vonBlogwartin 28.10.2011

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Von Martin Kaul und Sebastian Heiser

Download: Teil 1 von Ende 2008 (PDF, 9 MB)

Download: Teil 2 von Herbst 2009 (PDF, 8 MB)

In der Wochenendausgabe der taz berichten wir ausführlich über eine Kampagne, die die Düsseldorfer Kommunikationsagentur Deekeling Arndt Advisors (DAA) von Mai 2008 bis zur Bundestagswahl im September 2009 im Auftrag des Deutschen Atomforums durchgeführt hat. Im Atomforum sind die vier Betreiber der Kernkraftwerke in Deutschland – RWE, Vattenfall, Eon und EnBW – zusammengeschlossen. Als der Auftrag erteilt wurde, galt der von Rot-Grün durchgesetzte Atomkonsens, wonach die Laufzeit deutscher Kernkraftwerke endgültig begrenzt ist. Das Atomforum beauftragte die Agentur DAA zu einer Kampagne mit dem Slogan „Energieverantwortung für Deutschland“. Das Ziel laut den Unterlagen: „Bis zur Bundestagswahl 2009 Grundstimmung pro Laufzeitverlängerung herstellen.“ Bei dieser Wahl erhielt Schwarz-Gelb eine parlamentarische Mehrheit. Vor genau einem Jahr, am 28. Oktober 2010, beschloss der Bundestag die Laufzeitverlängerung.

Ergänzend zu unserer Berichterstattung veröffentlichen wir an dieser Stelle die oben verlinkten Dokumente. Es handelt sich dabei um interne Firmenunterlagen der Agentur DAA. Sie geben detailliert Aufschluss über die Pläne und Instrumente der Kampagne. Sie dokumentieren aber auch, welche Maßnahmen nicht gewirkt oder durchgesetzt wurden. Die Agentur skizziert darin gegenüber ihrem Kunden, dem Atomforum, die Strategie der Kampagne und aller einzelnen Maßnahmen. Nichts davon ist verboten, einiges ist anrüchig. Das meiste ist profane, handwerklich gut umgesetzte Öffentlichkeitsarbeit. Aber zusammengenommen zeigen die Dokumente auf deutliche Weise, wie Konzerne in Deutschland vorgehen, wenn sie Einfluss auf Medien, Politik und Öffentlichkeit nehmen.

In der ersten Präsentation vom Dezember 2008 beschreibt die Agentur die seit Mai umgesetzten Maßnahmen und gibt einen Ausblick auf das folgende Jahr. Wer sich die aufschlussreichen Dokumente besieht, findet etwa auf Seite 19 einen ersten Hinweis auf den Zweck einer Studie, die bei dem Berliner Professor Joachim Schwalbach in Auftrag gegeben werden sollte, und über die wir ebenfalls detailliert im Wochenendmagazin der taz berichten. Hinweise auf die Ansprache von Journalisten geben etwa die Seiten 24 oder 29. Doch auch zahlreiche andere Details sind interessant.

Das zweite Papier stammt vom Herbst 2009, also vom Ende der Kampagne. In diesem Papier wird Bilanz gezogen. Hierin wird dargestellt, welche Maßnahmen der Kampagne erfolgreich verliefen und welche Maßnahmen scheiterten oder nicht durchgeführt wurden. Aufschlussreich ist etwa die Seite 5, die Auswertung der Pressekontakte. Auf Seite 11 werden „Sondierungsgespräche“ mit einer Reihe von Politikern aufgeführt. Und auf Seite 22 steht, dass es gelang, in der BILD-Zeitung wohlwollende Berichterstattung zu platzieren. Auch die Bilanz auf Seite 23 ist interessant: Im Rahmen unserer Recherchen überprüften wir, ob es stimmt, dass die Düsseldorfer Agentur den bekannten Zeithistoriker Arnulf Baring bei einer Atomveranstaltung als unparteiischen Gastredner in Szene setzte, dann seinen Beitrag in der FAZ platzierte. Es war mehr noch: Baring ließ sich bei der Rede von der Agentur DAA auch inhaltlich zuarbeiten und vom Atomforum bezahlen.

Im folgenden dokumentieren wir noch ein weiteres Recherchedokument, das aufschlussreich ist. Es ergänzt unsere Berichterstattung über den Berliner Professor Joachim Schwalbach in der sonntaz.

Im Rahmen unserer Recherche haben wir uns unter anderem umfassend mit einer Studie zur „Gesellschaftsrendite der Kernenergie“ beschäftigt, die der Berliner Ökonom von der renommierten Humboldt Universität Berlin für das Atomforum anfertigen sollte. In unserem Gespräch mit Herrn Schwalbach, dessen Position wir in unserem Artikel wiedergeben, betont der Wissenschaftler, er habe die Studie nicht fertiggestellt, weil er nicht bereit gewesen sein, ein „Gefälligkeitsgutachten“ zu schreiben. Allerdings stellen sich dazu einige Fragen: Denn Schwalbach hatte das Mitspracherecht des Atomforums von vornherein in Kauf genommen. Das Projekt war nicht an seiner Universität angedockt, sondern lief über die Kasse der Firma seiner Ehefrau. Gegenüber der taz sagte Schwalbach, nichts von dem Geld sei an ihn geflossen, er sei allein an den wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert gewesen.

Das Atomforum verwehrt sich dennoch gegen den Vorwurf, ein Gefälligkeitsgutachten bestellt zu haben. Dieter Marx, Generalbevollmächtigter des Atomforums:, schrieb der taz: „Ein Abstract enthielt eine Aneinanderreihung von bekannten energiewirtschaftlichen Zusammenhängen, Erkenntnissen und Fakten, die durchaus pro Kernenergie waren. Nur entsprach dieser Ansatz nicht der breiteren und völlig neuen Aufgabenstellung, sodass das avisierte Thema verfehlt wurde.“

Die Agentur DAA reagierte gegenüber der taz auf die Aussagen Schwalbachs empört. In einer ausführlichen Stellungnahme antwortet Olaf Arndt, einer der Mitbesitzer der Düsseldorfer Agentur, ausführlich auf unsere Anfrage. Ihn hatten wir gefragt, ob es stimmt, dass die Agentur wissenschaftliche Gefälligkeitsgutachten in Auftrag gebe. Darüber hinaus hatten wir Herrn Arndt gebeten, uns zu unserer Recherche Informationen über Art, Umfang und Details der Kampagne zur Verfügung zu stellen, die seine Agentur im Auftrag des Deutschen Atomforums koordiniert hatte.

Zur Kampagne für das Atomforum äußert sich Arndt in seiner Stellungnahme nur allgemein. Weitere Angaben, heißt es darin, könne er dazu nicht machen. Zum Fall Schwalbach teilt Arndt dagegen einige interessante Details mit: Etwa, dass der Auftrag an Schwalbach erst auf dessen Wunsch hin über das Unternehmen seiner Frau abgewickelt wurde.

Die komplette Stellungnahme von Deekeling Arndt Advisors zum Download (PDF) finden sie hier.

Unsere Berichte finden Sie im Wochenendmagazin der taz vom 29./30. Oktober 2011.

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https://blogs.taz.de/die_geheimpapiere_der_atomlobby/

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