von 26.03.2011

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Die deutsche Nationalfußballerin Lira Bajramaj. Foto: dpa
Die deutsche Nationalfußballerin Lira Bajramaj. Foto: dpa

Von Maria Rossbauer

Wir machen normal nicht viel daran, sagte der Manager von Lira Bajramaj am Telefon. Alles klar, sagte ich, wir schicken das Interview dann am Dienstag.

Wir hörten also unsere Aufnahmen durch, tippten das Gespräch ab, vollendeten dabei ein wenig die Sätze, die Bajramaj nur halb ausgesprochen hatte, und stellten einige davon in eine sprachlich richtige Form. Dann kürzten wir das Interview auf eine für ein sonntaz-Gespräch übliche Länge. Zu dem Zeitpunkt freuten wir uns noch über das schöne Interview, vor allem über Bajramajs Offenheit.

Zwei Tage später kam die E-Mail von Bajramajs Management. Sie seien mit dem Inhalt des Interviews überhaupt nicht zufrieden. Sie hätten es neu geschrieben.

Aha. Neu geschrieben. Interessant.

Gut die Hälfte des Gespräches hatten Bajramajs Manager gestrichen. Laut dem Interview, das wir zurückbekamen, soll Bajramaj mehrmals gesagt haben, wie wichtig es ihr ist, mit „attraktivem Fußball“ zu begeistern. Sie soll gesagt haben, dass Fußball doch „ein Spiel mit Emotionen“ sei und wie dankbar sie ist für ihre Bundeswehrförderung. Bajramaj spricht, geht es nach ihren Managern, sogar in Smileys.

Tatsächlich erzählte Bajramaj während des Gesprächs viel über ihr großes Vorbild Zinedine Zidane, darüber, wie sie oft seine Tricks kopierte, wie sie sein Durchhaltevermögen bewundert. Auf die Frage nach Zidanes Ausraster beim WM-Finale erzählte Bajramaj sichtlich erregt, dass sie seine Aufregung durchaus nachvollziehen kann, Matarazzi hätte ihn sicher schwer beleidigt. Und überhaupt würde sie wahrscheinlich in so einer Situation ganz anders ausrasten. Nach dem Prüfen der Manager stand als ihre Antwort auf die Frage aber nur noch: „Niemand ist ohne Fehler.“

Auch schrieben ihre Manager in das Interview, Bajramaj hätte über ihre eigenen Ausraster gesagt, sie dürften nicht wieder vorkommen. In Wahrheit sagte Bajramaj, sie wäre schließlich nicht die Lira, wenn sie einfach ihren Mund halten würde. Vielleicht war diese Änderung des Interview-Textes ein Erziehungsansatz?

Hin und wieder versuchten die Erfinder dieser Lira Bajramaj, die immensen Lücken, die sie in das Gespräch gekürzt hatten, wohl doch noch mit Text zu füllen. So schien Bajramaj auf die Frage „Können sie sich das (Temperament) als Sportsoldatin in der Bundeswehr leisten?“ unter anderem geantwortet zu haben: „Wir haben mit den ganz normalen Soldaten unsere Grundausbildung gemacht, der einzige Unterschied war, dass wir anstatt 3 Monaten nur 2 Monate Grundausbildung hatten. In verschiedenen Abständen haben wir 3-tägige Lehrgänge in Warendorf, bei denen dann die Sportsoldaten unter sich trainieren. Sonst trainieren wir 2 mal am Tag in unseren Heimatvereinen (…)“. Kein Wort mehr davon, dass Bajramaj die Ausbildung als sehr anstrengend empfand.

Auch dass Bajramaj gerne mal ein Glas Sekt trinkt, dass ihr wichtig ist, auch auf dem Platz gut auszusehen, wollten die Manager ursprünglich streichen. Und kein Wort sollte in dem Interview darüber stehen, dass es im Frauenfußball Lesben gibt.

Außerdem fielen drei Absätze weg, in denen Bajramaj beklagt, wie wenig gerade der FC Bayern seine Frauenmannschaft unterstützt. Weil der Verein, so wie viele andere, Frauenfußball offenbar nicht besonders ernst nimmt.

Es folgten zähe Verhandlungen, die sich letztlich über eine Woche hinzogen. Einiges konnten wir retten und wieder in die Druckfassung des Gesprächs hereinverhandeln. In stundenlangen Telefonaten wiederholte der Manager aber auch immer wieder: „Über den FC Bayern darf man sowieso gar nichts sagen“ oder „Das möchte ich aber nicht drin stehen haben“. Der Hinweis, Bajramaj habe das aber genau so gesagt, wir hätten das auf Band und würden hier schließlich nichts erfinden, half recht wenig.

Es schien fast so, als wollten sie Bajramaj nicht so haben, wie sie uns im Gespräch vorkam: Witzig, temperamentvoll und durchaus eine Meinung vertretend.

Sie hätten wohl lieber eine Bajramaj, die in Fußball-Werbefloskeln brav das wiederholt, was man ohnehin schon über sie weiß. Bajramaj selbst wurde wohl zu keinem Zeitpunkt zu den Verhandlungen hinzugezogen.

Klar, das Gegenlesen und Autorisieren von Interviews ist üblich. Nicht jedoch, Antworten neu zu erfinden und ganze Absätze zu streichen, weil es nun nicht mehr zu dem makellosen Image einer Profi-Fußballerin passt.

Nicht nur deshalb veröffentlichen wir hier nun die Hintergründe zum sonntaz-Gespräch mit Lira Bajramaj. Denn wahrscheinlich weiß sie nicht einmal, welches Bild ihre Manager von ihr in der Öffentlichkeit verbreiten wollen.

Am Ende der Strapazen blieb die Fassung des Gesprächs, die in der aktuellen sonntaz zu lesen ist.

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