vonDaniel Erk 09.07.2010

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Dass Slavoj Žižeks Ziel nicht unbedingt die fundierte Weiterentwicklung der politischen Philosophie, sondern eher ein unwirsches Wachrütteln aus dem, was Žižek für pseudo-liberale pseudo-Demokratien hält, im Sinn hat, das kann man lernen, wenn man bloß Žižeks Namen googelt oder ein bisschen durch YouTube klickt.

Dieser Ausschnitt aus einem Portrait, das aktuell auf Spiegel Online veröffentlicht wurde, zeigt zudem, welche Art von Humor gut findet:

„Mein Freund Peter, zum Beispiel, fucking Sloterdijk, ich mag ihn sehr, aber natürlich muss er in den Gulag. Aber er wird ein bisschen besser gestellt dort, vielleicht kann er Koch werden.“

Man kann das lustig finden, vor allem in der Art, wie Žižek es vorträgt, übertrieben und emphatisch. Man kann natürlich auch an die über 30 Millionen Menschen denken, die dem Sowjetterror zum Opfer fielen. Wer das lustig findet, kann gleich Witze über Konzentrationslager machen.

„Aber wissen Sie was?“, sagt Žižek da. „Die besten, eindrücklichsten Filme über den Holocaust sind Komödien.“

Nun muss man dem Reporter des Spiegels vielleicht mal näherbringen, was selbstironischer Zynismus ist und welche Funktion er einnimmt.

Als hellsichtiger Kommunist weiß Žižek um die Gulags und darum, dass der Kommunismus unter Stalin keine sonderlich humanistische Angelegenheit war (und ist damit schon ein gutes Stück weiter als die Partei „Die Linke“). Weil er aber dennoch glaubt, der Kommunismus erkämpfe des Menschen Recht, begegnet er etwaiger Kritik an diesem Punkt mit dieser Art von Humor: der macht sich den Vorwurf absurderweise einfach zu eigen und entwaffnet damit diese simple, banale Art der Kommunismuskritik.

Was der Spiegel-Reporter offenbar auch nicht verstanden hat oder verstehen will: Žižek macht sich in keiner Weise über Gulags lustig, ebensowenig wie „Das Leben ist schön“ eine Komödie über KZs ist. Žižek macht sich über die Gulag-Rhetorik der Kommunismuskritker lustig, das schon, über diesen Vorwurf, Kommunismus ginge nicht ohne Gulag und über die implizite Frage, ob er Gulags gutheißen und zurück haben wolle. Genau so, wie kaum einer der KZ-Witze, die es ja gibt, sich über die Opfer der Deutschen belustigt, sondern über den verlogenen, bigotten Umgang mit dem Subjekt.

Vielleicht kein Zufall, dass gerade ein deutscher Journalist in einem deutschen Medium so etwas nicht verstehen kann, will – oder darf.

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