vonEva C. Schweitzer 13.07.2009

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Gestern habe ich den deutschen Trailer von Brüno gesehen, der mich schwersttraumatisiert zurückgelassen hat, weniger wegen des Films, die Ausschnitte sind ja schon alle sattsam beschrieben worden, nein, wegen der Synchronisation. Ob die textmäßig das Original trifft, weiß ich nicht, aller Erfahrung nach nein, aber das schlimmste ist, Brüno spricht deutsch! Hochdeutsch! Hochdeutsch mit einem leichten amerikanischen Akzent! Er klingt wie ein Piefke, der ein paar Jahre in Houston, Texas, gelebt hat, aber auf überhaupt keinen Fall wie ein Österreicher. Wie schwer wäre es gewesen, den mit Wiener Schmäh zu synchronieren? Da war ja Bully Herbig als Winnetouch noch lustiger!

Nun aber wieder zu meiner Serie: Der Redakteur. Kommen wir heute zu einer eher traurigen Species: Der Redakteur, der kein Geld hat für Spesen und eigentlich auch sonst keines. Leider nimmt der in diesen Zeiten überhand, denn die Zeitungen müssen alle, alle sparen. Damit kann ich leben, shit happens, leider verhält sich der sparende Redakteur wie der Wall Street Banker, der kein Spesenkonto mehr hat, aber trotzdem gerne bei Cipriani essen gehen möchte. Er geht hin, bestellt, und hofft, dass die Kreditkarte noch durchgeht.

Den sparenden Redakteur gibt es in der Version, dem hinterher einfällt, dass sein Budget es eigentlich gar nicht hergibt, den bereits erteilten Auftrag zu bezahlen, oder aber den, der zum Bezahlen die Unterschrift des Oberchefs braucht. Und der unterschreibt nicht. Die meisten Redakteure sind aber immerhin so ehrlich und machen einen vorher darauf aufmerksam, dass sie erwarten, dass die Spesen irgendwie anders herkommen. Ehrlich, aber nicht realistisch, leider.

Einmal wollte eine Redakteurin, dass ich eine Geschichte über Provincetown mache, einen nicht ganz preiswerten Urlaubsort an der Ostküste, der vornehmlich von homosexuellen Mitbürgern besucht wird, wie Brüno also, nur in echt. Ich sagte ihr, dass das drei Tage Mietwagen und zwei Hotelübernachtungen kostet. Sie guckte erschreckt und schlug vor: “Vielleicht lernst du mal einen Milliardär kennen, und der zahlt dir dann die Reise nach Provincetown.” Ich dachte, das sei ein Scherz, aber nein, sie wiederholte der Vorschlag ein paar Monate später. Meine Liebe, wenn ich einen Milliardär kennen würde, der meine Rechnungen bezahlt, den würde ich bitten, eure Zeitung zu kaufen und alle an die Luft zu setzen, die mich jemals geärgert haben. Anschließend lasse ich euer Haus abreißen und ersetze es durch eine vierstöckige klassizistische Stadtvilla mit Biergarten und Ponyhof. Dort ziehe ich ein.

Gerade lese ich, dass Brüno am Eröffnungswochenende 30,4 Millionen Dollar Umsatz gemacht hat, nur in den USA.  Vielleicht zahlt Brüno ja meinen Urlaub, wenn’s irgend geht, nicht in Provincetown, sondern am Gardasee. In der Villa von George Clooney. Ich bin sicher, da fällt auch einiges an Material für den nächsten Film ab.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009,Taschenbuch, 9,95 €

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