vonHelmut Höge 27.03.2010

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Glühbirnen-Regal in einem Istanbuler Lampenladen (Photo: Antonia Herrscher). So sah es früher in den entsprechenden Läden der EU-Länder ebenfalls aus. Heute gibt es hier jedoch fast nur noch diese Scheiß-Energiesparlampen, die die Schweinekonzerne Osram und Philips auch noch so camoufliert haben, dass sie für sehschwache Omas wie Glühbirnen aussehen.

Die Photographin schreibt zu diesem Bild:

Ich war auf der Suche nach Glühbirnen. In der Nacht war ein grünes Ufo über der Strasse aufgetaucht und hatte mein Zimmer taghell erleuchtet, um dann irgendwann unverrichteter Dinge zurück zur Großbaustelle zu schwenken. Am nächsten Morgen hatten 3 Birnen den Geist aufgegeben. Doch nirgends ein Glühbirnengeschäft. Irgendwann habe ich zwei gammlige Dinger erstanden, die in einem Regal eines Elektroniklädchens rumlagen und die drei Angestellten mussten erst mal rumtelefonieren, um herauszufinden, dass die eine 75 Kurus und die andere 1 Lira kostete. Eigentlich wollten sie mir eine viel teurere und klimafreundliche Energiesparlampe andrehen, die sie irgendwo gefunden hatten, aber nach einer halben Stunde kannte noch immer niemand den Preis. Mein Cay war alle und so kaufte ich die ollen Birnen. Dann bin ich um die Ecke in die “Ergenekon Caddesi” eingebogen und rechts ab: eine Strasse nur mit Elektrohändlern. Glühbirnen bis unters Dach. “Kac Watt?”, fragte mich der Mann am Tresen!  Als wäre das ganz normal, dass man Glühbirnen in allen Stärken, Größen, in klar, matt, rosa oder blau kaufen kann. Ein Kaufrausch war die Folge. Und der Ladenbesitzer hielt mich für komplett bescheuert, weil ich dann noch ein Foto von den Dingern im Regal machte. Nun hat mein Istanbul-Gastgeber Orhan auch Glühbirnen bis unters Dach.



Das Westberliner Kunstmagazin “Monopol” hat jetzt eine Unterschriftenaktion gestartet:

betrifft: Aufruf für die Glühbirne

Liebe Künstler, Ausstellungsmacher, Kuratoren, Architekten, Designer,

das Berliner Kunstmagazin Monopol plant einen Beitrag zur Glühbirne in der Kunst. Mit Hilfe zweier Verordnungen (zunächst 244/2009, dann 859/2009) verbietet die Europäische Union Produktion von und Handel mit „konventionellen Glühlampen“ und „konventionellen Halogenbirnen“ jeglicher Leistung bis 2012. Diese Verordnung betrifft allgemeine, haushaltsübliche Leuchtmittel; schon werkelt die Energiekommission an weiteren Verboten für „gerichtetes Licht“.

Wir, Redaktion und Autoren, sind zu dem Schluss gekommen, dass das Glühbirnenverbot der EU nicht hinzunehmen ist. Wir sehen darin nicht nur die Abkehr von einem Leuchtmittel, das gutes Licht macht, universell und billig ist, sondern auch von einem Kulturgut, das erhalten werden muss. Die Glühbirnen auszulöschen heißt, die Varianz und Ausdruckkraft in der Kunst und Gestaltung erheblich einzuschränken. Glühbirnen sind Teil des gesamten Bestandes klassischer Lampen, Teil der Design-Geschichte, und Teil von wichtigen Kunstwerken. Gemeinsam mit Halogenbeleuchtung sind Glühbirnen außerdem unverzichtbar für die Beleuchtung unserer Museen und die angemessene Präsentation von Kunst. Energiesparlampen sind nicht einmal im häuslichen Bereich gültiger Ersatz – zumal auch ihre Umweltverträglichkeit wegen ihres Quecksilbergehaltes fraglich ist. Für Kunstwerke, die auf dem Licht der Glühbirne basieren, gibt es niemals Ersatz.

Wir sind durchaus für eine Forcierung und Förderung technischer Alternativen – wir sind aber entschieden gegen den Eingriff in den faktischen Bestand gestalterischer Möglichkeiten. Das Glühbirnenverbot ist ein Irrweg – es muss zurückgenommen werden. Wenn Sie diese Auffassung mit uns teilen, würden wir Sie bitten, diesen Aufruf zu unterschreiben.

Ihre Monopol-Redaktion

Aufruf

Ein Verbot der Glühbirne durch die EU können wir – Künstler, Ausstellungsmacher, Kuratoren, Architekten und Designer – nicht akzeptieren. Auf die Vielfalt des künstlichen Lichts können wir unmöglich verzichten. Traditionelle Glühbirnen sind essentieller Teil unserer Beleuchtungskultur, von den Bauhauslampen bis zur Kunst des Lichts, wie bei Moholy-Nagy oder Gonzales-Torres. Halogen ist ebenfalls unverzichtbar, insbesondere für die Beleuchtung von Kunst, für die Illumination von Räumen, Bühnen und Fassaden.

Wir fordern die Rücknahme der Verfügung.

Cornelius Tittel

Chefredakteur

Monopol – Magazin für Kunst und Leben

Juno Kunstverlag GmbH

Rosenthaler Str. 49

D-10178 Berlin

Tel 030 440 134-52

Fax 030 440 134-43

Im Hafen von New York: Hier wird gerade wieder eine Glühbirne durch eine Energiesparlampe ausgetauscht. Und der Helfershelfer der Hafenverwaltung, der hier auf der Leiter steht, um diese Schandtat zu begehen, ist sich nicht einmal bewußt, was er da für Scheiße gerade baut. Hauptsache er hat einen Arbeitsplatz und kriegt regelmäßig sein Gehalt. Alles andere scheint im scheißegal zu sein. (Photo: Peter Grosse)

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https://blogs.taz.de/die_gluehbirnen-verschwoerung_32/

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