Arabischen Aufstand: „We are monitoring the fluid situation.“
Der kerndeutsche Historiker und Hobbyorientalist Michael Stürmer über das wichtigste Medium im Arabischen Aufstand: „Al Dschasira liefert die Euphorie zur Revolution. (…) Es fehlt dem arabischen Sender aber an Sachkunde, Nüchternheit und Interesse am Hintergrund. So fiel auf, dass neben tobenden, Slogans schreienden hin und her flutenden jungen Männern kaum junge Frauen ins Bild kommen: Hätte nicht auch dieser auffällige Unterschied der Erklärung bedurft? Dass alte Frauen an die jungen Protestler Süßigkeiten verteilten, war wenig aufschlussreich.“
Der Direktor des neugegründeten Kairoer „Instituts für Okzidentalistik“, Dr. Al-Basrawi: „Wenn europäische und amerikanische Orientalisten von ‚Hintergrund‘ reden, meinen sie stets die Bodenschätze.“
DPA/AP meldet: Von der einen Seite nähern sich zwei iranische Kriegsschiffe, von der anderen Seite ein englisches Kriegsschiff – der libyschen Küste. Auch die Führung der deutschen Kriegsmarine hat „Leinen los“ befohlen. Die taz schreibt: „Erstmals seit 1979 erlaubt Ägypten iranischen Kriegsschiffen die Passage durch den Kanal. Israel sieht darin eine Provokation, ist aber vorerst nicht beunruhigt.“ Die Nachrichtenagenturen melden: Auch Syrien will nun Schiffe an die libysche Küste entsenden. Die Marine solle die dort inmitten der schweren Unruhen festsitzenden syrischen Landsleute aufnehmen. Und die USA prüfen nach Angaben des Weißen Hauses noch verschiedene „Optionen“…Es ist somit absehbar, dass in Libyen bald vor der Küste mehr los sein wird als an Land. Aber dass von diesen ganzen Geschwadern eine zu den Aufständischen überläuft, ist mehr als fraglich.
„Orientalistische Vision 2.0“. Photo: abendblatt.de