vonClaudius Prößer 19.04.2009

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Ein Euphemismus, den die Chilenen dieser Tage immer häufiger zu hören bekommen, ist die desvinculación. Früher nannte man das despido, Kündigung. Desvinculación suggeriert so etwas wie „geordnete Aus­glie­derung aus dem Arbeitsverhältnis“, aber der wichtigste Un­ter­schied zum klassischen Auf-die-Straße-Setzen dürfte sich auf sprach­licher Ebene abspielen.

Hier in Puerto Montt kommen die Einschläge der Lachs-Krise immer näher. Besser gesagt: Ein Volltreffer folgt dem nächsten. Gerade hat der Konzern AquaChile (unter den großen Produzenten der einzige mit vor­wiegend einheimischem Kapital) die desvinculación von 450 Ar­bei­terInnen seiner zentralen Verarbeitungsanlage bekannt gegeben. Die Be­trof­fenen erfuhren davon morgens am Werktor. Der Geschäftsführer von AquaChile, Alfonso Márquez de la Plata, ließ verlauten, das Bedauern des Kon­zernvorstands könne größer nicht sein. Aber der ISA-Virus, der die Fi­sche seit 2007 millionenfach dahinrafft sowie die in den vergangenen Wo­chen verstärkt aufgetretene „Rote Flut“, eine toxische Algenblüte, hät­ten den Rohstoff – sprich Fisch – im Vorjahresvergleich um 60 Prozent de­zi­miert.

Den desvinculados will das Unternehmen nach eigenen Angaben Hilfen anbieten, sich rasch wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern – von psychologischer Erstbetreuung über Bewerbungstraining und Un­ter­stützung bei der Jobsuche. Auch die Regierung in Santiago hat ges­tern angekündigt, Mittel in Höhe von sieben Millionen Euro auf­zu­wenden, um die Arbeitsmarkteffekte der Lachskrise abzufedern: Be­ra­tungs­stellen sollen davon finanziert werden, Wei­ter­bil­dungs­maßnahmen, Be­schäf­ti­gungs­programme. Ob’s hilft, ist fraglich: Das selbstgemachte ISA-­De­saster und die internationale Krise haben nach Ge­werk­schaftsangaben seit Ende 2007 bereits 17.000 Arbeitsplätze vernichtet.

Die Kampagne Sin miedo contra la corriente, die gegen die sozialen und ökologischen Verheerungen der Lachsindustrie kämpft, prangert das gute Geschäft an, das die Unternehmen mit dem Modefisch machen. Langsam hat freilich das Geschäftemachen auch ein Ende.

Derweil hatte der Gewerkschafts-Dachverband CUT am Donnerstag zu Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen augerufen, um gegen das Verhalten vieler großer Unternehmen zu protestieren. Diese, so die CUT, instrumentalisieren nämlich Krise und Krisenstimmung, um willkürlich zu entlassen oder Löhne zu kürzen. Eine zentrale Forderung der De­mons­trantInnen war auch der Aufbau einer neuen staatlichen Al­ters­vor­sorge mit garantierten Leistungen. Sie soll das in den Acht­zi­gerjahren ge­schaf­fene System der privaten Pensionsfonds (AFP) ersetzen. Viele AFP-Ver­sicherte müssen wegen der weltweiten Kurseinbrüche dramatische Einbrüche ihrer voraussichtlichen Pensionssummen hinnehmen.

Laut CUT nahmen landesweit 135.000 Menschen an den Kundgebungen teil, allein in Santiago 30.000 – das Innenministerium sprach von 15.000 in ganz Chile und 3.000 in Santiago. Dort kam es zu den üblichen Scharmützeln, weil der Demonstrationszug nicht wie geplant über die Alameda ziehen durfte.

Hier ein Video, das sich aus ungelösten technischen Gründen nicht in den Post einbetten lässt (Blogwart, hilf!).

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