10. The Rakes – Ten New Messages
2007 war kein gutes Jahr für die britische Gitarrenszene. Beinahe jede der Bands, die in den letzten zwei, drei Jahren mit ihrem Debüt für verliebte Blicke allenthalben sorgte, scheiterte an der Album-Nummer-Zwei-Hürde. Ausgerechnet The Rakes, die wohl am meisten unterschätzte Band, deren hervorragendes Debüt „Capture/Release“ leider nie die Aufmerksamkeit von Bloc Party, Arctic Monkeys oder Maximo Park bekam, konnten das beste Zweitwerk vorlegen. Die wilden Punknummern wie „Strasbourg“ sind Vergangenheit, die Gitarren noch eckiger und die Drums discotauglicher geworden. Alan Donohoe sang darüber Geschichten vom Ennui des täglichen Lebens, der Oberflächlichkeit („The World was a mess but his hair was perfect“) und der Sehnsucht, doch noch irgendwo, irgendwann anzukommen („When Tom Cruise Cries“ und „Leave The City And Come Home“).
Charts: D: – / UK: 38
Video: The World Was A Mess But His Hair Was Perfect
9. Friska Viljor – Bravo!
Friska Viljor sind eine handvoll bärtiger Schweden, die mit „Bravo!“ das wunderbarste Indiepop-Album des Sommers mitgebracht hatten. Beeindruckende Liveauftritte und eine ganze handvoll von großen Hits (über „Gold“ zu „Oh Oh“ und „We Are Happy Now“) ließen aufhorchen. Dass sie auch keine Berührungsängste haben, für einen Hit in die Lalala-Schublade zu greifen, wenn sich das nun mal anbietet, zeigt „We Are Happy Now“, der Discohit zum Folkschwestersong „Shotgun Sister“, der das Album eröffnete. Bravo, fürwahr.
Charts: D: – / UK: –
Video: Gold (live)
8. The Cribs – Men’s Needs, Women’s Needs, Whatever
Im Gegensatz zu vielen britischen Bands, die schnell nach oben schießen, dann aber Schwierigkeiten haben, sich dort zu halten, sind The Cribs eine Band, die die ganze Ochsentour durch den toilet circus schon hinter sich hat und nun mit Album Nummer Drei ihr bestes Werk vorlegen kann. Alex Kapranos von Franz Ferdinand produzierte die dreiköpfige walisische Band um die Jarman-Brüder so geschickt, dass er den amateurhaften Bierpunkspirit intakt lässt, aber genügend Popglanz über die Songs streut, dass man nicht mehr Pavement-b-Seiten geil finden muss, um die Cribs zu mögen. Höhepunkt war „Be Safe“, die Kollaboration mit Lee Ranaldo von Sonic Youth, die des Popblogs Song des Jahres Auszeichnung abholen durfte.
Charts: D: – / UK: 13
Video: Men’s Needs
7. Jamie T – Panic Prevention
Unverschämt jung ist the wimbledon wunderkind Jamie T! Er muss sein ganzes kurzes Leben damit verbracht haben, Songs zu hören, so sehr schafft er mit seinem bedroom-folk-dub-hip-hop-punk die britische Musikgeschichte der letzten dreißig Jahre in die 12 Lieder seines Debütalbums zu verpacken. Er wurde der neue Billy Bragg, der Nachfolger Joe Strummers oder der junge Mike Skinner genannt und alles war gleichermaßen quatsch wie zutreffend. Jamie war auf jeden Fall der beste Debütant des Jahres.
Charts: D: – / UK: 4
Video: Sheila
6. The White Stripes – Icky Thump
Hätten die Geschwister White nicht zwei annähernd unhörbare Dudelsack-Songs in die Mitte dieses Albums gepflanzt, sie wären Anwärter für Album des Jahres gewesen. Nach dem etwas blutleeren, wenn auch nicht schlechten Vorgänger „Get Behind Me Satan“ drehte Jackie White hier die Verstärker auf 11 und sang wie in Zungen über ein Gitarrengewitter, das man seit den ersten beiden White Stripes Alben nicht mehr gehört hat. Ein Höhepunkt reiht sich an den anderen und die zweite Hälfte dieser Platte ist die beste des Jahres.
Charts: D: 4 / UK: 1
Video: Icky Thump
5. Tocotronic – Kapitulation
Seit sich Tocotronic 1999 mit K.O.O.K. endgültig von ihrem 90er-Jahre-Ich verabschiedeten, dem Slogan goodbye sagten und die Trainingsjacken an den Nagel hängten, klangen die drei (nun vier) Hamburger immer wie auf der Suche nach dem richtigen Platz. Für den einen oder anderen Song fanden sie zu sich selbst, doch auf Albumlänge blieb immer das nagende Gefühl, das wäre immer noch nicht das, was sie eigentlich könnten. Mit „Kapitulation“ sind Tocotronic nun am Ende dieses Weges, bei sich selbst, angekommen. Die deutschlandweite Euphorie 2006 und das Weitermachen bot ihnen endlich wieder eine Angriffsfläche, der sie mit „Kapitulation“ und der endgültigen Verweigerung die Stirn boten. „Kapitulation“ ist ein Konzeptalbum im besten Sinn, die Songs stellen sich gegenseitig Fragen und liefern Antworten, alles greift Hand in Hand, egal ob es sich dabei um formvollendeten Pop wie beim Titelsong, einen Rückgriff auf wildesten Indierock von 1992 mit „Sag Alles Ab“ oder den Postrock bei der Explosion des Schlusstracks handelt.
Charts: D: 3 / UK: –
Video: Imitationen
4. Babyshambles – Shotters Nation
Es war ein schwieriges Jahr für Peter Doherty, wieder einmal. Umso erstaunlicher, dass er gerade aus dem Chaos der letzten 18 Monate mit seinem Pop-Album zurückkam. Der nihilistische Punk der Vorgängerwerke ist gänzlich verschwunden, es regiert die Sehnsucht nach der großen Melodie, nach der Produzentenhand, die die Leerstellen füllt und nicht die Vakanzen ins Zentrum stellt. „Shotters Nation“ klingt bei weitem nicht so aufregend und intim wie „Down In Albion“ und mag auch das schwächere Album sein, aber gerade wenn man sich 2007 in England umgesehen hat, dann wird erst deutlich, wie gut Doherty ist, wenn das für ihn schon ein schwächeres Album gewesen sein soll. Zudem waren „There She Goes“ und „Lost Art Of Murder“ die ersten gelungenen Versuche, den fragilen Doherty, den wir aus den Internetakustiksessions kennen, auf Platte einzufangen. So sieht der Weg nach vorne aus.
Charts: D: 18 / UK: 5
Video: Delivery
3. LCD Soundsystem – Sound Of Silver
Bereits mit dem selbstbetitelten Debütalbum konnte James Murphy aka LCD Soundsystem überraschen: wie oft gelingt es schon einem Produzenten, der an der Schnittstelle von (Post-)Punk und Club arbeitet, überhaupt eigene gute Songs zu schreiben?
Sound of Silver hat alles, was man an LCD Soundsystem immer zu schätzen wusste: scharfsinnige, zum Teil äußerst amüsante Texte („North American Scum“), Anschläge auf die Tanzfläche („Us vs Them“) und Postpunk für die Noughties („Watch The Tapes“). Aber darüber hinaus – und was konnte bei einem Hipster-Gott wie Murphy mehr überraschen – brachte er echte Emotionen mit in den Club. „Someone Great“, „All My Friends“ und „New York, I Love You (But You Are Bringing Me Down)“ waren unerwartet introspektive Lieder, die von der Sehnsucht nach dem Ende des Lebens auf der Überholspur und dem Ankommen erzählen.
Charts: D: 80 / UK: 28
Video: North American Scum
2. Die Türen – P-O-P-O
Wo Tocotronic sich huysmansgleich in der Dekadenz und der Schönheit des Nichts verlieren und sich damit dem Jetzt verweigern, tanzen sich die Türen einfach aus jedem Ärger heraus. Über herausragende Funkpopsongs, die DISCO schreien, singt Maurice Summen Floskeln, Redewendungen und Allgemeinplätze, entreißt sie ihrem Kontext und setzt sie zu einer Agitprop-Collage neu zusammen. Die Türen bringen zu jedem das Studio54 nach Hause und selbst wenn du nur eine Jogginghose anhast, kommst du trotzdem rein. Kein Geld, aber Disco!
Charts: D: – / UK: –
1. The Good, The Bad & The Queen – The Good, The Bad & The Queen
Was Damon Albarn anfasst, wird zu Gold. Die traumwandlerische Sicherheit, mit der sich Albarn auf den unterschiedlichsten Gebieten bewegt, ist faszinierend. Ob er mit Blur Brit-Pop erfindet und wieder abschafft, mit Gorillaz Indie und Hip-Hop verheiratet und dabei Kinder wie Erwachsene glücklich macht oder jetzt eine Supergroup aus ehemaligen Mitgliedern von Fela Kuti, The Clash und The Verve zusammentrommelt und das Album vom Gnarls-Barkley-Mastermind produzieren lässt – ihm gelingt alles. The Good, The Bad & The Queen war ein wunderbar introspektives Album über England und den Verlust der Tradition, wehmütig, melancholisch, aber immer auch affirmativ. Albarn gelang sogar das undenkbare: einen Antikriegssong mit Stil zu schreiben („Drink all day / cause the country is at war“).
Charts: D: 8 / UK: 2
Video: Kingdom Of Doom
und 2006?
1. Love Is All – 9 Times The Same Song
2. The Strokes – First Impressions of Earth
3. Two Gallants – What The Toll Tells
4. The Rapture – Pieces Of The People We Love
5. Die Goldenen Zitronen – Lenin
mit Text? hier