vonEva C. Schweitzer 10.12.2009

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Langsam habe ich den Eindruck, der Afghanistankrieg wird in Deutschland wichtiger genommen als in Amerika, wo sich sehr viel mehr Leute für Tiger Woods oder die beiden Party-Crasher im Weißen Haus interessieren als für ihre Jungs in Afghanistan, geschweige denn unsere Jungs in Afghanistan. Neulich war ich bei meiner Freundin Benita, die sich demnächst die Schulter operieren lässt und deshalb kaum noch Nachrichten guckt. Sie wollte von mir wissen, was das eigentlich für Leute auf Obamas State Dinner waren.

“Es war ein Pärchen, er älter, sie jung, er ist aus Israel, er könnte aber auch israelischer Araber sein, für mich sehen die alle gleich aus”, berichtete ich wahrheitsgemäß.

“Die sind auch alle gleich”, sagte Benita. “Wie war der Name gleich wieder?”

“Talahi oder Salahi oder so”, sagte ich.

“Na, die haben auch alle Namen, die auf -i enden. Und sie?”

“Sie ist ‘ne Schiksa”, sagte ich.

“Na, das sind sie doch alle”, sagte Benita, und damit war das Thema abgehakt.

Nun also zu Afghanistan und der immerwährenden Frage: Warum sind wir da? Wir sind da, damit die amerikanische Linke ihr Gesicht wahrt. Denn in den Jahren der Bush-Regierung, als die Linke irgendwie regierungskritisch sein wollte, aber doch nicht weicheiig, hieß die Parole, Irakkrieg böse, Afghanistankrieg gut, denn der gehe immerhin gegen Osama Bin Laden. Natürlich dachten die Amerikaner, die Bush Vorwürfe machten, dass er in Afghanistan nicht genug kämpfe, dass sie so auf besonders tricklistge Art die öffentliche Meinung von rechts überholen würden, und nicht etwa, dass sie tatsächlich den Afghanistankrieg an der Backe haben, zumal Osama, glaube ich, nun wohl in Pakistan ist.

Nun aber haben die Demokraten in Amerika den Krieg an der Backe, und deshalb suchen sie wen, dem sie die heiße Kartoffel übergeben können, bevor Obama auf die Idee kommt, die Wehrpflicht wieder einzuführen. Und das sind wir, also, natürlich nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa, aber hauptsächlich doch Deutschland. Denn Amerika, dessen Deutschlandbild geprägt ist von unzähligen WWII-Hollywoodfilmen, kann es gar nicht erwarten, bis die Wehrmacht endlich wieder aus der Deckung kommt. Ja, das gibt noch mal ein böses Erwachen. Inzwischen können wir schon mal den Salahis politisches Asyl anbieten. Die passen bestimmt ganz prima in die Berliner Bussi-Bussi-Gesellschaft.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/die_bundesmacht/

aktuell auf taz.de

kommentare