Während sich die UN-Mission im Kongo (Monusco) und Kongos Regierung darüber den Kopf zerbrechen, ob die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) wirklich ernsthaft aus den ostkongolesischen Kivu-Provinzen in das benachbarte Maniema verlegt werden soll, ist die FDLR längst in Maniema angekommen. Genauer: im Südosten dieser Urwaldprovinz, in der Region um Kabambare, wo Maniema wie ein Keil zwischen Süd-Kivu und Katanga nach Osten hineinragt und wo sich auch reichhaltige Zinn-, Coltan- und Goldvorkommen befinden.
Wie der UN-Rundfunk Radio Okapi meldet, sind über 1000 Vertriebenenfamilien im Ort Salamabila angekommen, auf der Flucht vor FDLR-Angriffen auf ihre Dörfer Matongo und Matete am 11. und 12. April. Die Bevölkerung Salamabilas befürchte nun weitere FDLR-Angriffe. Es ist der größte einer Reihe solcher Vorfälle in den letzten drei Monaten. Bereits in den Tagen zuvor haben UN-Helfer eine massive Zunahme von FDLR-Angriffen in den unmittelbar angrenzenden Regionen der Provinz Süd-Kivu verzeichnet. Massenvergewaltigungen und Angriffe werden vor allem aus dem äußersten Süden der Provinz gemeldet, im Hochland westlich von Fizi. Dies ist eigentlich die Heimatregion der Banyamulenge-Tutsi, die sogenannten „hauts plateaux“. Tausende von Menschen sollen hier auf der Flucht sein, „Ärzte ohne Grenzen“ hat sich erst diese Woche wegen der Gewalt zurückziehen müssen.
Die FDLR nutzen diese Region Süd-Kivus sowie die benachbarten Teile Maniemas schon lange als Rückzugsgebiet vor den Angriffen der kongolesischen Armee. Es ist ein ethnisch-politischer Hexenkessel, mit Banyamulenge-Tutsi, den radikal anti-ruandisch eingestellten Ethnie der Babembe, den Hutu der FDLR und der im Distrikt Kabambare vorherrschenden Ethnie der Bangubangu, die einst hier die Hauptstütze von Laurent-Désiré Kabilas Rebellion AFDL im ersten Kongokrieg 1996-97 waren und später dort in den Untergrund gegen die zweite von Ruanda unterstützte ostkongolesische Rebellion RCD ging. Bangubangu-Milizen kämpften erst im Bündnis mit den ruandischen Hutu-Kämpfern, aus denen später die FDLR hervorging, und dann gegen sie.
Aus Kabambare stammt übrigens die Mutter von Kongos Präsident Joseph Kabila, „Mama Sifa“, eine der vielen Frauen Laurent-Désiré Kabilas und mit ihm in den 70er und 80er Jahren im tansanischen Exil. Diese Region im Südosten Maniemas ist daher prinzipiell bedingungslos Kabila-treu, aber auch in Kabambare hat die Geduld der Kongolesen ihre Grenzen.
Die lokale Selbstverteidigungsmiliz „Raiya Mutomboki“, eine der vielen Mai-Mai-Fraktionen der Kivu-Provinzen (Maniema gehörte bei Kongos Unabhängigkeit 1960 noch zu Kivu, bevor dieses in drei geteilt wurde), ist immer noch militärisch aktiv und kämpft regelmäßig gegen die FDLR. 2009 hatte sie zwar ihre Selbstauflösung verkündet, ebenso wie die meisten anderen bewaffneten Gruppen der Kivu-Provinzen, und mehrere hundert Kämpfer zur Armee geschickt. Aber ebenso wie die meisten anderen bewaffneten Gruppen der Kivu-Provinzen blieb sie latent existent und kann je nach Belieben inner- oder außerhalb der Armee aktiv sein, um ihre Bevölkerung zu schützen. Vor allem die Mutomboki-Kämpfer aus Kabambare fehlten bei den Eingliederungszeremonien von 2009.
Wenn die FDLR wirklich aus Nord-Kivu in diesen Teil Maniemas ziehen möchte, dann sicherlich nicht mit friedlicher Intention. Und wenn ohnehin schon FDLR-Einheiten aus Süd-Kivu nach Maniema eingerückt sind und dort Mord und Totschlag begehen, hat sich die Frage einer Verlagerung der FDLR vermutlich erledigt. Gerade wegen der familiären Verbindungen des Kabila-Clans hier wäre eine offizielle FDLR-Stationierung eher ein Kriegsakt – zunächst gegen die eigene Bevölkerung, aber auch, weil ein solcher Schritt die Miliz eher vor Verfolgung schützen als der Abschaffung näherbringen würde.