Nicht allzulange ist es her, da waren die beiden Staatspräsidenten Joseph Kabila (Demokratische Republik Kongo) und Paul Kagame (Ruanda) Kriegsgegner. Ruanda unterstützte kongolesische Rebellen gegen Kabila, Kongo beherbergte ruandische Völkermorder und Hutu-Milizen gegen Kagame. Seit Anfang 2009 ist das offiziell anders: die beiden Länder arbeiten jetzt militärisch und politisch zusammen, haben diplomatische Beziehungen wiederaufgenommen, der kongolesische Rebellenführer Laurent Nkunda sitzt in Ruanda in Haft und die im Ostkongo stationierte ruandische Hutu-Miliz FDLR wurde aus dem Kongo vertrieben.
Oh, sorry: da war ein Fehler drin. Die FDLR ist nicht aus dem Kongo vertrieben. Sie wird zwar jetzt juristisch verfolgt, vor allem und lobenswerterweise ihr Präsident in Deutschland, und die UN-Mission im Kongo (Monusco) bemüht sich nach Kräften, ihre Kämpfer auf kongolesischem Gebiet aufzuspüren und nach Ruanda zu repatriieren. Aber im ostkongolesischen Busch ist die FDLR weiterhin mächtig. Sie überfällt Dörfer, verdient am Mineralienhandel und bleibt weiterhin eine Bedrohung für die Zivilbevölkerung. Ebenso übrigens wie weiter nördlich die nicht minder terroristische LRA aus Uganda, die tief im Kongo und sogar in der Zentralafrikanischen Republik wütet. Wie auch die kleinere ugandische ADF-Rebellion, die von Uganda als Mitverantwortlicher für die Terroranschläge von Kampala während des WM-Endspiels am 11. Juli verdächtigt wird, und die nach ugandischen Berichten im Kongo Basen und somalische Ausbilder haben soll, was allerdings Uganda nicht zu einer Militärintervention veranlaßt hat.
Es ergibt sich jetzt eine interessante politische Konstellation in der Region. Ruandas Präsident Kagame hat sich soeben mit 93% wiederwählen lassen – die Umstände seiner Wahl stießen auf breite internationale Kritik, aber im Kongo gab es von offizieller Seite kein Wort. Ugandas Präsident Yoweri Museveni will Anfang 2011 dasselbe tun, und auch gegen ihn wird der offizielle Kongo nichts sagen. Ebensowenig ist zu erwarten, dass Kagame und Museveni sich in den innenpolitischen Streit um Kabilas zu erwartende Wiederwahl Ende 2011 einmischen werden. Kongos Wahlen sind jetzt schon kontrovers, da die Wahlkommission sie so spät angesetzt hat, dass Kabilas fünfjährige Amtszeit schon abgelaufen sein wird, bevor sein Wahlsieg feststehen kann. Die demokratische Opposition im Kongo steht in ihrer Kritik daran ziemlich allein.
Kann es sein, daß die Präsidenten der Region sich jetzt auf einmal über den Weg trauen? Daß Kabila und Kagame sich jetzt mögen? Und daß Kagame und Museveni jetzt Kabila verzeihen, daß er ihre jeweiligen Rebellen weiterhin auf seinem Staatsgebiet toleriert?
Natürlich kann das eigentlich nicht sein. Aber Kabila, Kagame und Museveni wissen: die möglichen Alternativen in den jeweiligen Ländern wären noch schlimmer für die regionale Stabilität. Die drei kennen sich aus den schummrigen Zeiten der gemeinsamen Buschkriege der 1980er und 1990er Jahre, sie kommen aus demselben Stall, jeder kennt die Geheimnisse des anderen, jeder hat Faustpfande in Form von geflohenen, exilierten oder festgehaltenen Militärs oder Regimegegnern der anderen Länder in der Hand, um die anderen im Schach zu halten. Auch wenn sie einander nicht ausstehen können, wissen sie doch miteinander umzugehen.
Solange nicht alle drei sicher in den Satteln ihrer nächsten gewählten Amtszeit sitzen, dürfte die Eintracht der Autokraten halten. Ein Zeitfenster auch für FDLR und LRA, ihren Terror gegen Zivilisten im Osten und Nordosten des Kongo fortzusetzen. Aber wenn sich daran bis, sagen wir, Ende 2011 nichts geändert hat – dann dürfte die Geduld der Region mit den untragbaren kongolesischen Zuständen allmählich zur Neige gehen.