Gestern habe ich Julian Assange gesehen. Auf dem grünen Rasen vor dem englischen McMansion, wo er seit neuestem wohnt. Im Fernsehen. Auf einem Fernsehschirm im Flughafen Heathrow. Ich guckte auf den Bildschirm, hörte aber nichts, weil Heathrow eine no-noise-policy hat, deshalb sind die Fernseher runtergedreht (es sei denn, es läuft Fußball), und es gibt auch keine Ansagen. Das ist schade, denn so erfuhr ich erst, dass mein Flug nach Berlin ausfällt, nachdem ich mit dem gesamten Gepäck zum Gate gedackelt war.
Heathrow ist so eine Art Vorhof der Hölle, so groß wie der Vatikan, so disfunktional wie die CIA; von einer Größe, die reziprok proportional zu meinem Vertrauen in die Gepäckbeförderungsfähigkeiten von British Airway ist, jedenfalls, ich schleppte Handgepäck deutlich oberhalb des Erlaubten zu einem Gate am anderen Ende des Flughafens, um zu erfahren, dass der Flug nach Berlin ausfällt, weil Tegel zugeschneit ist.
Nun was? Ich wurde zurück zur Zentralen Zone geschickt, dann wieder zum Gate, dann geheißen, mein eigentliches Gepäck, ein Koffer so schwer wie der geheime Computer im geheimen Bunker von Wikileaks, aufzusammeln, mich auf den Level 3 zu geben und mich am Punkt E anzustellen. Oder F. Oder E; das war schwer zu erkennnen, weil im Level 3 bereits eine halbe Million Flugpassagiere Schlange standen, die von drei British-Airways-Bediensteten abgearbeitet wurden.
Der Engländer an sich steht ja gerne Schlange, aber Heathrow ist ein internationaler Flughafen, es standen also meckerne Berliner, gereizte Amerikaner, und schwer empörte Inder und guckten zu, wie auf dem Bildschirm ein Flug nach dem nächsten gecancelt wurde, während Europa zuschneite und British Airways die Hände rang. Ich rief einen Kollegen in Berlin an, nennen wir ihn Gerd N. und bat ihn händeringend, mir einen Flug von Gatwick mit Easyjet oder Ryanair zu buchen, im Nachhinein ganz gut, dass das nicht geklappt hat, muss ich sagen.
Kaum sechs Stunden später hatte ich eine Umbuchung, wenngleich nicht für den gleichen Tag und auch nicht für Berlin, und ein Hotel, wo BBC zehn Mal hintereinander den exakt gleichen Bericht servierte, wie Schottland langsam zuschneite. Das ist der Sender, auf den wir uns verlassen haben, als der Irakkrieg losging? Später werfe ich den Computer an und erfahre, noch bevor die Batterie stirbt, dass die gestrandenen Passagiere in Frankfurt eine Revolte angezettelt haben, die niedergeschlagen wurde. Draußen schneit es immer noch. Gatwick hat zu. Wenig später wird auch Heathrow schließen. Was ist eigentlich aus Assange geworden?