“Frauen von Algier”. Photo: kunstkopie.de
Frauen in Algier heute. Photo: nzz.ch
“Es gibt nicht im Verhältnis zur Macht den einen Punkt der großen VERWEIGERUNG – die Seele der Revolte, den Brennpunkt aller Rebellionen, das reine Gesetz des Revolutionärs. Aber es gibt Widerstände, von denen jeder ein Sonderfall ist: sie sind möglich, notwendig, unwahrscheinlich, spontan, wild, einzelgängerisch, konzertiert, kriechend, gewalttätig, unversöhnlich, bereit zu Verhandlungen, eigennützig oder bereit zum Opfer…”(Michel Foucault)
Das “Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten” (INAMO) hat eine Sondernummer zu den Arabischen Aufständen veröffentlicht: “Game over” – es enthält großenteils Aufsätze aus dem INAMO-Archiv über die Länder des Nahen und Mittleren Ostens, eine aktuelle Ausgabe über die Lage in den Ländern, in denen derzeit Aufstände sind oder sich vorbereiten oder erneut einen Anlauzf nehmen, erscheint im April 2011.
Auch die Zeitschrift “Wildcat” befaßt sich in ihrer Frühjahrs-Ausgabe mit den “Aufständen in Nordafrika”. Ebenso die Zeitschrift “Analyse & Kritik”.
Die Zeitschrift “Aktion” des Nautilus-Verlags veröffentlichte in ihrem Heft 195/200 (Oktober 2009) einen anonymen Text einer algerischen Lehrerin über die Situation speziell der Frauen in ihrem Land (kursiv gesetzte Zeilen sind Fragen ihrer Interviewer):
Von einem Krieg zum anderen
Ich unterrichte in einem Gymnasium in einem Dorf im Umland, ein paar Dutzend Kilometer von Algier entfernt. Meine Schüler sind zwischen vierzehn und sechzehn Jahre alt. Die meisten meiner Kolleginnen tragen den hidjeb (den Schleier). Von sechzig Frauen sind wir drei oder vier, die ihn nicht tragen. Als ich 1985 angefangen habe, bin ich ins Lehrerzimmer gekommen und alle Frauen waren verschleiert. Instinktiv bin ich zurückgewichen. Ich hatte Angst. Ich hatte das Gefühl: »Ich bin in einem islamischen Land, ich bin im Iran.« Ich mußte gegen mich selbst ankämpfen, um standhaft zu bleiben. Ich hatte Verwandte, die mir sagten: »Du bist Dir über die Lage nicht im Klaren.« In diesem Moment sagte ich mir, daß, wenn ich den Schleier tragen müßte, um nicht umgebracht zu werden, ich es tun würde. Doch ich bin standhaft geblieben und es ging vorüber.
1984/85 machten die islamistischen Lehrer bei den Schülerinnen im Unterricht Propaganda, um sie zu zwingen, den Schleier zu tragen. Viele Mädchen haben damals nachgegeben und angefangen, den Schleier zu tragen. Heute tragen in meiner Schule von 1400 Schülern gerade mal 10 Prozent der Mädchen den Schleier oder die von den Islamisten tolerierte Kleidung. Du fühlst, daß sie nicht daran glauben. An einem Tag kommt ein Mädchen mit dem Schleier, am nächsten Tag trägt sie ihn nicht mehr. Inzwischen verbietet das Regime den Lehrern, sich in diese Frage einzumischen. Plötzlich bemerkst du, daß viele Mädchen den Schleier trugen, weil da der Druck der Lehrer war. Und dennoch, das ist ein Gebiet, auf dem die Aktivität der Islamisten sehr stark ist, wo viel geschehen ist, wo es in letzter Zeit Massaker mit vielen Toten gab. Wenn man heute den Schleier trägt, dann nicht mehr aus Angst oder aus Zwang. Infolge all dessen, was passiert ist, ist das Ansehen der Religiösen in den Augen der Frauen gesunken. Sie sind nicht mehr so überzeugt, doch da ist die Gewohnheit, die Tatsache, daß sie sich sehr jung schon verschleiert haben und daß es nun sehr schwierig ist, unverschleiert zu gehen. Sie sagen uns: »Wenn wir das gewußt hätten, hätten wir ihn nie angelegt. Doch nun ist es schwierig, davon abzugehen. Ich habe ihn jahrelang getragen. Wenn ich ihn nun ablege, fühle ich mich ganz nackt.«
Dieses Gymnasium ist ein gemischtes Gymnasium. Das heißt, es ist gemischt, ohne es zu sein, denn es gibt keine richtige Durchmischung. Auf dem Hof bilden sich manchmal ein paar gemischte Gruppen, aber das ist sehr selten. Sicher haben die Jungs Freundinnen und die Mädchen Freunde, es gibt Liebschaften unter ihnen. Sie sind wie alle Heranwachsenden auf der Welt, sie schicken sich Liebesbriefe, sie verabreden sich. Doch im Klassenzimmer weigern sie sich, sich zusammenzusetzen. Und wenn sie außerhalb der Schule sind, kennen sie sich nicht mehr: die Mädchen gehen ihren Weg, die Jungen einen anderen. Der einzige Ort, an dem sie wirklich miteinander in Verbindung kommen können, ist die Schule.
Es ist sehr schwierig, in der Schule über das zu sprechen, was passiert, über die Massaker. Warum? Einerseits sind da Kinder, deren Väter deportiert wurden, die Brüder im islamistischen Untergrund haben, die Brüder haben, die Emire sind. Andere haben Familienangehörige, die ermordet wurden. Andererseits sind da Kinder, deren Väter und Brüder bei der Polizei, in der Armee oder in der von der Regierung geschaffenen Geheimpolizei sind. Das spaltet. So herrscht drückendes Schweigen, jeder hat Angst vor dem anderen. Eines Tages gab es ein Massaker in der Gegend und drei unserer Schüler wurden getötet. Der Unterricht wurde nicht einmal unterbrochen. Es wurde in der Ecke geweint, das ist alles. Die Schüler waren völlig bestürzt, manche sind nicht zum Unterricht gekommen. Es war unmöglich zu trauern. Das ist es, was in Algerien heute so dramatisch ist: man spricht nicht, alles wird verdrängt, alles wird angestaut, man äußert sich nicht. Das ist eine kranke Gesellschaft. Man hat nicht einmal für eine Stunde den Unterricht unterbrochen, um diese Trauer auszudrücken, um unseren Schmerz zu äußern. Du hast Gören, die gesehen haben, wie ihre Eltern, ihre nächsten Verwandten umgebracht wurden. Die sind da, sie sitzen vor dir. Eines Tages ist ein Junge mit einer Pistolenkugel zu mir in den Unterricht gekommen. Ich habe ihm gesagt: »Ich will so was hier nicht haben.« Er hat das überhaupt nicht verstanden, warum auch? Für ihn war das normal. Er hat mit angesehen, wie sein Vater vor ihm getötet wurde. Auf der schulischen Ebene sind das Kinder, die gar nichts mehr tun, die keine Motivation mehr haben, selbstverständlich. Dieser Junge, z.B., war ein guter Schüler, nun ist er verloren, so weit ist es. Sein Bruder hat das Studium aufgegeben, um sich freiwillig zur Geheimpolizei zu melden. Das sind furchtbare Situationen.
In meiner Klasse haben wir eine Gemeinschaftsarbeit über die Zukunftspläne der Schüler gemacht. Neunzig Prozent sagten mir, sie wollten Polizisten werden, zur Armee oder zu den Sicherheitsdiensten gehen. Das verleiht Sicherheit, doch es ist vor allem der Ausdruck einer Revanchehaltung, die bereits diese Kinder heimsucht. Einer von ihnen hat zu mir gesagt: »Ich möchte Polizist werden, um sie zu säubern«. Das ist ein weiterer Aspekt dieser Verdrängung. Niemals werden die bewaffneten Gruppen, die Islamisten, beim Namen genannt. Du merkst, mit wem du zu tun hast, je nach dem Ausdruck, der benutzt wird. Ein Anhänger der Islamisten würde sagen: die Brüder und Schwestern oder die mudjahidin und die mudjahidat. Ein Gegner würde sagen: sie. Andere wiederum nehmen nicht Partei, haben Angst, sind sich nicht sicher und benutzen den Begriff sie für alle. Jeder ist eingeschüchtert. Letztes Jahr gab es mehrere Attentate in den Schulen und Gymnasien in der Gegend. Es genügt, daß eine Tür oder ein Fenster zuschlägt, und alle in der Klasse erschrecken. Es gab keine offiziellen Verhaltensregeln zur Evakuierung im Falle eines Attentats. Wir hätten darüber unter uns Lehrern diskutieren können. Nichts davon. Auch hier wieder Schweigen. Gerade mal, daß uns der Direktor eines Tages hinter vorgehaltener Hand sagt: »Wir müssen den Unterricht zu einer bestimmten Zeit beenden, Sie wissen, warum!« Wir stecken mittendrin und niemand spricht darüber.
Erst in dem Moment, in dem die Leute angefangen haben, sich zu bewaffnen, haben sich die Zungen gelöst. Erst dann hat man angefangen zu sprechen: »Wir sind bewaffnet, wenn sie kommen, werden wir uns verteidigen.« Im letzten Jahr während der großen Massaker, haben die Leute auch angefangen zu sprechen. Wie ist das möglich: Babys, Frauen, alte Leute niedergemetzelt. Es war zuviel an Barbarei, die Leute haben derart reagiert, daß sie revoltierten. Und auch diejenigen, die aktive Mitglieder der FIS waren. Ich habe Kollegen, die in der FIS sind. Sie haben die Massaker angeprangert, auch wenn sie stets die Betonung auf die Mittäterschaft des Staates legen.
Ich bin auch Mitglied in der Vereinigung für die Befreiung der Frau, deren Sitz in Algier ist. Sie wurde 1989 gegründet, als die Vereine vom Staat anerkannt wurden. Ursprünglich wurde diese Vereinigung von Feministinnen gegründet, die ab 1985 Filmclubs einrichteten. Die Aktivität der Filmclubs erlaubte es uns, uns zu versammeln und Diskussionen über die Filme zu organisieren. Wir waren halb illegal und die Filmclubs waren das Mittel, das wir benutzten, um uns zu treffen. Doch es gab auch Frauen, die aus der Gewerkschaftsbewegung kamen. 1989 haben sich also all diese Frauen getroffen, um die Vereinigung zu gründen. Unser Ziel war, auf den beiden Schienen zu agieren, die uns am wichtigsten erschienen: die Denkweise der Leute und das Gesetz. Es gab nämlich bereits andere Frauenverbände, die jedoch nur auf das Gesetz abzielten, im großen und ganzen auf das Familiengesetz. In dieser Hinsicht muß ich anmerken, daß das algerische Arbeitsrecht Frauen nicht diskriminiert. Im Gesetzestext haben Frauen und Männer dieselben Rechte. Nur im Familiengesetz ist die Diskriminierung spürbar. Ab 1989 haben wir also angefangen, Zirkel zu gründen und Diskussionen über die Lage der Frauen zu organisieren. Wir haben kleine Veranstaltungen organisiert und Propaganda gemacht. Unter den Mitgliedern der Vereinigung waren auch Studentinnen, die zum Studieren nach Algier gekommen waren, und die, als sie ihr Studium beendet hatten, in ihre Heimatstädte zurückgingen. Wir haben eine Rechtsberatung auf die Beine gestellt und versucht, mittellosen Frauen zu helfen, die kei-nerlei Möglichkeiten hatten, um sich zu verteidigen. Auf nationaler Ebene haben wir mehrere Treffen von Frauen organisiert.
Zwei Jahre lang, als der Terrorismus seinen Höhepunkt erreicht hatte, haben wir aufgehört zu agieren. Vor allem, weil wir in den gefährlichen Vierteln wohnten und arbeiteten, und dort auf uns aufmerksam gemacht hatten. Auch wenn wir keine Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren, so waren wir doch bekannt. Wir hatten mit unverschleiertem Gesicht demonstriert und die Islamisten hatten unsere Demonstrationen gefilmt. Wir mußten uns schützen. Außerdem konnte jede öffentliche politische Versammlung nur unter starker militärischer Überwachung stattfinden und das akzeptierten wir nicht. Wir konnten die militärische Macht nicht unterstützen.
Heute ist das Durchschnittsalter in den Frauenverbänden gestiegen. Es gibt sehr wenig junge Frauen, die zu uns kommen. Man kann sie an den Fingern einer Hand abzählen. Deshalb denken wir, daß die Frauenbewegung verjüngt werden muß. Die neue Generation hat viele Probleme, das Studium, die Familie, die Arbeit … Nur sind die Frauen, die aktiv sind, vierzig Jahre alt oder älter.
Das derzeitige Familiengesetz ist (bis zur Anwendung der Gesetzesänderung) noch die letzte Version eines alten Gesetzes, das in der Geschichte des unabhängigen Algerien mehrmals vorherrschend war.
Seit Beginn an verkörperte dieses Projekt einen ideologischen Kampf gegen die Frauen. Ab 1963 kam der Entwurf auf den Tisch und stieß 67, 68, 80 und 81 regelmäßig auf den Widerstand der eigenen politischen Klasse oder der jungen universitären Intelligenz, die von feministischen Prinzipien inspiriert war. Erst im Sommer 1984 wurde das Gesetzesvorhaben schließlich durchgesetzt. Es ist wichtig zu verstehen, daß dieses Gesetz keinen Schritt zurück bedeutete. Es gab ganz einfach den Zustand des Kräfteverhältnisses zwischen den Geschlechtern wieder. Es gab schlimmeres. So gab es im Jahre 1980 eine Diskussion über die Bestimmung der Länge des Stocks, mit dem Frauen geschlagen werden durften … Der Kampf gegen den französischen Kolonialismus, die Unabhängigkeit, die Reformen nach der Unabhängigkeit, nichts davon hatte diese Verhältnisse wirklich über den Haufen geworfen.
… nicht einmal die Rolle der Frauen während des Unabhängigkeitskriegs?
Weit entfernt von den vereinfachten Bildern war der Krieg sehr wohl ein wichtiger Markstein in der Geschichte der algerischen Frauen. Doch man muß sich einmal den Mythos der außergewöhnlichen Rolle der Frauen in diesem Krieg vornehmen.
Wie in allen Kriegen haben die Frauen viel geleistet: sie haben Widerstand geleistet; sie haben die Kämpfer ernährt und versteckt, und haben dies mit ihrem Leben oder ihrem Körper bezahlt. Auf dem Land waren Vergewaltigungen bei den französischen Militärs, den Fallschirmjägern, an der Tagesordnung. Wenn ihre Männer, Söhne oder Ehemänner, tot, inhaftiert oder in den Untergrund gegangen waren, ertrugen sie das alltägliche Elend und den Terror. Manche waren auch im Gefängnis, andere wurden zum Tode verurteilt. Das sind die berühmten Bombenlegerinnen. Unter ihnen waren viele Studentinnen, die von einem Freiheitsideal getrieben waren. Doch sie konnten dies nur tun, weil die Männer diese Aufgabe nicht mehr übernehmen konnten. Zu Beginn der Stadtguerilla taten dies die Männer, als verschleierte Frauen verkleidet. Als die Militärs ihnen auf die Schliche kamen, zerstörten sie ohne große Mühe die Gruppen der »Terroristen«. Von da an wurde diese Aufgabe den Aktivistinnen übertragen. Als diese ihrerseits von der französischen Armee verfolgt wurden, mußten die Frauen ebenfalls in den Untergrund gehen. Dort fingen die Probleme an, denn im Untergrund war für sie kein Platz. Die Anführer wußten nicht, was sie mit ihnen machen sollten. Manche wurden zur politischen Ausbildung nach Ägypten geschickt. Als sie zurückkehrten, sind sie zu denen gestoßen, die in den Dörfern politische Propaganda machten, um die Ziele und das Programm der FLN zu erklären. In dieser Funktion ist keine einzige Frau in eine verantwortliche Position in der Hierarchie der nationalistischen Organisation gelangt. Während des Befreiungskrieges haben Mobilisierungen von Frauen nie eigene Forderungen bezüglich ihrer Lage erhoben. Sie bezogen sich ausschließlich auf die Forderung nach Unabhängigkeit. In dieser Hinsicht brachen sie offensichtlich aus ihrer traditionellen Rolle aus. Doch sie wurden deshalb keine militanten Feministinnen für eine egalitäre Gesellschaft.
Das Engagement der »Schwestern« erweckte bei den »Brüdern« Respekt, doch es änderte nichts an der Rollenverteilung in der Familie oder in der algerischen Gesellschaft. Doch dies erklärt vielleicht teilweise, warum die traditionalistischen Väter, obwohl sie weiterhin in einer respektablen Ehe die beste Zukunft für ihre Töchter sehen, wollen, daß sie zur Schule gehen, daß sie einen Beruf erlernen und nicht wie ihre Mütter leben.
Im Gesetz von 1984 wird die Frau nur in Beziehung zum Mann betrachtet, als Tochter oder als Ehefrau. Und Ehefrau heißt zwangsläufig Mutter. Das Gesetz gibt der Frau keinerlei Recht, mit einer einzigen Ausnahme: einem Artikel, der es der Frau erlaubt, die Güter zu behalten, die sie besitzt, wenn sie heiratet. Dies ist der einzige Artikel im gesamten Gesetz, in dem es heißt: »Die Frau hat das Recht …« In allen anderen Artikeln, sei es bezüglich der Ehe oder der Scheidung, heißt es immer: »Die Frau muß, die Frau muß, die Frau muß.« Im Ehevertrag ist keine Frau, gleich welchen Alters oder welcher sozialen Klasse, ein unabhängiges Individuum. Sie braucht immer die Erlaubnis ihres nächsten männlichen Familienangehörigen, selbst wenn es der jüngere Bruder ist. Wenn der Vater und die Brüder tot sind, so muß ihr eigener Sohn ihr die Erlaubnis erteilen, zu heiraten bzw. wieder zu heiraten. Die Frau hat kein Recht auf Scheidung. Sie kann jedoch ihren Ehemann bitten, die Scheidung zu beantragen … Wenn der Ehemann die Ehe nicht vollzogen hat (doch wer will das beweisen?); wenn der Ehemann impotent ist (doch wer würde wagen, das zu behaupten?); und schließlich wenn der Ehemann wegen eines schweren Verbrechens im Gefängnis ist, also in der einzigen Situation, in der man vielleicht Solidarität beweisen möchte. Wenn der Ehemann Alkoholiker ist, wenn er jeden Abend seine Frau und die Kinder schlägt, selbst in diesem Fall gibt das Gesetz der Frau nicht das Recht, die Scheidung zu beantragen.
Zur Zeit plant die Regierung einige Zusätze zum Familiengesetz. Aus der Sicht der Frauen versprechen diese Zusätze kleine Öffnungen und können ihnen helfen, aus unmöglichen Situationen herauszukommen, in denen sie heute leben, z.B. bezüglich der Scheidung. Das alte Gesetz sah sieben Klauseln vor, nun kommt eine weitere hinzu, die es den Frauen erlaubt, wegen Zerrüttung der Ehe die Scheidung zu beantragen. Dies wäre einer der wenigen Artikel im neuen Gesetz, der den Frauen die Möglichkeit ließe, sich selbst zu äußern.
Wie soll man erklären, daß dieses autoritäre Regime vorschlägt, diese neuen Gesetzesänderungen einzuführen? Eigentlich hatten wir seit der Unabhängigkeit nur autoritäre Regime. Für mich ist das klar. Diese Gesetzesänderungen sind kein Ausdruck einer Umkehr des Kräfteverhältnisses in der Gesellschaft. Das Patriarchat ist nicht eines schönen Tages im Bürgerkrieg aufgewacht und hat gesagt: »Nach allem haben die Männer zu viele Privilegien, also ein bißchen Großzügigkeit, verdammt!« Die Medienkampagnen der algerischen Feministinnen und ihrer Verbündeten haben, bei aller Beschränktheit und politischen Zwiespältigkeit, Sympathie im Ausland erregt und so etwas Eindruck erweckt. Das heißt, es handelt sich vor allem um ein Zugeständnis des Regimes auf den Druck der ausländischen Mächte, der USA und Frankreichs. Das algerische Regime hat es nötig, ein Bild der Öffnung zu vermitteln. Um die Unterstützung der westlichen »Demokratien« zu erlangen, mußte es eine Geste, einen Schritt tun.
Von 1980 bis zu Beginn des Krieges, denn ich spreche von Krieg, war die ganze Kampagne der Islamisten gegen die Frauen gerichtet. Bis 1990 wurde gegen die Frauen gepredigt und Propaganda betrieben. Man könnte fast sagen, daß das Programm der FIS nur eine Abfolge von Punkten, von Schmähreden gegen die Frauen war. Fast nichts anderes. Alles, was nicht in Ordnung war, war die Schuld der Frauen. Es gab für diese Reden ein günstiges Terrain. Die Praktiken, die Meinungen, alles machte die Leute für diese Art von Diskurs empfänglich.
Vergessen wir nicht, die weit verbreitete Schulbildung hat die Situation der Frau in Algerien vollkommen verändert. Die Frauen sind im öffentlichen Raum aufgetreten, doch dies hat nicht ausgereicht, um das Kräfteverhältnis gegenüber den Männern zu ändern, und auch nicht, daß die Leute den Kampf der Frauen unterstützen. Selbst auf politischer Ebene findet dieser Kampf erst seit kurzem statt. Zur Zeit des Wahlkampfs haben sich die sogenannten demokratischen Parteien in diese Kampagne eingemischt. Sie sprachen von der Abschaffung des Familiengesetzes und forderten einen egalitären Status für die Frauen. Doch es gab sehr wenig Diskussion. Die Frauen waren sehr wenig in das politische Leben einbezogen.
Die Leute fragen sich oft, warum 1990 und 1991 so viele Frauen die FIS gewählt haben. Wie konnten so viele Frauen für eine Partei stimmen, die so klar gegen ihre Interessen gerichtet war? Wenn ich im Ausland bin, öffne ich den Wasserhahn und wundere mich jedes Mal, daß das Wasser herausströmt. In Algerien haben wir alle vier Tage für zwanzig Minuten Wasser. Im Sommer 1997 haben wir nur drei Tage Wasser gehabt. Das ist zum Verrücktwerden. Die FIS hat in ihrem Wahlkampf versprochen, daß das Wasser nach gleichen Maßstäben im ganzen Land verteilt würde. Denn es ist offensichtlich, daß die reichen Viertel das ganze Jahr Wasser haben. Einmal hat im Fernsehen eine Frau aus dem Volk, die nach ihrer Meinung zum Terrorismus gefragt wurde, geantwortet: »Was ich will, ist Wasser«. Die FIS hat auch versprochen, daß alle Kinder Zugang zur Bildung bekämen, daß die Kinder der Reichen nicht mehr die Möglichkeit haben sollten, zum Studium nach Paris zu gehen. Mit einem Wort, die FIS hat, wie die FLN 1962, einem Volk, das gegen Ungerechtigkeit und Korruption revoltierte, eine bessere Welt versprochen. Dies erklärt teilweise, warum die FIS so populär war, warum so viele Frauen sie gewählt haben. Nach 1990 hat man sehr schnell begriffen, daß die Methoden der Kommunalverwaltung der FIS genau die gleichen wie die ihrer Vorgänger waren. Ihre Praxis läßt sich darin zusammenfassen, daß sie dies und jenes verboten haben. Und daß sie ihre Mitglieder begünstigten. Das war eine Rückkehr zur Korruption, zum Klientelismus. Doch die Unzufriedenheit mit der alten Einheitspartei war so stark, daß die FIS bei den folgenden Parlamentswahlen die Mehrheit erreichte. Ihre Propaganda war die Forderung nach Gerechtigkeit, was populär war und den Wünschen der Menschen entsprach. Heute wollen viele von ihnen immer noch einen islamischen Staat, auch wenn die Leute sich von den politischen Praktiken der islamischen Gruppen distanzieren. Sie denken allerdings, daß die Macht dafür verantwortlich sei, daß sie diese Gruppen manipuliert.
Nach dem, was du gesagt hast, sind die Frauen stark in der algerischen Gesellschaft präsent; sie sind es, die sich am meisten verändert haben. Vielleicht haben sich die Männer auch verändert …
Es stimmt, daß die Frauen immer mehr im gesellschaftlichen Raum auftauchen. In den achtziger Jahren hatte man sich, angesichts der gewalttätigen islamischen Kampagne gegen die Frauen, damit abgefunden, daß man sich nicht zu sehr aufdrängen sollte. Dieses »nicht zu sehr« war implizit eine Anerkennung dieser Tatsache. Ich selbst habe das durchgemacht. In jenen Jahren spürte man bereits die Präsenz der Frauen, selbst wenn sie körperliche, moralische und gesellschaftliche Gewalt erlitten. Es gab einen Willen der Frauen, sich durchzusetzen. Bei den Männern war – notgedrungen – die Tatsache akzeptiert, daß sie begannen, ihr Terrain, ihren öffentlichen Raum einzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Islamisten am gewalttätigsten. Damals wurden alle Frauen als »Falken« bezeichnet, man beschuldigte die Frauen, die auf die Straße, auf die öffentlichen Plätze gingen. Es muß betont werden, daß die ersten Gewalttaten, von 1985 bis 1990, offen gegen die Frauen gerichtet waren. Und niemand sagte etwas. 1985 wurden Flugblätter verteilt, die alle Frauen verurteilten, die nicht die reguläre islamische Kleidung trugen. Es ging nicht nur um das Tragen des Schleiers, sondern man sollte sich auch das Gesicht verhüllen, man sollte Handschuhe tragen. Im Süden sind sie sogar so weit gegangen, Frauen körperlich anzugreifen und ihre Häuser zu verbrennen. Es wurden gewalttätige Aktionen gegen Studentinnen organisiert. Natürlich wurde dies alles gerechtfertigt, doch es war offenbar, daß die Frauen nur deshalb angegriffen wurden, weil sie Frauen waren. Es gab ein paar Demonstrationen von Frauen, doch wenige politische Parteien unterstützten sie. Die Medien ignorierten sie. In diesem Moment haben die Frauen Angst bekommen. Auf der Straße sah man dies an der Anzahl der verschleierten Frauen.
Der Schleier ist also nur ein Zeichen der Unterwerfung der Frauen?
Genau. Es stellt sich auch die Frage des Schleiers als »Freiraum«. Dies ist ein Thema, über das nicht genug geredet wird. Man kann sagen, daß die islamistischen Frauen im Aktivismus ein Gebiet der Selbstbestätigung gefunden haben; ein Raum, in dem sie existieren konnten, ein Raum, in dem sie den Traditionen entfliehen konnten. Und dennoch, in der Welt des Islam sind die Räume für die Geschlechter stark voneinander getrennt, von den Moscheen bis zu den Versammlungen. Doch von dem Moment an, in dem ein Mädchen in der Lage ist, über Religion zu sprechen, auf minimaler Ebene die abstrakten Fragen der Religion theoretisch behandeln kann, ist sie auch fähig, sich der Autorität ihres Vaters entgegenzustellen, und das gibt ihr plötzlich einen geschützten Raum, der bewirkt, daß nicht mehr an ihrer Reinheit und ihrer Unschuld gezweifelt werden kann. Sie kann alleine ausgehen und – das ist erstaunlich – sie kann auch nachts ausgehen. Ihr Status als Aktivistin erlaubt es ihr. 1989 verabschiedete das erste nationale Treffen der von der FNL unabhängigen Frauenverbände eine gemeinsame Forderungsplattform gegen den Ausschluß der Frauen aus dem sozialen Raum, gegen die islamische Gewalt und das Familiengesetz. Als Antwort darauf kam eine Woche später die islamistische Welle … die Frauensektion von El Irchad oual Islah1 ging auf die Straße. Frauen wurden mit Lastwagen und Autos herbeigekarrt. Ein Meer von mit weißen oder schwarzen Schleiern bedeckten Köpfen strömte auf dem ganzen Platz der Märtyrer in Algier zusammen, umrahmt vom Ordnungsdienst der FIS. Auf der Tribüne waren die damaligen obersten islamischen Autoritäten, Männer: sehr alte und bei den jungen die fanatischsten. Dann greift eine Frauenstimme über Lautsprecher, die an allen Straßenecken angebracht waren, den Bannfluch auf, der von den männlichen Stimmen ausgesprochen wurde, die vor ihr geredet haben. Auf den Gesichtern der Jugendlichen zeigt sich Verwunderung: die Stimme der Frauen ist im Islam tabu. Ist das ein Gag? Der Inhalt beruhigt sie. Der Redebeitrag ist kurz, das Symbol explosiv. Um die Frauen zu bekämpfen, müssen sie Frauen zusammenbringen, und dadurch, selbst wenn man sie zu Papageien macht, treten die Männer zur Seite, um ihnen einen kleinen Platz einzuräumen. Die islamischen Frauen haben diesen Klappsitz benutzt, um eine sehr relative Rolle in ihren Organisationen zu erobern. Bis zu welchem Punkt?
Heute gibt es Frauen, die sind im islamistischen Untergrund aktiv. Als die Armee mitten in Algier islamistische Widerstandsgruppen entdeckt und angegriffen hat, trafen die Soldaten auf Gruppen, bei denen Frauen waren. Sie haben sich nicht ergeben und sind mit der Waffe in der Hand gestorben. Es gibt auch Berichte von Frauen, die sagen, sie seien im islamistischen Untergrund von anderen Frauen gefoltert worden. Das ist eine ganz andere Situation. Wir, die Frauen aus der Frauenvereinigung, sind nicht mehr die einzigen. Die islamischen Frauen sind da, politisch organisiert. Und sie haben sich ein Bild als Kämpferinnen erobert. Es wird erzählt, daß eine Frau ihren Bruder (der von der Armee für tot erklärt worden war) in einer wichtigen bewaffneten Gruppe im Westen Algeriens in der Position des Emir ersetzt hat. Ein Emir ist jemand, der nicht anfechtbar ist und nicht in Frage gestellt werden kann. Jeder Protest in einer bewaffneten Gruppe endet unvermeidlich mit Hinrichtungen. Wie dem auch sei, um diese Position zu haben und die anderen Aspiranten zu schlagen, um so gut wie ihr Bruder zu sein, der als einer der blutrünstigsten Führer des Untergrunds betrachtet wurde, hat die Frau in der Barbarei rivalisiert. Es ist bekannt, daß im Laufe der letzten Massaker in der Umgebung von Algier es Frauen aus den bewaffneten Gruppen waren, die die Orte auswählten, die die Familien aussuchten und die Hinrichtungen leiteten. Das mindeste, was man dazu sagen kann, ist, daß dies keine positive Entwicklung ist.
Wir sprachen davon, das Bild der Beteiligung von Frauen am Befreiungskrieg zu entmystifizieren. Daß die Frauen schließlich darin nur eine begrenzte logistische Rolle gespielt haben, die stark von der FLN beaufsichtigt und kontrolliert wurde. Daß sie nicht auf eigenständige Weise an der Befreiungsbewegung teilgenommen haben, sondern daß man sie eher benutzt hat. Heute scheinen die Frauen in der islamistischen Bewegung mehr Stärke zu besitzen als die Frauen in der FLN.
Es gibt heute also Frauen, die im islamistischen Untergrund aktiv sind. Hat das Engagement der Frauen in den islamistischen Gruppen die härtesten und gegen die Frauen gehässigsten Islamisten dazu gezwungen zuzulassen, daß sie den Raum besetzen und genauso agieren wie die Männer? In den politischen Organisationen macht es den Eindruck, als ob sie fast genauso engagiert seien wie die Männer. Sie demonstrieren öffentlich, sie äußern sich, sie beziehen Stellung. Gewiß geht es wieder einmal nicht darum, diese Tatsache zu bewerten, sondern sie zu betonen und zu sehen, was dies bedeutet. Was sich an der Spitze der islamistischen Macht abspielt, ist eine andere Sache. Das sind sehr autoritäre Organisationen und wenn es darum geht, Entscheidungen zu treffen, sind es immer die gleichen, die sie treffen. Auf dieser Ebene sind keine Frauen mehr vertreten. Die islamistischen Aktivisten werden vor allem aus den am meisten benachteiligten Schichten rekrutiert. Die Führer der Bewegung stammen hingegen eher aus wohlhabenderen und gebildeteren Klassen. Doch als die islamistischen Töchter und Frauen begonnen haben, Politik zu machen, haben sie dies genauso wie wir getan, und das gibt ihnen einen Status, der nichts mit dem der Frauen in der FLN zu tun hat.
Das Kräfteverhältnis zwischen den Geschlechtern, in der Familie, ist dabei, sich zu verändern. Dennoch versuchen die jungen Frauen – wie du betont hast – nicht, in Gruppen und Vereinen aktiv zu sein, die sich offen für die Rechte der Frauen einsetzen. Ist dies nicht ein Widerspruch? Als ob sie eine Veränderung ihrer Situation innerhalb des Systems suchen würden?
Heute ist es das Hauptinteresse der jungen Frauen, zu heiraten. In unserer Gesellschaft ist eine unverheiratete Frau gesellschaftlich nicht anerkannt. Sie wird als arm, verletzlich und unfertig angesehen. Doch ich denke, daß dieses Interesse mit einem anderen einhergeht, dem, ein eigenes Einkommen zu besitzen. Diese Veränderung ist auch in der Haltung des Mannes gegenüber der Frau sichtbar. Vor zehn, fünfzehn Jahren bevorzugten die Männer eine Frau, die zu Hause bleibt und ihren kleinen Wohlstand garantiert. Heute ist das Leben auf wirtschaftlicher Ebene so kompliziert, daß die Männer lieber Frauen suchen, die arbeiten. Das ist sogar zu einem Wert geworden; die Fähigkeit der Frau zu einem Einkommen ist nun Teil der Mitgift, selbst wenn es sich nur um einen Nebenverdienst handelt. Die Frauen haben das genau begriffen. In den Familien können sie sich nicht durchsetzen, keinen Raum einnehmen, so klein er auch sei, wenn sie nicht arbeiten. Es ist sicher, daß es ein Bedürfnis gibt, anerkannt zu werden, und auch bei den Frauen aus den ärmeren Schichten, wo viele zu Hause arbeiten. Diese Frauen haben auch das Verhältnis in der Beziehung verändert: sie haben eine Verantwortung und sie bringen ein Einkommen nach Hause, genauso wie der Mann. Oft sogar mehr, in dem Maße wie die Arbeitslosigkeit bei den Männern ansteigt. Plötzlich sind es die Frauen, die die Familien unterhalten. Sie setzen sich durch, sie haben mehr Kraft, sich zu verteidigen. Dies ist eine unbewußte Bewegung, die in Algerien wie in jederGesellschaft stattfindet, wo die Frau eine relative finanzielle Unabhängigkeit erlangt hat. Die Kräfteverhältnisse in der Familie verändern sich. Wenn ich sage unbewußt, so möchte ich die Tatsache erwähnen, daß es eine Anpassung gibt, daß dies nicht in Richtung Befreiung, hin zu einer grundlegenden Veränderung geht. Die aktuellen Veränderungen geschehen um den Preis einer größeren Ausbeutung der Frauen. Die Haltung der Männer, die die Unabhängigkeit und die Jahre der FLN in den Fünfzigern mitgemacht haben, ändert sich ebenfalls. Sie haben nichts getan, um die Lage der Frauen zu verändern, sie haben gegen die Frauen geredet und traditionelle Einstellungen praktiziert. Heute sind sie Väter und durch die Macht der Umstände sind sie gezwungen, ihre Sichtweise gegenüber den Frauen zu ändern. Denn es sind ihre Töchter, die das Familiengesetz zu spüren bekommen. Es sind ihre Töchter, die auf der Straße sitzen, wenn ihr Ehemann beschließt, sich scheiden zu lassen. Nach dem Gesetz hat der Mann das Recht, sich auf einen einfachen Antrag hin scheiden zu lassen. Er muß keinerlei Gründe angeben. Zur Zeit ist die Scheidungsrate enorm hoch, ungefähr 30 Prozent oder mehr. Die Väter, die Brüder, sehen genau, daß da irgendwo eine Ungerechtigkeit ist, denn sie erleben sie. Doch das bedeutet nicht, daß sie das Familiengesetz in Frage stellen. Momentan ist dies eine individuelle Entwicklung. Die Leute erkennen, daß es ein Problem gibt.
Die Frage der geschiedenen Frauen nimmt einen wichtigen Platz ein. Wenn die Frau in einem Lohnarbeitsverhältnis steht, kann sie sich eine andere Wohnung suchen. Dies ist nicht unbedingt erfolgreich, denn die Wohnungsnot ist so groß, daß die Mieten sehr teuer sind. Für diejenigen, die nicht arbeiten, ist das furchtbar. Früher wurde die geschiedene Frau automatisch wieder in der Familie aufgenommen. Das Gesetz richtete sich nach der Tradition. Im Familiengesetz fällt die Wohnung dem Ehemann zu, da davon ausgegangen wird, daß die Frau zu ihrer Familie zurückkehrt. Die Kindererziehung fällt jedoch an die Frau: die Mädchen bis zum Heiratsalter und die Jungen bis zum Alter von elf Jahren oder länger, wenn der Vater sie nicht bei sich aufnehmen will. Wohlgemerkt, die Erziehung, nicht die Vormundschaft. Das heißt, eine geschiedene Frau, die irgendeine Bescheinigung für die Kinder braucht, muß sich damit an den Vater wenden, sie hat nicht das Recht, ein Papier für die Kinder zu unterschreiben. Heute, angesichts der allgemeinen Verarmung der Gesellschaft, ist diese Rückkehr einer geschiedenen Frau in ihre Familie nicht mehr möglich. So landen viele mit ihren Kindern auf der Straße, ohne Lebensunterhalt. Das ist ein vollkommen neues Phänomen in der algerischen Gesellschaft. Einige leben vom Betteln, andere halten sich mit kleinen Jobs über Wasser, gehen putzen, verkaufen Essen auf der Straße oder enden gar als Prostituierte. Das ist Improvisation in großem Maßstab. Erst, wenn sie selbst ein Einkommen erzielen können, werden sie von der Familie aufgenommen. Hierin liegt die zweite Erklärung, warum diese repressive Macht ein paar kleine Veränderungen des Gesetzes vorschlägt. Dies ist kein Ausdruck einer Öffnung und dennoch unternimmt sie diese kleinen Schritte, oder verspricht, sie zu unternehmen … Da ist der Druck von außen, doch da ist auch die Situation vor Ort. Dieses Elend stört. Vor allem in einem Land, in dem die männliche Identität auf der Ehre des Mannes beruht, »seine« Frauen zu beschützen. Das Elend zerrüttet die Gesellschaft zu sehr. Unter den geplanten Gesetzesänderungen sieht ein Artikel vor, daß die Wohnung bei einer Scheidung der Frau zukommt, und wenn der Ehemann nicht die Mittel hat, sie ihr zu überlassen, so muß er der Frau eine neue angemessene Wohnung besorgen. Jedenfalls läuft jede Öffnungsmaßnahme in Algerien über die Veränderung der Lage der Frauen.
Wie ich angedeutet habe, hat sich die Prostitution rapide entwickelt. Sie ist überall präsent, von den Großstädten bis hin zu den kleinen Dörfern. Wenn ich mit Leuten, die in einer Stadt wie Algier wohnen, über dieses Problem spreche, sind sie genauso erstaunt wie ihr. Sie haben keine Ahnung, was sich im Rest des Landes abspielt. Sie bewegen sich nicht mehr, sie wissen nicht, was gerade nebenan in den armen Vierteln, in den Vorstädten und den Dörfern passiert. Im Dorf, in dem ich arbeite, hat das Problem der Prostitution ebenfalls neue Ausmaße erreicht. Es sind Frauen, die man kennt, die weiterhin im Ort leben. Manche sind geschiedene Frauen, andere sind Witwen, deren Männer während des Krieges getötet wurden. Sie prostituieren sich vor den Augen der Einwohner des Dorfes. Es hatte immer eine oder zwei »Frauen mit schlechtem Lebenswandel« gegeben, wie man dazu sagte. Doch das waren einzelne Fälle. Nun entwickelt sich die Prostitution dermaßen, daß die Leute das zwar nicht gutheißen, aber es verstehen und die Augen davor verschließen. Das wird nicht mehr genauso erlebt. Auch hier wird die traditionelle Moral in Frage gestellt. Wenn Dutzende von Mädchen von neun bis sechzehn Jahren von den Mitgliedern der bewaffneten Gruppen vergewaltigt werden, wo soll man da die Schwelle der Moral ansetzen? Und die jungen Männer, die vom Emir vergewaltigt werden, wenn sie in den Untergrund gehen? Es gibt zahlreiche Zeugenberichte. Es gibt soviel Schrecken, daß daneben das Problem der Prostitution als eine weitere Methode des Überlebens betrachtet wird. Wie soll man auf eine Moral pochen, die keine Beziehung mehr zum wirklichen Leben der Menschen hat?
Als ob die Macht versuchen würde, das Gesetz der neuen Situation anzupassen. Die Probleme bleiben bestehen. Dies ist eine Art, die Folgen einer Krise zu legitimieren, die dauerhaft ist. Sie reagieren präventiv, denn sie wissen, daß sich die Situation verschlimmern wird. Die Regierung ist absolut unfähig, die Familie zu ersetzen und diesen Frauen irgendeine Unterstützung zukommen zu lassen, irgendeine Sozialleistung oder die Öffnung von Lebensräumen. Die Komplexität dieses Problems ist dergestalt, daß es in den letzten Jahren eine Art Téléthon [Fernsehshow, in der Geld für karitative Zwecke gesammelt wird, A.d.Ü.] über die Frage der geschiedenen Frauen gab, die mit ihren Kindern auf der Straße gelandet waren. Es wurde viel Geld gesammelt. Ein Teil sollte für die Einrichtung von Häusern benutzt werden, in denen diese Frauen aufgenommen werden könnten. Eines davon wurde in Algier eröffnet, doch die Situation war so, daß dieses Haus sehr schnell für Frauen bestimmt wurde, die Opfer von terroristischen Massakern waren. Es hat also seine ursprüngliche Funktion verloren.
In allem, was du sagst: über die soziale Krise, über die Zunahme der Scheidungen, über die Frauen, die auf der Straße landen, über die Prostitution, den Zerfall der Familie, steckt unter der Hand der Wertverlust der männlichen Identität. In welchem Maße könnte dies auch die Anziehungskraft der bewaffneten Gruppen für die jungen Männer erklären?
Dies spielt sicher eine Rolle. 1994, als der Regierungschef beschloß, daß »der Terror das Lager wechseln soll«, und als die Polizei begann, Jugendliche zu ermorden, sind Zehntausende im Untergrund gestorben. Das waren Jugendliche aus den am meisten benachteiligten Klassen, Marginalisierte und Arbeitslose. Auch heute noch sind es Jugendliche aus den Dörfern und armen Vierteln, die sich in diesem Kampf engagieren. Sie haben keine andere Alternative, sie haben nichts mehr zu verlieren. Sie gehen in den Untergrund, um ihr Ansehen zu steigern, um eine gewisse Bekanntheit zu erlangen, um sich zu rächen und alles in die Luft zu jagen. Sie fühlen sich als die Stärkeren. Sie erlangen eine Autorität, die sie in der Gesellschaft nicht erreichen können. Das ist eine sehr riskante, eine fast selbstmörderische Wette.
Hingegen hat sich im Verhältnis zwischen Männern und Frauen etwas geändert. Ich habe dies in einer Diskussion mit eher traditionellen Kolleginnen erkannt, die nicht nach Emanzipation streben. Diese Massaker machen die Ohnmacht der Männer deutlich, sie zu schützen; sie schaffen es nicht, die Rolle zu übernehmen, die sie sich selbst zugeschrieben haben und die zur Tradition gehört. Ihr Bild als Beschützer der Frauen existiert nicht mehr. Sie sagten: »Es stimmt, daß sie nichts machen können, und daß sie Angst haben wie wir.« Der Mythos des Mannes, der keine Angst hat, der sich den Dingen stellt, der der Stärkste ist, die Sicherheit garantieren kann, ist vollkommen entzaubert, ist im Aussterben begriffen. Die Frauen sagen dies offen. Heute sind es die Frauen, die ab neun Uhr abends die Türen öffnen. Das ist etwas, das völlig gegen die Tradition ist. Der Herr des Hauses, das Oberhaupt der Familie ist der Mann. Es steht der Frau nicht an, jemandem zu antworten, der ein Fremder sein könnte. Wenn jemand zu Besuch kommt, dann besucht er vor allem den Mann und nicht die Frau. Hier ist eine Änderung im Gange, die die Umwälzung des Verhältnisses zwischen Mann und Frau in der Familie vermittelt … Im Fall einer Gefahr ist es die Frau, die als erste hinausgeht. Denn nach der Tradition kann die Frau als Frau nicht angegriffen werden. Es ist nicht sie, die gesucht wird. Zudem, wenn die Frau die Tür öffnet, darf man die Schwelle nicht übertreten, man darf nicht eintreten. Zu einem gewissen Zeitpunkt hat diese Haltung es der Frau erlaubt, als Schutzschild zu dienen. Sie war die Beschützerin der Familie, einschließlich des Mannes, geworden. Das hat die Beziehungen enorm verändert. Danach hat sich das auch wieder geändert. Der Terrorismus hat diese Traditionen ignoriert. Tatsächlich wurden im Namen eines Kampfs für die Respektierung der Traditionen alle Traditionen vollkommen umgestürzt. Alles ist auf den Kopf gestellt. Und was das Erschreckende daran ist, das geschah nicht in einem positiven Sinn. Dies ist eine Gesellschaft, die vollkommen außer Fassung geraten ist, es gibt keine Anhaltspunkte mehr. Die Leute haben keine Bezugspunkte mehr, nichts funktioniert mehr rational oder logisch, weder in Bezug auf die Traditionen, auf die religiösen Werte, noch in Bezug auf die Modernisierung. Die einzigen neuen Werte sind die Güter, das Geld.
Die Jugendlichen sind in dieser Logik der Rache erzogen worden. Sie haben nicht einmal mehr das Ziel, ins Ausland zu gehen. Früher, in den achtziger Jahren, sagte jeder beliebige Straßenjunge: »Ich gehe nach Frankreich«. Er vermittelte so die Ziele der ganzen Gesellschaft, wegzugehen, anderswo sein Glück zu versuchen. Das hörst du heute nicht mehr, überhaupt nicht mehr. Meine Schüler haben nie den Wunsch geäußert, nicht einmal die Möglichkeit erwähnt, zu emigrieren. Sie wissen, daß sie nicht einmal diese Möglichkeit mehr haben. Einige riskieren es, aber das ist eine Minderheit.
Wenn man heute weggeht, dann geht man in den Untergrund. Ich hatte einen Schüler, der dies getan hat und ein Führer geworden ist. In der Schule äußerte er bereits offen seine islamistischen Meinungen. Laut den Leuten aus dem Dorf wurde er inzwischen von der Armee getötet. Heute beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung im Untergrund zwei Jahre und das Durchschnittsalter der Mitglieder der bewaffneten Gruppen sinkt ständig. Anfangs waren das Männer um die Dreißig, eher älter. Es wird gesagt, daß nunmehr die Mehrheit sehr junge Kerle sind, achtzehn, neunzehn Jahre alt.
Im allgemeinen ist der Untergrund nach Regionen organisiert. Die Gruppen bestehen aus Personen aus der Region, in der sie operieren. Doch sie sind immer mehr gezwungen, angesichts des Drucks der Armee auszuweichen. Es gibt einen weiteren Aspekt, der Beachtung verdient. In meiner Gegend gab es eine Pause in den Massakern, nachdem die Emire von der Armee getötet wurden. Was heißt das? Die innere Hierarchie beruht auf der Autorität des Emirs, der die Informationen und die Kontakte besitzt und die Strategie bestimmt. Sein Verschwinden zieht notwendigerweise eine Destabilisierung der Gruppe nach sich. Das bedeutet, es gibt wenige Analysen und Informationen über das innere Funktionieren der bewaffneten Gruppen. Selbst die Festgenommenen oder die zur Armee übergelaufen sind, scheinen nicht in der Lage zu sein, eine Vorstellung von ihrem Funktionieren zu vermitteln. Die Strategie und die Ziele differieren von einer Gruppe zur anderen. Sie haben nicht dieselben Ziele. Es gibt interne Kämpfe um die Nachfolge der Führer, Kämpfe zwischen Gruppen, Massaker. Es ist eine sehr zersplitterte Bewegung.
Im allgemeinen ist der Emir jemand, der eher militärische als politische Fähigkeiten hat. Es sind starke Persönlichkeiten, autoritäre Personen, Macker. In den ersten Jahren waren dies meistens Männer, die im Kampf der antikommunistischen Guerilla in Afghanistan ausgebildet worden waren. Seitdem haben sie so viele Leute verloren, daß sich die Herkunft der Führer notwendigerweise geändert hat. Um heute ein Führer zu werden, muß man seine Prüfungen vor Ort ablegen, mit anderen bei Grausamkeiten rivalisieren, seine blutigen Fähigkeiten beweisen. Die neuen Emire sind oft grauenvolle Persönlichkeiten, der schlimmste Horror.
Die Massaker; wenn man diese Barbarei von außen betrachtet, die Art und Weise, in der die Medien sie darstellen, hat man den Eindruck, daß dies nur die Entfesselung des Irrationalen ist. Gewiß gibt es das, aber spielt diese Trennung, von der du sprichst, die Bullen der Macht auf der einen Seite, die Islamisten auf der anderen, bei den Massakern eine Rolle?
Das ist so und noch viel tiefgehender. In Wirklichkeit kommen die Jugendlichen, die sich gegenüberstehen, die einen von der Macht bewaffnet, die anderen von den islamistischen Bewegungen, aus den gleichen gesellschaftlichen Milieus. Sie haben die gleiche Geschichte, haben den gleichen Werdegang, haben im gleichen Elend gelebt. Sie müßten eigentlich das Interesse haben, den selben Feind zu haben. Doch nein. Als Brüder in der sozialen Situation hat jeder sein Lager gewählt und nun stehen sie sich gegenüber. Dann gibt es noch all diejenigen, die von einem Wunsch nach Rache gegenüber denen mobilisiert sind, die sich bereichert haben oder die mehr Glück im Leben hatten. Dies ist keineswegs rational, und auch nicht auf politisch klare Weise organisiert. In dieser ganzen Barbarei gibt es Abrechnung und Rache. Es gibt auch welche, die sich aus einem Zusammenspiel verschiedener Umstände dort befinden. Die sich ihre Situation nicht ausgesucht haben. Das sind kleine Zufälle, die entscheiden, ob man sich in dem einen oder anderen Lager wiederfindet. Und deswegen ist das alles so komplex, deshalb erscheinen uns die Mechanismen der Massaker so unverständlich. Manche Leute wurden von denjenigen umgebracht, denen sie jahrelang geholfen hatten, von ehemaligen Komplizen. Es gibt massenweise Zeugenberichte, die in diese Richtung weisen.
Ich kann von der Erfahrung des Dorfes erzählen, in dem ich wohne und von den Reaktionen, die ich auf andere Massaker mitbekommen habe. Seit 1995 sind es bekanntermaßen vor allem die Familien der islamistischen Sympathisanten und die Familien derjenigen, die im Untergrund sind, die von den Massakern getroffen wurden. Im allgemeinen die Familien, die der FIS nahestanden und nicht der GIA. Die GIA war der radikalste Ausdruck der bewaffneten islamistischen Bewegung. Es gab viele Massaker in der Gegend, wo in Wirklichkeit große Sympathie für die FIS herrschte. Das ist nicht widersprüchlich, das ist der Ausdruck großer Divergenzen bei den Islamisten. Dazu kommen irrationale Faktoren, von denen ich vorher gesprochen habe. Im Prinzip waren dies Familien, die vom Terrorismus nichts zu befürchten hatten, denn sie waren Teil der logistischen Unterstützung, sie hatten sogar Söhne und Töchter im Untergrund. Im Dorf, in dem ich gewohnt habe, ist bekannt, daß die Untergrundkämpfer mit Listen von Leuten ankamen, die sie entführen oder massakrieren wollten. Diese Massaker wurden meistens von Gruppen von Jugendlichen durchgeführt. Es ist bekannt, daß unter ihnen auch Leute aus dem Dorf sind, die sich maskieren, um nicht erkannt zu werden. Hingegen gibt es bei allen Massakern übereinstimmende Aussagen: die Leute, die massakrieren, beleidigen und Gott lästern, sind sehr verbittert. In dieser Hinsicht sind diese Leute verloren, denn Leute, die im Namen eines religiösen Ideals kämpfen, dürften sich nicht so verhalten. Die Leute erkennen sich im Verhalten dieser sogenannten islamischen Gruppen nicht wieder. In dem Dorf, das ich kenne, wissen wir, daß einer der Islamisten der bewaffneten Gruppe Kinder versteckt hat, um sie vor dem Massaker zu schützen. So ist auch einer meiner Schüler dem Tod entkommen, ein Islamist hat ihn unter dem Bett versteckt. Das bedeutet, daß das Verhalten selbst innerhalb der Gruppen nicht einheitlich ist. Wenn viele Kämpfer scheinbar in großer Verwirrung sind, stellen sich andere Fragen. Deshalb ist es falsch zu sagen, daß dies alles Barbaren seien und man sie töten müsse.
Nun noch ein weiterer Aspekt, der von vielen Zeugenberichten bestätigt wird: es sind Plünderer. Ihr Ziel ist nicht nur, Leute zu massakrieren, sie kommen auch, um alles mitzunehmen, was sie finden. Und das ist offensichtlich nicht viel, denn das sind sehr arme Dörfer. Manchmal sind das Menschen, die selbst kaum zu essen haben. Die bewaffneten Gruppen plündern alles, was die Menschen haben, Decken, Matratzen. Die Dorfbewohner verstehen nichts mehr: Wie das? Diese Familie wurde massakriert, obwohl ihr Sohn in den Untergrund gegangen ist … Nun ist die einfachste Lösung zu sagen: das ist die Polizei. Andere Zeugenberichte sagen, daß Alarm geschlagen wurde und die Polizei sich nicht gerührt hat. Das stimmt ebenfalls. In unserem Dorf gibt es überall Polizei, es ist kein abgelegenes Kaff. Heute kann man feststellen, daß, seitdem die Leute bewaffnet sind und zurückschlagen, die Gruppen aufgeben. Das heißt, das sind keine Guerilleros, die bereit wären, bis zum Tod zu kämpfen, um ihre Ziele zu erreichen. Sie bewegen sich nur auf abgesichertem Terrain.
Und die Angst?
Ich sprach von der Angst, die die Frauen während der islamistischen Kampagnen von 1984-1985 hatten. Diese Angst existiert nicht mehr. Jedenfalls ist es nicht mehr dieselbe Angst. Damals hatte manche von uns immer den kleinen Schal an, den man tragen mußte, je nach dem, wohin man ging. Andere, die in den gefährlichen Vierteln wohnten, verschleierten sich und sagten: »Das ist ein Kugelfang«. Das war keine Unterstützung, kein Einschwenken auf die Linie der Islamisten, sondern ein Schutz, um sich zu verteidigen, um zu überleben. Die Situation hat sich geändert. Die islamistischen Aktivisten interessieren sich wenig für die Kleiderordnung der Frauen. Sie haben andere Prioritäten. Plötzlich haben die Frauen etwas mehr Freiraum. Eine Frau wird nicht mehr angegriffen, weil sie keinen Schleier trägt, sondern sie wird angegriffen, weil sie die Frau eines Polizisten oder eines Militärs ist, weil sei die bewaffneten Gruppen nicht mehr logistisch unterstützt, weil sie als Unterstützerin des Taghout, das heißt, der Hunde der Macht2 betrachtet wird. Sie existiert nicht mehr als solche, sie wird nur noch als Anhängsel des Mannes betrachtet. In dieser Hinsicht haben die Islamisten einen Schritt zurück gemacht. Es ist nicht mehr die Schuld der Frauen, sondern es ist die Schuld der Macht und derjenigen, die sie unterstützen. 1984/1985 bereiteten sie sich auf einen islamischen Staat vor, heute ist das Ziel der Kampf gegen die Macht. Das ist eine Strategie des Kriegs. Die Islamisten waren übrigens gezwungen, eine Fatwa3 zu verkünden, die den Mord an Frauen erlaubt, wenn diese mit der Macht verbunden sind. Bisher konnte man sie dem Gesetz des Koran unterwerfen, aber man konnte sie nicht töten. Denn nach dem islamischen Gesetz hat niemand das Recht, eine Frau zu töten.
Heute erlaubt die Macht keine Demonstrationen auf der Straße mehr. Außer denen, die zu ihren Gunsten organisiert werden, oder aus denen sie Nutzen ziehen kann, wie die gegen das Arabisierungsgesetz, die einen anti-arabischen, berberisch-nationalistischen Charakter angenommen haben. Es muß betont werden, daß das Regime regelmäßig die Demonstrationen zum 8. März, dem Internationalen Tag der Frau, benutzt, um gegen die Islamisten Stellung zu beziehen. Genau wie in den achtziger Jahren hat sie die Frauenbewegung als Verbindung zwischen den modernistischen und den konservativen Kräften benutzt. Aus diesem Grund hat sich unsere Vereinigung immer geweigert, an den erlaubten Feierlichkeiten zum 8. März teilzunehmen. Wir haben es vorgezogen, Diskussionen in Jugendzentren zu organisieren. Jede öffentliche politische Versammlung zieht die Anwesenheit der Polizei und der Armee (unter dem Vorwand des »Schutzes«) nach sich, und du erscheinst als Verbündeter der Macht. Zudem muß man politische Persönlichkeiten einladen, die einem Regime nahestehen, das uns Jahrzehnte lang verleugnet hat. Das ist der Preis, der für den Schutz zu zahlen ist. Wir werden uns diesen Aktivitäten nicht anschließen. Selbst wenn wir es mit den Islamisten zu tun haben, halten wir nichts davon, uns mit unseren Feinden von gestern und heute zusammenzutun.
Die Frauenbewegung ist durch einige Persönlichkeiten stark in den Medien vermittelt worden, die seitdem Aktivistinnen in einem engen politischen Raum geworden sind, sei es auf der Seite der Falken oder auf der der Versöhnler. Die Lage der Frauen ist in all dem verwässert worden. Wir müssen weiter kämpfen für die Abschaffung des Familiengesetzes, für die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Frauen. Dies sind konkrete Dinge, die die Frauen erleben. Wir organisieren auch Diskussionen über dieses Gesetz, denn schließlich kennen die Frauen es kaum. Sie wissen, daß es ungerecht ist, doch sie verbinden das nicht mit dem Text. Das einzige Problem ist dabei, daß wir keine Räumlichkeiten haben, und in Algier einen Saal zu mieten, ist sehr teuer, ca. 2000 F [ca. 600 DM] bei einem Durchschnittslohn von 800 F [ca. 240 DM]. Wir leben von den Beiträgen der Mitglieder, wir bekommen keine Subventionen. Es gibt andere kleine Vereine im ganzen Land und wir versuchen, uns zusammenzuschließen.
Seit einiger Zeit haben wir noch ein anderes Thema in unserer Arbeit: den Kampf für die Einschulung der Mädchen. Als Folge der Massaker gab es einen großen Exodus der Bevölkerung. Diese Menschen haben alles verloren, ihre Güter, ihre Beschäftigung, ihr Haus. Sie haben sich in den Elendsvierteln rund um die großen Städte im Norden niedergelassen, oft dort, wo sie Verwandte haben, wo sie ein wenig Solidarität erfahren. Um zur Schule zu gehen, müssen die Kinder aus diesen Elendsvierteln oft große Entfernungen zurücklegen und sie haben weder Geld für die Fahrtkosten, noch für Bücher oder Schuhe.4 In dieser Situation muß sich die Familie entscheiden und schickt eher den Jungen zur Schule. Dabei dürfen wir nicht vergessen, daß diese Viertel zum Reservoir für Kinderarbeit werden, die in dieser sich entwickelnden informellen Ökonomie ausgebeutet werden.
Wir denken deshalb in unserer Vereinigung, daß wir in einer Übergangsphase leben: wir können Erfolg haben, aber wir können auch scheitern. Wir denken, dies ist ein entscheidender Moment, um in die Kämpfe einzugreifen, die sich zugleich gegen die Islamisten und gegen die Macht entwickeln. Der Frauenverbände, die sich auf den Kampf gegen die Islamisten beschränkt haben, haben sich schließlich mit der Macht verbündet. Während dieser Zeit hat dieselbe Macht all die liberalen Wirtschaftsreformen durchgesetzt, die die algerische Bevölkerung ins schlimmste Elend gestürzt haben5. Es ist nicht der Islamismus, der die Situation verschlimmert hat. Es ist die Macht, die unter Benutzung des Schreckgespenstes Islamismus die Bevölkerung verarmt hat und die Situation hat dramatisch werden lassen. Der Zustand der öffentlichen Gesundheitsversorgung hat sich enorm verschlechtert, Geburten finden unter furchtbaren Bedingungen statt. Die Macht hat sich vom sozialen Terrain zurückgezogen. Wie sie sagen, es gibt das »nützliche Algerien« und das andere. Das Volk gehört zum »anderen«. Ich glaube nicht, daß die Bevölkerung ohne diesen Krieg dies so einfach hätte mit sich machen lassen. In diesem ganzen Zusammenhang stecken die Frauen wesentlich mehr Schläge ein als die Männer. Und dies ist eine Übergangsphase, gerade weil die Bevölkerung im allgemeinen, und die Frauen im besonderen, anfangen sich bewußt zu werden, daß es in diesem Krieg um etwas anderes geht, um die Interessen der Macht.
Algerische Chronologie
Das an das Mittelmeer angrenzende Nordafrika ist ein weites und fruchtbares Gebiet, begehrt von allen nahen und fernen Nachbarn. Die Ureinwohner sind die Berber, die den Phöniziern, den Römern, seit dem 8. Jahrhundert den Arabern, im 17. Jahrhundert den Türken und seit der Landung von 1830 den Franzosen widerstehen mußten. Die Grenzen, die heute die Maghreb-Staaten voneinander trennen, sind relativ jüngsten Ursprungs.
1830: Landung der Franzosen. Die Truppen nehmen Algier ein, ohne auf organisierten Widerstand von Seiten der im Niedergang begriffenen türkischen Regierung zu stoßen. Anderswo ist der Widerstand sehr stark.
Beginn der französischen Kolonialisierung.
1954: Beginn des Aufstands. Bewaffnete nationale Befreiungsbewegung.
1962: Unabhängigkeit. Die FLN ergreift die Macht.
1965: Militärputsch. Populistischer Diskurs bei autoritärer Führung. Zentrale Planwirtschaft. Industrialisierung. Nationalisierung von Erdöl und Erdgas. Alle Massenorganisationen (Gewerkschaften, Frauen-, Jugend- und Bauernverbände) geraten unter die Kontrolle der Macht. Massive Förderung der Schulbildung. Boumédienne wird »Vater der Nation«.
1978: Boumédiennes Tod. Die Ära von General Chadli. Beginn der liberalen Phase in der Ökonomie. Entflechtung der großen Industriekombinate. Die Korruption wird sichtbarer.
1980-81: »Berberfrühling«; Massenrevolte in der Kabylei wegen der Frage der Identität. Mobilisierung von Frauen gegen die sexistischen Maßnahmen und das geplante Familiengesetz. Das Projekt wird zurückgezogen. Beginn des massenhaften islamistischen Aktivismus. Propaganda gegen die Frauen und gegen die Korruption.
1984: Die FLN bleibt an der Macht. Ihre Volksversammlung (das Parlament) verabschiedet das Familiengesetz, das von den Frauen »Schandgesetz« genannt wird.
1986: Erste Revolten von Jugendlichen und Studenten in Constantine und Sétif werden mit Gewalt niedergeschlagen. Gründung unabhängiger Studentenkomitees.
1988: Großer Streik im Industriegürtel von Algier, auf den Jugendrevolten folgen, zunächst in Algier, dann in allen großen Städten. Blutige Niederschlagung mit Dutzenden von Toten. Massive Anwendung der Folter. Die Armee schießt mit Sprenggeschossen. Der Ausnahmezustand wird verhängt. Die unabhängigen Studentenkomitees übernehmen die Führung der Protestbewegung. Entstehung von Kampfkomitees gegen die Folter, für die Freiheiten usw.
1989: Neue Verfassung. Das Mehrparteiensystem wird eingeführt. Die FIS veröffentlicht ihre Statuten. Es handelt sich um eine Front aus mehreren Strömungen, vom bewaffneten Kampf bis zum Reformismus. Sie verfolgt gewalttätige Kampagnen gegen die Frauen.
März 1990: Die FIS gewinnt die Kommunalwahlen gegen die FLN. Die Rathäuser verfallen dem Klientelismus.
Mai 1991: Scheitern des Generalstreiks der FIS am Vorabend der Parlamentswahlen. Verhaftung der charismatischen Führer der FIS.
Dezember 1991: Die FIS gewinnt die Parlamentswahlen im ersten Durchgang haushoch. Die FLN wird zu einer Partei wie alle anderen. Massive Proteste in Algier gegen den Polizeistaat und gegen die islamische Diktatur.
Januar 1992: Panzer auf den Straßen. Die Wahlen werden gestoppt. Die Armee übernimmt die Macht direkt. Sie stellt Boudiaf, einen ehemaligen Oppositionellen an die Spitze des Staates. Das Regime erklärt den Islamisten den Krieg: Verhaftungen und Internierungslager.
Juni 1992: Boudiaf wird ermordet. Die Armee behält die Macht. Erste gezielte Attentate der Islamisten. Entstehung eines Untergrunds.
1993: Politische Führer der bewaffneten Gruppen werden in Auseinandersetzungen mit der Armee getötet. Politik des Terrors von Seiten der Armee: willkürliche Hinrichtung von Hunderten Jugendlicher in den armen Viertel mit dem Ziel, die Unterstützungsbasis der bewaffneten Gruppen zu zerstören. Daraufhin gehen Tausende von Jugendlichen in den Untergrund.
1994: Die GIA erklärt den totalen Krieg. Blinde Attentate (auf Märkte, Busse, Betriebe). Beginn fingierter Straßensperren auf dem Land. Attentate gegen Frauen und Journalisten. Terrorkampagnen gegen die Gesellschaft. Durchsetzung des Schleiers.
1997: Präsidentenwahlen. Wahl von General Zéroual. Parlamentswahlen mit der ersten gewählten Versammlung. Die »nützlichen« Parteien, von den gemäßigten Islamisten bis hin zu einer trotzkistischen Partei, sind vertreten.
1995-1998: Massaker an ganzen Dörfern. Während der Massaker wird ein Plan des wilden Liberalismus durchgeführt. Privatisierung, Massenentlassungen. Gründung der Milizen und der Geheimpolizei. Die Lage verschlimmert sich.
Aus dem Französischen übersetzt von Andreas Löhrer
Der Originalbeitrag erschien unter den Titel D’une guerre à l’autre. Parole sur l’Algerie, als Broschüre der Zeitschrift Ab irato, Paris 1999.
Anmerkungen:
1. Wörtliche Übersetzung: »Orientierung und Reform« Diese karitative Organisation gehört nicht zur FIS, sondern zur HAMAS-Bewegung, die zur Zeit in der Regierung und in der Nationalversammlung vertreten ist und von der europäischen Presse als die gemäßigte islamistische Strömung dargestellt wird.
2. Wörtlich: »Die Diktatur«. Der Begriff wurde von den Islamisten in die Umgangssprache eingeführt.
3. Ein islamistisches Dekret, das Gesetzeskraft erlangt.
4. Laut offiziellen Zahlen liegt die Zahl der Schulabbrecher bei derzeit 500.000 Schülern pro Jahr und der Analphabetismus betrifft mehr als 8 Millionen Algerier.
5. In zwei Jahren hat der Prozeß der Schließung und Privatisierung von staatlichen Unternehmen 200.000 Entlassungen nach sich gezogen. Alleine in der Provinz von Tizi Ouzou in der Kabylei wurden seit 1997 50 Staatsunternehmen geschlossen, wodurch mehr als 50.000 Arbeiter in die Arbeitslosigkeit gestürzt wurden.
Letzte Tickermeldung aus Algerien (AFP, 23.3.2011):
Bei gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften in Algier hat es am Mittwoch dutzende Verletzte gegeben, darunter ein Baby und Polizisten. Wie Augenzeugen weiter berichteten, begann der Konflikt, als am Morgen Planierraupen in einem Viertel der algerischen Hauptstadt anrückten, um dort ohne Genehmigung gebaute Baracken abzureißen. Ein Zeuge, der 40-jährige Arbeitslose Samir, sagte, die Polizisten seien mit Tränengas sowie mit Platzpatronen und Hartgummigeschossen gegen die Demonstranten vorgegangen. Bei ihnen handelte es sich größtenteils um Jugendliche, die “weder Arbeit noch Vermögen” hätten, obwohl das Land “immens reich” sei.
Reportern zufolge setzten sich Demonstranten mit Eisenstangen und Steinen zur Wehr. Die Zeitung “El Watan” berichtete in ihrer Internetausgabe, mindestens fünf Fahrzeuge seien in Brand gesetzt worden, darunter eines der Polizei. Ein ranghoher Funktionär des Zivilschutzes sagte, es habe 22 Verletzte gegeben, 21 Polizisten und einen Zivilisten. Ein 16-jähriger Jugendlicher wurde nach Zeugenaussagen von einer Hartgummikugel am Auge getroffen. Etwa hundert Baracken aus Wellblech und Beton wurden demoliert. Von ihnen waren nur fünf bewohnt, die übrigen befanden sich noch im Bau. Am Nachmittag beruhigte sich die Lage etwas, hunderte Bereitschaftspolizisten standen mit Steinen bewaffneten Jugendlichen gegenüber.
Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte bei seiner Wiederwahl 2009 den Bau von einer Million Wohnungen versprochen. Die Umsetzung dieses Programms kommt allerdings nur langsam voran. Gegen Bouteflika gibt es seit Monaten Proteste, die von Ordnungskräften unterdrückt werden. Im Januar hatte es bei Revolten gegen soziale Missstände und teure Lebensmittel fünf Tote und 800 Verletzte gegeben. Der Unmut der Regierungskritiker entzündet sich auch an den fehlenden Perspektiven für die Jugend. Angesichts der anhaltenden Proteste hatte Bouteflika am Samstag weitreichende Reformen angekündigt. Höchste Priorität habe die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Auf Libyen meldet dpa um 20 Uhr 32:
Die Flucht des libyschen Außenministers Mussa Kussa nach London ist auch nach Einschätzung der USA ein klares Signal für den Zerfall des Regimes von Machthaber Muammar al-Gaddafi. “Wenn es jemals ein Zeichen dafür gegeben hat, dass die innere Kreis um Gaddafi zerbröselt, dann ist das die Abtrünnigkeit von Mussa Kussa”, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney am Donnerstag in Washington. Ähnlich hatte zuvor Großbritannien den Fakt gewertet, dass Kussa übergelaufen ist.
Aus Syrien meldet dpa um 15 Uhr 50:
Einen Tag nach der mit Spannung erwarteten Rede von Präsident Baschar al-Assad in Syrien ist die Bevölkerung des arabischen Landes gespalten. Während Oppositionelle Assads Ansprache als Kampfansage an die regimekritischen Demonstranten interpretierten, wiesen die Anhänger der regierenden Baath-Partei auf die vom Präsidenten angekündigten Reformen hin.
Die Rede des syrischen Präsidenten sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Die Bundesregierung ermahnte die syrische Führung, die Anwendung von Gewalt zu vermeiden. Stabilität brauche Reformen. Die US-Regierung nannte Assads Rede enttäuschend und substanzlos. Die Muslimbruderschaft in Jordanien rief Assad auf, die Forderungen seines Volkes nach Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit und sauberen Wahlen zu erfüllen.
AP berichtet aus dem Jemen:
Hunderttausende Menschen haben am Mittwoch im Jemen erneut den Rücktritt von Staatspräsident Ali Abdullah Saleh gefordert. Die Menschen gingen in der Hauptstadt Sanaa, aber auch in der Stadt Saada, in der schiitische Rebellen seit Jahren gegen Regierungstruppen kämpfen, und in der Al-Kaida-Hochburg Marib auf die Straßen.
Im Jemen, wo eine breite Massenbewegung seit Wochen den Rücktritt des Langzeit-Präsidenten Ali Abdullah Salih fordert, hat die Opposition für Morgen zu Protesten unter dem Motto “Freitag der Rettung” aufgerufen, berichtete die Web-Seite “yemenpost.net”. Salih wiederum mobilisiert seine Anhänger unter der Parole “Freitag der Solidarität”.
Am vergangenen Freitag war es in der Hauptstadt Sanaa trotz großer Kundgebungen für und gegen den Staatschef zu keiner neuen Gewalt gekommen. Am Freitag vor zwei Wochen hatten Heckenschützen des Regimes in eine Menge von Salih-Gegnern geschossen und Dutzende Menschen getötet.
Auch die Regimekritiker in Syrien haben für den Freitag zu neuen Massenkundgebungen aufgerufen. Unter dem Motto “Freitag der Märtyrer” sollen in Syrien nach dem traditionellen Freitagsgebet am Nachmittag Tausende Menschen für “Freiheit und Rechtsstaatlichkeit” auf die Straße gehen, hieß es in einem Aufruf der Facebook-Seite “The Syria Revolution 2011”.
Über die Situation in Gaza berichtet AP:
Der für die Verteidigung Südisraels zuständige Kommandeur Tal Russo sagte laut einem Bericht des Militärradios am Samstag, es herrsche Anarchie unter den militanten Gruppen im Gazastreifen und keiner habe Kontrolle über sie.
Aus Tunesien tickerte AP zuletzt:
Nach einem Bootsunglück im Mittelmeer haben Rettungskräfte vor der tunesischen Küste die Leichen von 27 Flüchtlingen geborgen. Die Gruppe habe in zwei Booten von der Hafenstadt Sfax abgelegt, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur TAP am Donnerstag.
Aus Marokko kam die Nachricht von AP:
Der marokkanische Außenminister Taieb Fassi-Fihri hat vor einem raschen Ende des “arabischen Frühlings” gewarnt, sollte der politische Wandel in Ägypten und Tunesien nicht zu echter Demokratie führen. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP sagte Fassi-Fihri am Dienstagabend, Marokko sei begeistert von dem “arabischen Frühling”.
Dieser beweise, dass es auch in der arabischen Welt Demokratien gebe. Zugleich verwies er darauf, dass es in der arabischen Welt eine ganze Reihe von politischen Systemen gebe, von Monarchien über Diktaturen hin zu Ein-Parteien-Herrschaften. Dies stelle ein Risiko dar. Nach den Revolutionen in Tunesien und Ägypten dürfe nicht zugelassen werden, dass sich autokratische Herrscher etablierten, wie es 1979 im Iran geschehen sei. Der Außenminister nannte Gegenrevolutionen, konservative Elemente und Al-Kaida als mögliche Risiken für die demokratische Entwicklung in Arabien.
Aus Ägypten wird von dpa gemeldet:
“Tui Travel spürt Reiselust nach Ägypten.”
Der Spiegel meldet aus Japan:
1. Die Hinweise auf eine Kernschmelze im AKW Fukushima verdichten sich. Im Grundwasser an der Anlage wurde jetzt eine 10.000-fach erhöhte Strahlung gemessen. Auch Rindfleisch ist mittlerweile belastet. In der Sperrzone können wegen der Strahlengefahr Hunderte Leichen nicht geborgen werden.
2. Transparenz und Selbstkritik sucht man vergeblich bei Japans Atomkonzern Tepco. Systematisch verschleiert das Unternehmen, was im AKW Fukushima tatsächlich passiert. Die Desinformation hat Methode: Industrie und Kontrollgremien sind aufs Engste miteinander verflochten.
Aus Japan meldet dpa um 21 Uhr 4:
Ein 25 Jahre alter Mann durchbrach am Donnerstag mit einem Auto ein Tor zum Gelände des Kraftwerks in der Nähe des schwer beschädigten Kraftwerks Fukushima Eins. Anschließend sei er etwa zehn Minuten auf dem Gelände umhergefahren, bis er festgenommen wurde, meldete die Nachrichtenagentur Kyodo. Über die Motive des arbeitslosen Mannes aus Tokio wurde zunächst nichts bekannt. Verletzt wurde bei der Aktion niemand, wie es in dem Bericht weiter hieß. Knapp eine Stunde zuvor habe der Mann bereits versucht, durch ein Tor auf das Gelände der Atomruine von Fukushima Eins zu fahren, sei aber von Mitarbeitern des Kraftwerksbetreibers Tepco gestoppt worden. Beide Anlagen liegen etwa zwölf Kilometer auseinander.
Das “klimaretter.info” meldet:
In der Lausitz will Vattenfall den Braunkohleabbau bis weit übers Jahr 2040 hin betreiben.
Aus der Prenzlauer Berg Dichterkneipe “Rumbalotte” kommt die Meldung:
“Macht Werbung für einen massenhaften Wechsel vom Stromanbieter Vattenfall zu einem anderen!”
Aus Hamburg kommt dazu diese Information: