vonHelmut Höge 10.03.2011

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Der Verrat des Brutus. Photo: wissen.dradio.de


Eintrag Nummer 29, wie lange soll dieser „Arabische Aufstand“ hier noch behandelt/bearbeitet/interpretiert/begrüßt werden? Bis niemand mehr diesen blog anklickt! Seit dem Peak – am 19.2. – ist die Zahl seiner Anklicker kontinuierlich rückläufig geworden. Is nur so eine Idee.

Die erste Meldung über den Arabischen Aufstand gegen das westliche Denken und Handeln kommt heute morgen, um 1 Uhr 20, von einem Stringer der BBC (Stringer sind, so viel ich weiß, der Einheimischensprache mächtige Helfer angloamerikanischer Journalisten, die sich auf grundsätzlich irgendwie feindlichem Territorium umtun müssen, dieser heißt aber nur so mit Nachnamen):

„Drei Mitarbeiter der BBC sind in Libyen Opfer von Scheinhinrichtungen durch regierungstreue Soldaten geworden. Dies berichtete die britische Rundfunkanstalt am Mittwoch. Ereignet habe sich der Vorfall bereits am Montag, als die Journalisten auf dem Weg nach Sawija waren. Zehn Kilometer vor der Stadt seien die Mitglieder des arabischen Teams der BBC an einem Kontrollposten von Getreuen des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi festgenommen worden, teilte der Sender mit.

Zu dem Team gehörte auch der britische Journalist Chris Cobb-Smith. Dieser sagte, die Gruppe sei an verschiedene Orte gebracht worden, in einigen Fällen gemeinsam mit zivilen Gefangenen, die sichtbare Verletzungen von schweren Misshandlungen gehabt hätten.

Am Dienstag sei das Team dann in ein Gebäude nach Tripolis gebracht worden, von dem sie annahmen, dass es das Hauptquartier des libyschen Auslandsgeheimdienstes sei. Dort hätten sie sich an einer Wand aufstellen müssen, berichtete Cobb-Smith. Ein Mann mit einer kleinen Maschinenpistole habe der Reihe nach jedem die Waffe in den Nacken gedrückt. „Als er mich erreichte, drückte er zwei Mal ab. Die Schüsse gingen an meinem Ohr vorbei“, sagte Cobb-Smith.“

Man möchte die drei Betroffenen an Fjodor Dostojewski erinnern: Dieser gehörte einer linken Diskussionsgruppe an, „Petraschewzen“ genannt, die 1848 verraten wurde. Das war im Jahr der russischen Studentenbewegung, die 100 Jahre vor der im Westen bereits alle deren „Errungenschaften“ (Kommune, Frauenbewegung, Arbeiteragitation etc.) vorwegnahm. Dostojewski wurde verhaftet und mit einigen anderen zum Tode verurteilt, im Gefängnishof dann jedoch nur scheinexekutiert, d.h. mit Platzpatronen „erschossen“. Anschließend verfrachtete man ihn nach Sibirien, in ein Gefängnis in Semipalatinsk. Über diese Jahre dort schrieb er anschließend sein bestes Buch „Aufzeichnungen aus einem Totenhaus“ (1860), all seine nachfolgenden Zeitungs-Fortsetzungsromane sind – dem Immer-Mehr-Geldverdienen-Wollen geschuldet – zu lang, außerdem wechselte er von seiner revolutionären Gesinnung zu einer christlichen und wurde am Roulette-Tisch in Baden-Baden spielsüchtig. Gibt es etwas noch Kitschigeres und Blöderes? Seine inzwischen radikalisierten Genossen von damals hat er schließlich auch noch verbraten: Ausgehend von einem Gerichtsprozeß, den er quasi als Journalist besuchte und in dem sie des Terrorismus angeklagt wurden. Sie wurden natürlich nicht nur zum Schein exekutiert. Dostojewskis Roman über sie hat im Deutschen den Titel „Die Dämonen“ (eine Nazikollaborateurin hat ihn vielgelobt neuübersetzt), bei Wikipedia heißt es in rührender Blödheit: „ein politischer Roman über die vernichtende Macht des russischen Nihilismus.“ Im Vergleich zu den ganzen RAF-Filmen und -Büchern ist sein Machwerk wahrscheinlich immer noch Weltliteratur, aber die russischen Terroristen waren auch nun mal das Original, sie standen in einem ähnlichen Verhältnis wie Lenin zu den deutschen Leninisten von heute. Erwähnenswert ist ferner, dass Dostojewskis Buch über seine sibirische Gefängniszeit und die Gefangenen dort nie mehr als Gefängnislektüre von den russischen Kriminellen akzeptiert wurde, weil er darin einige ihrer Überlebenstricks an die Gefängnisverwaltung verriet. Dostojewski ist das Verräter-Genie schlechthin (verehrte ihn Nietzsche deswegen – in seiner „Ruchlosigkeit“?), so weit würde ich noch mitgehen in der Literaturkritik.


Aber um noch einmal das Problem des Verrats tiefer anzugehen, es wird sich früher oder später auch den arabischen Aufständischen stellen, machte ich mir vor einigen Wochen gründlichere Gedanken darüber – nachdem drei Verräter in der hiesigen linken Bewegung aufgeflogen waren:

Freundschaftsdienste

„There is poison in every gift!“  (Gloria Goodwin Raheja)

Der Spitzel, Spion, Verräter, V-Mann, Agent provocateur ist der lichtscheue Tatzeuge des Überwachungsapparates. Das Frontschwein der Herrschenden, das sie vor den Gefahren eines Umsturzes von unten warnt und sogar schützt. Die Chroniken seines schändlichen Tuns reichen für gewöhnlich bis auf den „Urspitzel Judas“ zurück, und enden bei den jeweils aktuell enttarnten „Undercover Agenten“. Dies gilt auch für die vorläufig letzte Chronik, die 2004 von Markus Mohr und Klaus Viehmann veröffentlichte „Kleine Sozialgeschichte“ des Spitzels. Sie endet bei den „Verrätern“ der Westberliner Vorwende-Linken Peter Urbach und Ulrich Schmücker. Ersterer tauchte im Zeugenschutzprogramm unter, letzterer wurde umgebracht. Beide waren laut Wikipedia „Agents Provocateur des Verfassungsschutzes“.

An die zigtausend als „Spione“ im Ostblock hingerichteten bzw. in Arbeitslager weggesperrten Kommunisten haben sich die beiden Historiker nicht herangewagt: Diese waren, wenn überhaupt, dann nur  „objektiv“ Verräter – und ihre subjektiven Geständisse meist unter der Folter zustandegekommen, wobei in Osteuropa genaugenommen jedes Verbrechen als Verrat (am Sozialismus und am ganzen Volk) galt. (1) Dafür haben die beiden Autoren die „IM“s und „OibE“s in der DDR und die inzwischen hüben wie drüben aktiv gewordenen „V-Leute des Verfassungsschutzes“ in der NPD nicht vergessen. „Die aktuellen Beispiele wirken durch ihre reine Lebensfrische“, lobte der Rezensent Ulrich  Enzensberger, insgesamt fehle jedoch der Mut zur Zusammenfassung. Wenn nicht sogar eine Theorie des Spitzels.

Es gibt eine „Schwache Dörfer – Starke Wölfe“-Theorie, die hier vielleicht helfen kann. Auf das Thema bezogen würde das heißen, dass eine schwache Linke das Spitzelwesen stark macht, wobei mit „schwach“ hier die Freundschaft innerhalb der Gruppen gemeint ist, die sich in gemeinsamen Aktivitäten langsam entwickeln muß – oder auch nicht. So konnten die „Agents Provocateur“ des Westens schon kurz nach der Wiedervereinigung bei den neuentstandenen Protesten im Osten unangenehm in Erscheinung treten – u.a. bei den Streikdemonstrationen der Kalibergarbeiter aus Bischofferode. Der für die Stillegung der DDR-Bergbaubetriebe verantwortliche Treuhandmanager Klaus Schucht hatte zuvor verkündet: „Wenn man den Widerstand der Bischofferöder nicht bricht, wie will man dann überhaupt noch Veränderungen in der Arbeitswelt durchsetzen?“

Der linke Aktivist Markus Mohr veröffentlichte 2010  zusammen mit dem Politologen Hartmut Rübner eine weitere „Gegnerbestimmung“. In dieser Studie ging es um die  „Sozialwissenschaft im Dienst der ‚inneren Sicherheit'“. Zuvor hatte bereits der Leipziger Philosoph Peer Pasternak im Rahmen seiner Doktorarbeit über die Wende in den ostdeutschen Universitäten festgestellt,  dass die West-68er mit einer Anstellung dort üppig „Drittmittel“  aus Westdeutschland, insbesondere für ihre „Transformationsforschung“, akquirieren konnten, in der sie „ohne Hemmungen sogar konkrete Handlungsanleitungen für die Politik in Form von Aufruhrpräventions-Konzepten bei Betriebsschließungen lieferten“.

Inzwischen gibt es schon fast einen ständigen Austausch zwischen Sozialforschern und Geheimdienstlern. Von diesen lehren immer mehr an den Hochschulen und unter jenen finden sich immer öfter willige Zuträger. Der Historiker Markus Mohr hat selbst erlebt, „wie leicht es einem linken Wissenschaftler passieren kann, gegen seinen Willen mit einem VS-Wissenschaftler zu publizieren. Mohr blieb dieses Schicksal nur deshalb erspart, weil er seinen Text für einen von Dieter Rucht und Roland Roth herausgegebenen Sammelband zu den sozialen Bewegungen in Deutschland rechtzeitig zurückzog,“ heißt es dazu in der Wochenzeitung  „Freitag“. Bei einem Hamburger taz-Autor, der in der Antifa aktiv ist, und den die Autoren ebenfalls der Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst bezichtigten, waren sie jedoch zu vorschnell: Auf einer Veranstaltung der Berliner Antifas im Mehringhof wurde der Betroffene rehabilitiert – und die Autoren  kritisiert.

In der Prenzlauer Berg Monatszeitschrift „Konnektör“ kam kürzlich der einst vom IM/Dichter Schedlinsky bespitzelte Autor  Henryk Gericke auf eine „Enzyklopädie des Verrats“ zu sprechen, verfaßt von Laszlo Toth. Sie beginnt ebenfalls mit dem Verräter Judas, und vergißt auch nicht Arminius und Stauffenberg, endet jedoch mit dem Zweiten Weltkrieg. Dies traf auch schon für die große Studie der Journalistin Margret Boveri: „Der Verrat im XX. Jahrhundert“ zu. Gericke bedauert diese „Unvollständigkeit“, da der Verrat sich laufend weiterentwickelt – und sein  ohnehin labilisierter Gegen-Begriff – die  „Loyalität“ – sich „verlagert“ hat. Als Beispiel erwähnt er die „öffentliche Verratsbibliothek WikiLeaks“. Wenn die Unternehmen, bis hin zu den Verkehrsbetrieben und Krankenhäusern, einseitig den „Vertrag“ mit ihren Mitarbeitern aufkündigen, die „eiserne Reisschüssel zerbrechen“, wie man in China sagt, dann bleibt diesen nur noch wenig mehr, als ihr Wissen um Betriebs-Interna  auszupacken, was sogar bald per Gesetz noch forciert werden soll. Im Endeffekt ist jeder Mitarbeiter ein potentieller „Whistleblower“ und jeder Penner ein „Schläfer“! Damit wird der bisher zumeist noch auf heterosexuelle Liebesbeziehungen und Ehen beschränkte Verrat vollends epidemisch. Und der „Agents Provocateurs“ vielleicht schon  bald ein anständiger Beruf, so wie einst in den US-Klassenkämpfen die Streikbrecher der Agentur Pinkerton.

Neuerdings sind drei dieser „Lumpen“, wie Karl Marx sie kurz und schmerzlos nannte, aufgeflogen: In der Heidelberger Linken ein „verdeckter Ermittler des LKA“, der sich nach einem Wiener Krimiroman-Kommissar Simon Brenner nannte (sein richtiger Name ist Bromma). In der europäischen Umweltschutzbewegung, ausgehend von England, der „Agent provocateur“ des Scotland Yard: Mark Kennedy alias Stone, auch „Flash“ genannt, weil er so großzügig mit seinem Geld umging und äußerst umtriebig war: Er verfaßte während seiner siebenjährigen Spitzeltätigkeit rund 2000 Dossiers über linke Aktivisten und Gruppen in 22 Ländern. Und in der österreichischen Tierschutzbewegung eine  „verdeckte Ermittlerin“ des Bundeskriminalamts (BK) mit dem Decknamen Danielle Durand, die derzeit als Zeugin  vor Gericht aussagen muß, wo sie abstritt, mit dem oder den von ihr Bespitzelten „taktischen Geschlechtsverkehr“ gehabt zu haben.

Die ersten beiden Staatsspitzel waren vor ihrer Enttarnung als „verräterische Genossen“ auch in der Berliner Linken aktiv. Der „Engländer“ sogar recht häufig, aber  angeblich nur zur „Legendenpflege“, dazu gehörte jedoch auch das Anzünden einer Barrikade aus Müllcontainern. Der „Heidelberger“ wohnte um den 1.Mai 2010 bei einem Studenten aus der „linksjugend – solid“:  Meas, in dessen Küche er auch photographiert wurde. Meas schätzte ihn als jemand ein, „der gerade politisch eingestiegen und neugierig ist“. Er kannte „Simon Brenner“ bereits aus Heidelberg. Meas hatte dort die SDS-Gruppe mit aufgebaut und der verdeckte Ermittler war als einer der ersten bei ihnen aufgetaucht. Seine Tätigkeit als Provokateur übte er nach zwei Richtungen hin aus: Einmal, indem er in den Berichten an seine LKA-Führungsoffiziere die „Gefährlichkeit“ der Gruppen und Individuen, die er bespitzelte, übertrieb, und zum anderen, indem er versuchte, letztere zu „kriminellen Handlungen“ zu bewegen. Als Meas z.B. in einer SDS-Sitzung  erwähnte, dass er ein Fahrrad bräuchte, riet „Simon Brenner“ ihm, sich doch eins am Bahnhof zu klauen, das wäre am Ungefährlichsten. Und als er von einem besonders pazifistisch eingestellten Genossen erfuhr, er studiere Chemie, erreichte Simon Brenner, dass die Polizei bei dem „Chemiker“ eine Hausdurchsuchung durchführte – auf den Verdacht hin, dass er Bomben bauen würde. Zur Rückendeckung seines verdeckten Ermittlers ließ der Innenminister von Baden-Württemberg am 18.1. verlauten, dass dieser „tatsächliche Anhaltspunkte“ dafür geliefert habe, dass die von ihm Ausspionierten „künftig Straftaten begehen“.

„Und dies alles trotz der verfassungsrechtlich garantierten Trennung von Geheimdienst und Polizei,“ schimpft Meas, der den Spitzel im übrigen als einen „übermotivierten jungen Typen“ bezeichnet, „mit dem man sich viel unterhalten konnte und der sich für die Probleme interessierte. Er war total sympathisch.“ Später tauchte er auch in der „Kritischen Initiative Heidelberg“  auf. „Er hat sich ohne Skrupel in das Privatleben eingemischt, sich auf Basis von Freundschaften eingeschlichen.“

Einer der Linken, der nach Simon Brenners Enttarnung bei seinem „Verhör“ im Café „Orange“ dabei war, Mathias, wunderte  sich, „dass einer so entfremdet von sich leben kann – und das ist dann sein Beruf. Im Grunde tut er mir leid.“ Die FAZ berichtete von einer Heidelberger Kommilitonin Brenners, die mit ihm zu Demonstrationen nach Berlin gefahren war, und sich nun selbst leid tut: Sie fühlt sich von ihm „belogen und betrogen“. Im Nachhinein will allerdings seine spießige Wohnungseinrichtung und sein Musikgeschmack sie bereits stutzig gemacht haben.

Den vom „Engländer“ – Mark Kennedy – bespitzelten Berliner Genossen Wolf, der ihn ebenfalls, zusammen mit dessen Freundin, in seiner WG  beherbergt hatte, „mindestens fünf mal“, traf ich, wie zuvor auch Meas, in der sogenannten „Spitzelzentrale“ – der Anarcho-Kneipe „Baiz“ in der Torstraße. Auch Wolf, der ein Tattoostudio betrieb, wo sein Spitzel sich jedesmal, wenn er ihn besuchte „behandeln“ ließ, bezeichnet ihn als eine „liebenswerten Menschen“. Als dieser Mensch 40 wurde, lud er Wolf nach England ein – zu einer großen dreitägigen Geburtstagsparty in Herfordshire mit 250 Leuten und vielen Entertainern.

Mark Kennedy bekam für seinen Spitzeleinsatz insgesamt 2 Millionen Euro von seiner „Firma“, der er dafür mehrmals täglich Bericht erstatten mußte. Außerdem wußten die Führungsoffiziere über sein Blackberry-Handy zu jeder Zeit, wo er sich aufhielt. Sein ganzes Equipment und seine „szenetypischen Accessoires“ waren vom Feinsten, er besaß darüberhinaus ein Boot und ein Haus in Nottingham, wo er mit seiner Freundin wohnte. Verheiratet war er mit einer Frau in Irland, mit der er zwei Kinder hat. Sie wußte von seiner Tätigkeit als „Undercover Agent“ in England. Nach seiner Enttarnung gab er der Daily Mail für eine „sechsstellige Summe“ ein Interview, in dem er u.a. verriet, das es neben ihm 15 weitere Spitzel in der Anarcho- und Öko-Scene gab, von denen vier noch immer aktiv seien. Und weil er sich in dem „activist movement“ durch sein Engagement (die sich jetzt  als „Agent Provocateurs“-Taten darstellen) sowie durch allerlei Hilfsdienste – von Transporten über Zugblockaden bis zum Anbringen von Protesttransparenten an Kränen – äußerst beliebt machte, stand er nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst und seiner Enttarnung plötzlich ohne Freunde (und Freundin) dar. Er flüchtete nach Amerika und lebt dort nun in einem „verbarrikadierten Versteck“ – aus Angst vor seinen Polizeivorgesetzten und den „angry Eco-Activists“. Die englische Presse sieht in ihm eher ein „Opfer“ als einen „Täter“. Er tut ihnen leid.

Nachdem er aufgeflogen war, „switschte“ er nach einer Schrecksekunde sofort vom „Scene-Jargon“ zur „Polizeisprache“, das galt auch für Simon Brenner. Die „Polizeisprache“  beherrschte er sowieso besser, denn seine  „linke Ideologie“ war, ebenso wie die von Brenner,   eher „unterentwickelt“. Anders bei den Spitzeln in leitenden Funktionen bei den Neonazi-Organisationen (in Deutschland u.a. bei der NPD), die keine doppelte  Denkweise für ihren Einsatz brauchen – und deswegen so gut wie keine Probleme haben, ihre „zwei Identitäten auszubalancieren“, wie der englische „Guardian“ das nennt. Schon die Gründung der NPD – durch den Junker Adolf von Thadden – war eine Spitzelaktion, initiiert und finanziert vom englischen Geheimdienst M16. Analog dazu wurde der vormalige Wehrmachts-Geheimdienstler Arnold Gehlen von der CIA beauftragt, einen  bundesdeutschen Geheimdienst, den BND, aufzubauen.

Den Beamten von Scotland Yard und vom BKA ist es ausdrücklich verboten, bei ihrer Arbeit als „Undercover Agent“ in der Linken mit den Aktivistinnen ein intimes  Verhältnis („taktische Liebesbeziehungen“ genannt) einzugehen. Der Guardian fand heraus, dass von „vier kürzlich identifizierten Spitzeln drei Sex mit Aktivistinnen hatten“. Simon Brenner und Mark Kennedy flogen genau deswegen auf, weil ihre Freundinnen hinter ihre Doppelexistenz kamen – und sie dann ihrerseits verrieten.

Anders der englische Staatsspitzel Jim Boyling alias Sutton, der sich in eine „Öko-Aktivistin“ verliebte, sie heiratete – und über seine Arbeit als „Agent Provocateur“ aufklärte. Das Ehepaar hat zwei Kinder, lebt jedoch inzwischen getrennt. Boyling versuchte,  seine Frau zum Rückzug aus der linken Bewegung zu überreden und in seine  „Kunst der Täuschung“ einzuweisen, wie sie dem Guardian in einem Interview verriet.

Es sollte uns in der Linken zu denken geben, dass ausgerechnet die Spitzel als die besten und engagiertesten Genossen galten. Ein englischer Freund von Mark Kennedy, der Öko-Aktivist Alex Long, meint sogar – allerdings im Nachhinein: „Er war zu gut, um wahr zu sein!“ Keiner hatte einen Verdacht. Sein Berliner Freund Wolf äußerte sich ähnlich: „Er fiel durch seine große Hilfsbereitschaft auf. Obwohl ich enttäuscht von ihm bin, glaube ich doch nach wie vor, dass seine Freundschaft mit einigen Leuten ernst gemeint war.“ Die Frau des Spitzels Jim Boyling erinnert sich, dass er seine Arbeit großartig fand: „Er fühlte sich wie Gott, weil er die Geheimnisse aller auf beiden Seiten kannte, selbst entschied, was er wem erzählte und dadurch über das Schicksal der Leute bestimmen konnte.“ Seitdem er nicht mehr als „verdeckter Ermittler“ tätig ist, vermißt er – ebenso wie Mark Kennedy und wahrscheinlich auch Simon Brenner – das „Aktivisten-Leben“ – sowie die Anerkennung und die Freundschaft der Genossen.

Michel Foucault definierte die Freundschaft einmal als „die Summe all der Dinge, über die man einander Freude und Lust bereiten kann“. Das Problem, auf das die linke Bewegung ziele, sei „das der Freundschaft“. Dieses „Problem“ stellte er in den Horizont eine „Ethik – als einer Form, die man seinem Verhalten und seinem Leben zu geben hat“. An anderer Stelle spricht er – ähnlich wie neuerdings die französische Gruppe „Tiqqun“ – von der „notwendigen Suche nach Existenzstilen – mit möglichst großen Unterschieden untereinander“. Notwendig deswegen, weil die bisherige „Suche nach einer Form von Moral, die für alle annehmbar wäre – in dem Sinne, dass alle sich ihr zu unterwerfen hätten“, sich als eine „Katastrophe“ erwies. Obwohl mit Foucault hierbei einig, plädiert die Pariser Gruppe Tiqqun im Kollektiv für eine größtmögliche Annäherung der Existenzstile – „formes de vie“ genannt in ihrem Pamphlet „Einführung in den Bürgerkrieg“. Statt diesen Widerspruch aufzulösen, der sich für die Gruppen im Horizont einer Ethik der Freundschaft auftut, bleiben die deutschen Antifas bei ihrer „Moral“. (2)

Zu dem englischen Spitzelfall erklären sie auf „indymedia“: „Wir möchte alle Genossen aufrufen, keinerlei Informationen über Mark preis zu geben! Die Aufarbeitung dieses Falles ist den GenossInnen überlassen, die mit ihm zu tun haben, niemand anders geht so etwas an, den Medien schon gar nicht!“

Eine solche linke „Moral“ läuft im Endeffekt auf das hinaus, was die Psychotherapeutin Angelika Holderberg in dem Aufsatzband „Nach dem bewaffneten Kampf“ schrieb: In einer Diskussion mit ehemaligen RAF-Leuten fiel irgendwann „der bedeutsame Satz ‚In der RAF hat es keine wirklichen Freundschaften gegeben‘.“ Dies ist das Einfallstor für Spitzel!

Im Falle der drei aufgeflogenen Polizeispitzel kommt aber noch etwas hinzu: Sie haben Gruppen der „Öko-Bewegung“ ausspioniert. Und dabei handelt es sich durchweg um „Single Issue Movements“, also um Kollektive von Tierschützern, „Klimakämpfern“, Anti-AKWlern, Genkritikern/Feldbefreiern etc.. Und diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie zum Einen unkritisch die diesbezüglich herrschende Wissenschaft sich aneignen – also Darwinismus, Atomphysik, Geochemie, Genetik, die sie freilich gegen ihre praktischen Anwender richten, und zum Anderen, dass sie sich um der Effektivität ihres Engagements willen auf jeweils ein „Issue“ konzentrieren. Dies ist ein weiteres Einfallstor für Spitzel, die bloß das dafür notwendige Grundwissen, bestehend aus borniertester Naturwissenschaft, auswendig lernen müssen, um einigermaßen mitreden und dann auch -handeln zu können. Das Wissen, die Erfahrungen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung und vor allem die (Marxsche) Warenanalyse stehen in diesen Gruppen nicht (mehr) zur Diskussion. Das macht es den Spitzeln leicht, die als Polizisten sowieso mit naturwissenschaftlichen Versatzstücken („harten Fakten“) geschult werden, während sie in soziologischer Hinsicht Analphabeten sind. Nicht umsonst schimpfte die Bild-Zeitung einst über das „Soziologenchinesisch“ der 68er-Aktivisten: Ihre Einschleichjournalisten, aber auch die Verfassungsschützer und verdeckten Ermittler (Zivis) der Polizei verstanden kein Wort in den studentischen Debatten, die sich in immer abstraktere Gedankenwelten hochschraubten. Wer sich da als Bulle bzw. Staatsschützer einarbeitete – und gleichzeitig sein „Beamtendenken“ beibehalten wollte, der war verloren, d.h. der wurde gegen seinen Willen zu einem „Schizo“ – im deleuzianischen Sinne. Auch die späteren militanten Gruppen – RAF und 2.Juni – wurden erst unterwandert, als ihre theoretische Arbeit mehr und mehr der praktischen des bewaffneten Kampfes wich: Banküberfälle, Autos klauen, Flugzeuge entführen, Waffen besorgen, sie bunkern, damit schießen üben, konspirative Wohnungen anmieten etc. – alles Aktivitäten, die jeder Bulle besser kann, weswegen diese auch gleich mitreden und sich nützlich machen konnten, z.B. indem sie Waffedn und Sprengstoff besorgten.

Jede „Single Issue“-Gruppe, und dazu gehören auch alle anarchistischen Zarenmörder z.B., vernachlässigt sträflich die Notwendigkeit, den Bürgerkrieg „in Richtung seiner erhabensten Erscheinungsweisen auf sich zu nehmen.“ (Tiqqun) Im Gegenteil brechen sie ihn runter auf das handwerkliche Geschick von Kriminellen und Sportlern, deren soziales Bewußtsein mit dem von Polizisten nahezu identisch ist. Es versteht sich von selbst, dass dies kein Plädoyer für eine Beschränkung auf legale Aktionen oder gar „Projekte“ sein soll. Die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Zuständen und der eigenen Ohnmacht muß zur Triebkraft werden, um dem Leben und den Dingen auf den Grund zu gehen. Die  „Unzufriedenheit“ mit den gesellschaftlichen Zuständen, die an allen Enden und Ecken aufflackern kann, sollte dabei kollektiv elaboriert werden – und auf keinen Fall in ein „Projekt“ münden, sondern in Experimente, die Erfahrung (experience) liefern. Das ist das sicherste Mittel zur Abwehr von Spitzeln, denen diese Unzufriedenheit für immer verschlossen bleibt, sonst wären sie keine Staatsdiener und Agent provocateurs geworden. Diese „Lumpen“ sind im Gegenteil höchst zufrieden mit ihrem (hochdotierten) Job – oder wie die Frau des Spitzels Jim Boyling es ausdrückte: „Er fühlte sich wie Gott“. Und seitdem er nicht mehr als „verdeckter Ermittler“ tätig ist, vermißt er dieses Doppelleben ganz schrecklich. Was er dabei ohne Zweifel besaß, war Mut – und nur das. Deswegen müßte man auch die Glorifizierung des Mutes bei den „Streetfightern“ ernsthaft problematisieren. Die bloße Existenz von Spitzeln in linken Gruppen ist ein Indiz dafür, dass die Einzelnen darin ebenfalls eine Doppelexistenz führen: Einerseits nehmen sie ein kritische Haltung gegenüber dem ganzen „Scheißsystem“ an, andererseits halten sie sich die Möglichkeit offen, darin auf erhöhter Stufenleiter irgendwann wieder einzusteigen – und sei es als Welterfahrene in dem Kaff, von wo sie einst hergekommen sind. Es scheint, dass „attac“ besonders viele dieser  Doppelexistenzen angezogen hat, die ihr linkes Engagement im Kollektiv elegant mit individuellem Karriere-„Networking“ verbinden. Der Soziologe Jean Baudrillard hat diese  neuen Single-Issue-Aktivisten folgendermaßen charakterisiert:

„Die Menschenrechte, die Dissidenz, der Antirassismus, die Ökologie, das sind die weichen Ideologien, easy, post coitum historicum, zum Gebrauch für eine leichtlebige Generation, die weder harte Ideologien noch radikale Philosophien kennt. Die Ideologie einer auch politisch neosentimentalen Generation, die den Altruismus, die Geselligkeit, die internationale Caritas und das individuelle Tremolo wiederentdeckt. Herzlichkeit, Solidarität, kosmopolitische Bewegtheit, pathetisches Multimedia: lauter weiche Werte, die man im Nietzscheanischen, marxistisch-freudianistischen (aber auch Rimbaudschen, Jarryschen und Situationistischen) Zeitalter verwarf. Diese neue Generation ist die der behüteten Kinder der Krise, während die vorangegangene die der verdammten Kinder der Geschichte war. Diese jungen, romantischen, herrischen und sentimentalen Leute finden gleichzeitig den Weg zur poetischen Pose des Herzens und zum Geschäft. Sie sind Zeitgenossen der neuen Unternehmer, sie sind wunderbare Medien-Idioten: transzendentaler Werbeidealismus. Dem Geld, den Modeströmungen, den Leistungskarrieren nahestehend, lauter von den harten Generationen verachtete Dinge. Weiche Immoralität, Sensibilität auf niedrigstem Niveau. Auch softer Ehrgeiz: eine Generation, der alles gelungen ist, die schon alles hat, die spielerisch Solidarität praktiziert, die nicht mehr die Stigmata der Klassenverwünschung an sich trägt. Das sind die europäischen Yuppies.“

Anmerkungen:

(1) Der Berliner Basidruck-Verlag, dessen erste Veröffentlichung 1990 die Stasi-Protokolle von Erich Mielke waren, hat die bisher wohl dickste Dokumentation über einen einzigen vermeintlichen  „Verräter“ bzw. „Spion“ im Ostblock veröffentlicht:  „Der Fall Noel Field“ von Bernd-Rainer Barth und Werner Schweizer. Zu den zwei Bänden mit insgesamt 1800 Seiten gehört auch eine DVD sowie die ebenfalls im Basisdruck-Verlag veröffentlichte Autobiographie „Liebe im Exil“ von Edith Anderson. Die junge US-Kommunistin folgte 1945 ihrem Mann Max Schroeder, dem Cheflektor des Aufbau-Verlags, in die Ostzone, wo sie bis 1999 lebte. Sie war u.a. mit Noel Field und seiner Frau befreundet. Ebenfalls im Basisdruck-Verlag erschien 2009 das Pamphlet „Der lange Marsch“ von Wladislaw Hedeler, in dem es um den Marschall der Sowjetunion Wassili Konstantinowitsch Blücher geht, der 1939 zusammen mit seiner Familie als „japanischer Spion“ und „Verräter“ hingerichtet wurde.

(2) Mit einem Vortrag über den historischen Wandel freundschaftlicher Beziehungen eröffnete der Direktor des Frankfurter Instituts für Sozialforschung Axel Honneth die Frankfurter Positionen 2011. Er sprach über „Den langen Schatten der Romantik“:

„Was unter Freundschaft zu verstehen ist, unterliegt ihm zufolge einem historischen Wandel, schreibt Rudolf Walther in der taz. Von der Antike bis ins 18. Jahrhundert war Freundschaft eine Sache unter Männern und beruhte auf ständischen Prinzipien. Freundschaft zwischen Herren und Knechten war ebenso undenkbar wie die zwischen einem verheirateten Mann und einer verheirateten Frau. Solcherlei galt als standes- oder sittenwidrig. Freundschaften unter Männern hatten, wie Honneth betonte, „zeremoniellen Charakter“, ihr Zweck war ein gemeinsamer Nutzen. Gefühle spielten dabei keine Rolle, es ging um den gemeinsamen Ehrenkodex, etwa unter Kaufleuten, oder um Netzwerke zur Verfolgung gemeinsamer Interessen, zum Beispiel unter Zunftgenossen Eine „durchgreifende Entkrampfung des Subjekts“ für Frauen und Männer gleichermaßen wurde erst nach 1945 und verstärkt nach 1968 möglich. Honneth widerspricht dem beliebten zeitdiagnostischen Gerücht, wonach Individualisierung, Leistungsfanatismus und Karrierezwänge Räume für Freundschaft zerstörten Den kulturpessimistischen Schluss, wonach steigende Scheidungszahlen und die Zahl von Singlehaushalten das Ende von Liebe und Freundschaft anzeigten, hält Honneth für voreilig. Die zitierten Trends zeigten auch, dass Frauen wie Männer selbstbewusst geworden sind und persönliche Beziehungen aufkündigen, wenn die erlernten normativen Grundlagen wie Offenheit, Gleichheit, Vertrauen und Solidarität verraten werden.“ Das läßt zwei Schlüsse zu: Entweder ist der „Verrat“ nicht zuletzt dank „Pille“, „Pornos“ und „Sexwerbung“ epidemisch geworden oder man ist selbstbewußt genug inzwischen, um immer weniger gewillt zu sein, über ihn – den „Verrat“ – hinwegzusehen.“ Und ist es das, was Gericke meint, wenn er schreibt, die „Loyalität“ habe „sich verlagert“ – „verlagert“ sie sich nun laufend?

Noch ein Verrat – wie dpa um 2 Uhr 20 unter dem Stichwort „Libyen“ meldet:

„Portugal empfängt Gaddafi-Gesandten.

Ein Vertrauter des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi ist in Lissabon mit Portugals Außenminister Luís Amado zusammengetroffen. Das „informelle Treffen“ habe auf Antrag der libyschen Regierung am Mittwoch in einem Hotel der portugiesischen Hauptstadt stattgefunden, teilte ein Sprecher des Lissabonner Außenministeriums am späten Abend der Nachrichtenagentur Lusa mit.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sei vor dem Treffen informiert worden, betonte der Sprecher. Weder die Identität des Gesandten noch der Inhalt des Gesprächs wurden bekannt gegeben. Lusa berichtete, es sei auch nicht bekannt, ob der Gesandte Lissabon noch am Abend verlassen habe oder die Nacht zum Donnerstag in der portugiesischen Hauptstadt im Hotel Rumpeldipumpel zu verbringen gedachte.

Die Begegnung Amados mit dem Emissär von Gaddafi fand einen Tag vor dem Treffen der EU-Außenminister am Donnerstag in Brüssel statt. Portugal hat den Vorsitz in dem UN-Komitee, das die Umsetzung der Sanktionen der Vereinten Nationen gegen Gaddafis Regime überprüft.“

Zuvor war von AFP aus Ägypten gemeldet worden:

„Libyscher Regierungsvertreter und Vertrauter Gaddafis in Kairo/ Angreifer gehen auf Anhänger der Demokratiebewegung in Kairo los/ 13 Tote bei Zusammenstößen von Christen und Muslimen in Kairo – 140 Verletzte (neu: höhere Opferzahl, Hintergrund)“

Die Junge Welt machte gestern mit der Nachricht auf, ein Großteil der westlichen Medien verrät in ihrer Berichterstattung über den Kampf der Aufständischen gegen das Gaddafi-Regime laufend die Wahrheit:

„Ein russischer Fernsehsender belegt: Die »Berichterstattung« westlicher Medien über den Bürgerkrieg in Libyen ist zum großen Teil Kriegspropaganda.

Am Dienstag drohte US-Präsident Barack Obama der Regierung Libyens mit völkerrechtswidrigen Militärinterventionen, falls die Gewalt in dem nordafrikanischen Land nicht aufhöre. Die Forderung kann Oberst Muammar Al-Ghaddafi nicht erfüllen, denn Libyen befindet sich inzwischen in einem Bürgerkrieg, d.h. die Gewalt geht von beiden Seiten aus. Der Friedensnobelpreisträger in Washington versuchte zugleich, den Bürgerkrieg anzuheizen, indem er westlichen Agenturmeldungen zufolge Saudi-Arabien bat, die Rebellen mit panzerbrechenden und anderen Waffen aller Art zu versorgen. Am selben Tag mußte der britische Außenminister William Hague im Londoner Unterhaus eingestehen, daß eine schwer bewaffnete Spezialeinheit der britischen Armee, angeblich begleitet von einem »Diplomaten« ihrer Majestät, in der Nähe des ostlibyschen Bengasi festgenommen wurde. Das unterstreicht, daß die westliche Aggression gegen Libyen längst begonnen hat.

Unter Berufung auf namentlich nicht genannte, hochrangige Quellen in der russischen Militäraufklärung berichtete RT, daß die von westlichen Medien und Politikern mit Empörung verurteilten Luftschläge gegen die Zivilbevölkerung in Bengasi nicht stattgefunden haben. Laut ‚Russia Today‘ (RT) habe die militärische Führung Rußlands die Entwicklung in Libyen mit Hilfe moderner Aufklärungsmittel, inklusive Satellitenbeobachtung, von Anfang an genau verfolgt. Die angeblichen Angriffe der libyschen Luftwaffe auf demonstrierende Menschenmengen seien »reine Einbildung« westlicher Medien. Belegt sind allerdings einige Luftangriffe der Regierungstruppen auf von Rebellen eroberte Munitionslager.“

Dagegen ließe sich leicht einwenden: die „Rebellen“ – das sind die sogenannten „Zivilisten“, die Aufständischen kämpfen sogar in zivil, das ist bisher noch im Anfangsstadium aller Rebellionen der Fall gewesen, je länger sie kämpfen desto mehr Uniformteile erbeuten sie natürlich. Und dass der JW-Autor hier den „Bürgerkrieg“ schlicht als einen Kampf (bewaffneten) Kampf zweier „Seiten“ definiert, das geht natürlich auch überhaupt nicht oder höchstens in einem Potsdamer Proseminar der Bundeswehrhochschule über „Aufstandsbekämpfung“, da geht es anstandslos durch, sogar Scheine kriegt man da für so eine Definition.

Aber, warum argumentiert der JW-Autor so: Weil er beweisen will, dass der Westen wie der Teufel hinter der armen Seele hinter dem Öl her ist, dafür riskiert er sogar den Krieg – gegen Gaddafi in diesem Fall. In Südamerika ist das schon fast Konsens, da traut man vor allem den Amis jede Schweinerei von „Schweinebucht“ bis „NineEleven“ zu.

Aber wenn schon. Dann kann man doch auch ihnen das Öl wieder wegnehmen.

Hinzu kommt noch:

„In einer am Mittwoch im libyschen Staatsfernsehen ausgestrahlten Ansprache vor Jugendlichen in der Stadt Sintan, rund 120 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Tripolis, rief Gaddafi die Bevölkerung im Osten des Landes dazu auf, wieder die Kontrolle über die von Regierungsgegnern kontrollierten Gebiete zu übernehmen. Der Machthaber beschimpfte die Übergangsregierung der Aufständischen als Bande von Verrätern.“ (Der Spiegel)

Über den Stand der Kämpfe gegen das Gaddafi-Regime (als Linker interessiert mich hierbei das „Revolutionär-Werden“ – und nicht „Bodenkampf“ gegen „Bodenschatz“) berichtet heute morgen um 2 Uhr 35 AFP:

„In der westlibyschen Stadt Sawija haben die Kämpfe zwischen Unterstützern und Gegnern von Machthaber Muammar el Gaddafi am Mittwochabend angehalten. Regierungsprecher Mussa Ibrahim sagte, Sawija sei „unter Kontrolle der Armee“. Es gebe aber noch einige „Widerstandsnester“. Das libysche Fernsehen zeigte unterdessen Bilder von Kundgebungen für Gaddafi in der Stadt.

Das 40 Kilometer von Tripolis entfernte Sawija ist der der Hauptstadt am nächsten gelegene Stützpunkt der Rebellen und seit Tagen heftig umkämpft. In den vergangenen Tagen hatten Gaddafi-treue Kräfte eine Offensive gegen Aufständische im ganzen Land gestartet. Mittlerweile rückten sie auch auf die von den Rebellen kontrollierte Stadt Misrata vor, wie Augenzeugen berichteten. Die drittgrößte libysche Stadt liegt 150 Kilometer östlich von Tripolis.“

Der Frontverlauf ist jedoch verwirrender – wie der Libyen-Liveticker des Spiegel heute morgen nahelegt:

„Nach Augenzeugenberichten setzte das Gaddafi-Regime am Mittwoch seine Angriffe gegen von Aufständischen kontrollierte Städte fort. Mindestens vier Menschen starben bei Gefechten um Ras Lanuf. Der Ölhafen von Al-Sidra wurde nach Angaben der Rebellen schwer beschädigt. Nach Angaben eines Sanitäters gab es viele Schwerverletzte. Das libysche Staatsfernsehen meldete dagegen, die Rebellen hätten ein Öl-Depot angezündet. Spiegel-Reporter Clemens Höges berichtet, dass die Kämpfe n massiv weitergehen. „Die Front hat sich am Nachmittag von Ras Lanuf Richtung Bin Dschawad verlagert.“ Er berichtet, dass im Krankenhaus von Ras Lanuf viele Verletzte eingeliefert werden.

Auch die Situation in Sawija ist weiterhin unübersichtlich. Von Seiten der Rebellen heißt es, sie hätten den wichtigsten Platz in der Stadt zurückerobert, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Die Truppen Gaddafis seien nun einen Kilometer vor den Toren der Stadt, meldet die Agentur unter Berufung auf einen Kämpfer, der sich per Telefon gemeldet hat.

Die Oppositions-Website „Libya al-Youm“ meldete, Gaddafi habe inzwischen Unterstützung aus dem Tschad erhalten. Eine Truppe sei mit rund 100 Militärfahrzeugen aus dem Nachbarland gekommen und inzwischen in der libyschen Stadt Sebha eingetroffen.“

Filmplakat. Photo: forum.die-staemme.de

Buchcover. Photo: alligatorpapiere.de

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