Wir schreiben das Jahr 2009. Frauen dürfen inzwischen wählen, sie dürfen auf die Universität gehen, eigenständig über ihren Beruf entscheiden und sogar Bundeskanzlerin werden. Aber so richtig ebenbürtig sind sie den Männern doch noch nicht, was sich unter anderem daran zeigt, dass sie nicht ausschließlich über ihre Leistungen und Meinungen, sondern immer noch auch über ihr Äußeres charakterisiert werden. So etwa die neue taz-Chefredakteurin Ines Pohl. Die Autorin eines Pohl-Portraits in der Frankfurter Rundschau arbeitet sich in ihrem ganzen ersten Absatz an den äußerlichen Unterschieden zwischen Ines Pohl und ihrer Vorgängerin Bascha Mika ab:
Ines Pohls Stimme ist tief und klangvoll. Auch wenn sie in dem Café in Berlin-Mitte nicht laut redet, bekommt man eine Ahnung, wie sie ihre Stimme in großen Räumen und Konferenzen einsetzen kann. Wie hell, zerbrechlich und leise spricht dagegen Bascha Mika. Das Erscheinungsbild der beiden Frauen, die eine noch, die andere bald Chefredakteurin der taz, verstärkt den Eindruck der Gegensätzlichkeit. Mika, eine kleine, zierliche, blonde 55-Jährige mit blauen Augen. Pohl, eine große, sportliche 42-Jährige mit ungefärbtem dunklem Kurzhaar und braunen Augen, die dem Gegenüber nicht ausweichen.
Äh, hallo? Interessiert das jemanden? Ist das irgendwie relevant? Kann man sich vorstellen, dass über einen Mann sowas geschrieben würde? Unglaublich.
Sebastian Heiser ist Redakteur für Landespolitik in der taz Berlin