vonsaveourseeds 05.06.2009

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Das bunte Flimmern im gestrigen SOS Rätsel #1  ist ein kurzer Abschnitt des menschlichen Chromosoms 1. Die Autoren haben die vier DNA-Grundbestandteile Adenin (grün) Thymidin (rot) Guanin (weiß) und Cytosin (blau) hintereinandergesetzt, hier zu sehen ist ein kurzer Abschnitt namens PARK7, der für das Protein DJ-1 codiert. Unbekannte Abschnitte sind grau markiert. Sie haben auf diese Weise das gesamte menschliche Genom als Pixelpark umgesetzt. Einfach so. Das Ganze läßt übrigens auch in Musik übersetzen.

Dass unsere DNA mehr enthält als 20.000 – 30.000 „Gene“, deren Sequenzen nach bisher nur teilweise verstandenen Regeln „abgelesen“ und in etwa 250.000 verschiedene Eiweiss-Bausteine (Proteine) umgesetzt werden, und dass die restlichen 95 %, die nicht abgelesen werden nicht einfach „Junk-DNA“ ist, pfeiffen mittlerweile die Spatzen von den Dächern. Was in der Struktur unseres Genoms jedoch ansonsten noch alles verborgen ist, davon macht sich die Wissenschaft bisher hauptsächlich ahnungsvolle Vorstellungen. Wie die Einzelinformationen des Puzzles zusammenpassen und das epigenetische (also jenseits der Gene liegende) Regelsystem möglicherweise funktioniert, ist trotz anschwellender Datenfluten noch immer grossenteils „terra incognita“.

Apropos Pfeiffen: Das „DNA-rainbow“ team hat sich nach der Visualisierung der rund 3 Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms jetzt dessen Vertonung gewidmet und verbreitet diese eher monotone Abfolge auf seiner Webseite als „DNA Radio“. Bei 3 Basenpaaren pro Sekunde haben sie errechnet, dass das einmalige Abspielen, mit dem sie vor einiger Zeit begonnen haben, insgesamt 23 einhalb Jahre dauern wird. Beim Weizengenom, das 17 Giga-Paare hat, würde der Spass sogar ein ganzes Jahrhundert dauern.

DNA und Proteine lassen sich allerdings auch mit Hilfe etwas komplexerer Algorythmen in mehr als die monotone Abfolge von vier verschiedenen Tönen übersetzen. Dieser Kunst widmet sich eine ganze Gemeinde von DNA-Künstlerinnen und -Künstlern mit verblüffenden Erfolgen. Hier können Sie mal reinhören und hier finden noch viel mehr DNA-Musik.  Ich selbst habe zum ersten Mal DNA-Musik vor 20 Jahren in Kalifornien gehört, wo der Krebsforscher und Genom-Pionier Susumu Ohno (ironischerweise der Mann, der 1971 den Begriff „junk-DNA“ prägte) aus seiner Schreibtischschublade im „City of Hope“ Hospital einen alten Kassettenrecorder holte. „Wollen Sie mal hören?“ fragte er mit verschmitztem Lächeln. Was dann aus dem Lautsprecher schepperte klang ein wenig nach Chopin. So melodisch, dass man instinktiv eine Ahnung davon bekam woher unsere Grundmuster von Harmonie stammen und wie tief sie in uns stecken. Ich fragte mich damals ob das biblische „am Anfang war das Wort … und das Wort ist Fleisch geworden“ vielleicht auf einer missverständlichen Übersetzung beruht und eher von Ton zu sprechen sei. (Falsch, sagt die Schulweisheit, es stammt vom grieichischen „logos“ und sitzt fest im Eineindeutigen). SOS ist gottseidank kein Mystiker-Blog. Susumo Ohno jedenfalls war zudem besessen vom vielfältigen Auftauchen des Goldenen Schnitts in den Proportionen der Genom-Sequenzen (etwa im linksrechts-Verhältnis von A-T zu T-A und G-C zu C-G).

Zur Vorstellung von DNA und Musik als Variation von Wiederholungen, die aus Vertrautem Neues entstehen läßt, hier noch ein Gedanke des Altmeisters Darwin: Wir haben auch früher gesehen, dass Theile, die sich oft wiederholen, sehr geneigt sind, nicht bloss in Zahl, sondern auch in der Form zu variieren. Folglich werden solche Theile, da sie bereits in beträchtlicher Anzahl vorhanden und sehr variabel sind, natürlich ein zur Anpassung an die verschiedenartigsten Zwecke geeignetes Material darbieten; und doch werden sie allgemein in Folge der Kraft der Vererbung deutliche Züge ihrer ursprünglichen oder fundamentalen Ähnlichkeit bewahren. (Über die Entstehung der Arten, 14. Kapitel)

Genug der genomischen Irrungen und Wirrungen. Die ausgeschriebenen Preis-Gummibären bleiben für heute unverteilt.

Mehr über DNA Musik

Das Gene2Music project mi vielen Beispielen und einer Seite zum Selbermachen.

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https://blogs.taz.de/des_raetsels_loesung_its_the_dna_stupid/

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