vonHelmut Höge 24.06.2010

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Eine  „wissenschaftlich-künstlerische Konferenz“ in der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (vom 25.-27.Juni)

„Entflieht auf leichten Kähnen!“

Ostfriesisches Fluchtfahrzeug. Photo: Peter Grosse

„Was gibt es überhaupt in der Geschichte, was nicht Ruf nach oder Angst vor der Revolution wäre? fragte sich der französische Philosoph Michel Foucault. Sein Freund und Kollege Gilles Deleuze hätte da eingestimmt, wobei die Revolution für ihn keine Geschichte war, sondern ein  „Werden – was die Historiker nie begreifen“. Und dass sie – die Revolution – noch jedesmal übel endete, „das weiß man doch!“ Schon die englischen Romantiker redeten über Cromwell genauso wie die heutigen Ex-Linken über Stalin. „Die tun so, als hätte man die ganzen Schweinereien erst jetzt entdeckt. Und was wurde aus der französischen Revolution? Napoleon. Oder die Amerikaner – die haben doch ihre Revolution genauso vermasselt wie die Bolschewiki. Auch sie wollten eine neue Gesellschaft, den neuen Menschen“. Dieses Scheitern hindert „aber doch die Leute zum Glück niemals daran, revolutionär zu werden – wenn es zu einer Situation kommt, die ihnen keinen Ausweg läßt. Das Revolutionär-Werden ist etwas ganz anderes als die Revolution.“

So wie das Anstreben des Kommunismus von unten im Westen etwas ganz anderes ist als selbiges im Osten – von oben geplant. Die „Süddeutsche Zeitung“ schüttelt es trotzdem. Sie spricht im Zusammenhang der Volksbühnen-Konferenz von einer „neuen Faszination des Kommunismus“ – und hat auch gleich jede Menge Gegenmittel parat: Zwar nicht Solschenizyns oder Nadeshda Mandelstams Erinnerungen, dafür aber gleich drei Antikommunisten mit ihren Verdammungsurteilen, darunter einen ehemaligen Maoisten-Stalinisten aus dem Ruhrgebiet. Dieser widerspricht in seinem Machwerk selbst dem „großen Historiker Eric Hobsbawm“, schreibt die SZ, aber „er hat Recht“…. Das klingt wirklich überzeugend!

Lenins Lämpchen

Diesen matten Kommunismusverächtern stehen am Wochenende also die eingeflogenen Kommunismusverfechter in der Berliner  Volksbühne gegenüber, darunter die  „Promis“ Zizek und Badiou, bei denen die taz Wochen zuvor bereits um ein Interview angeklopft hatte. Von Zizeks Anworten auf ihre brennenden Revolutionsfragen war die taz-Redakteurin dann jedoch arg enttäuscht. Sie waren ihr viel zu verschwurbelt. Derweil verfaßte der Biologe Cord Riechelmann eine Eloge nach der anderen auf den Immernochmaoisten Badiou – zuletzt in der FAZ zu dessen Volksbühnen-Auftritt.

Zur „Idee des Kommunismus“ gehört auch ein  „Lehrstück“ von Bertolt Brecht in der Inszenierung von Frank Castorf. Zu Brechts „Lehrstücken“ zählt „Die Maßnahme“, die an der Volksbühne zuletzt mit dem „Mauser“-Stück von Heiner Müller derart vermantscht worden war, dass die Inszenierung  nahe an Zizeks Antworten auf die brennenden taz-Fragen reichte. Ihr Regisseur Frank Castorf schrieb damals selbst – auf „volksbuehne.de“: „Brechts Passionsspiel aus dem Schreckenskabinett des Totalitarismus feiert das Glück, eine Sache über sich selbst zu stellen. Bei Heiner Müller will das Leid nicht enden.“ Wenn Castorf „das“ Lehrstück aufführt, dann ist damit Brechts „Badener Lehrstück vom Einverständnis“ (1929) gemeint. Auch hierin stellte Brecht klar, dass man kein persönliches Schicksal hat, dass es auf einen nicht ankommt, wie Brecht es nennt.

Zur Konferenz über die „Idee des Kommunismus“ gehört ferner zwar kein Heiner-Müller-Beitrag, aber ein „Ingemüllermonolog“ mit dem Titel „Schutt“, und zu den Mitideatoren der Veranstaltung gehören die zwei Herausgeber einer Merve-Reihe zur „Kommunistischen Morale Provisoire“. Von den Kommunismusverfechtern unter den „Promis“ hätten sie auch noch Boris Buden und Boris Groys und eigentlich alle balkanischen Theoriebildner einladen können, sie gingen aber auf Nummer sicher – und bestellten Antonio Negri auf das wichtigste „Panel“ – „Number One“. Dieses wird künstlerisch umrahmt und umgarnt – mit diversen auf das Wochenende verteilten „Neuvertonungen“, (originalrussischen)  „Songspielen“, „Installationen“, (Kollektiv-)“Performances“, Wortbeiträgen von Terroristen-Kindern, Filmen von Godard, Kluge und dem „allerverbotensten Filmemacher“ Chris Marker – am Ende dann noch einmal Alain Badiou – mit einem längeren „Statement“. Gefördert wird diese ganze durchaus selbstkritische Kommunismusverherrlichung vom „Hauptstadtkulturfonds“: Man gönnt sich ja sonst nichts! Wegen der Franzmännerlastigkeit des Kongresses ist  aber auch noch das „Institut Francais“ mit im Boot.

Apropos:

Viel wichtiger als die Spektakel-Frage „Kommunismus ja oder nein oder wenn und aber“ scheint mir Michel Foucaults Charakterisierung des Schiffes als die Heterotopie schlechthin, die er der Utopie vorzog: „tatsächlich verwirklichte Utopien, in denen die realen Orte, all die anderen realen Orte, die man in der Kultur finden kann, zugleich repräsentiert, in Frage gestellt und ins Gegenteil verkehrt werden“. Foucault meinte sogar, dass eine Gesellschaft ohne Seefahrt verkümmern muß. Der „Nomadismus“ von Deleuze und Guattari läßt sich damit in Verbindung bringen.

Auch Kerzen arbeiten mit Lichtgeschwindigkeit

Zurück zum „Lehrstück“: In dem Aufsatzband „Nach dem bewaffneten Kampf“ erinnert sich die Therapeutin Angelika Holderberg an eine Diskussion mit ehemaligen RAFlern, dass dabei  irgendwann „der bedeutsame Satz fiel: ‚In der RAF hat es keine wirklichen Freundschaften gegeben'“. Auch die  fünf anderen  Psychologen/Autoren der Aufsatzsammlung zitieren diesen Satz. In seinem Lehrstück „Die Maßnahme“ hat Bertolt Brecht dieses Problem 1930 am Fall einer klandestinen kleinen Kadergruppe durchgespielt. Einer der Genossen reagierte mehrmals derart unpolitisch, d.h. menschlich, dass ihn die drei anderen, nachdem er dadurch ihren „Auftrag“ in Gefahr gebracht hatte, schließlich umbringen. Brecht läßt ihren Mord, der keinem „Verräter“, sondern höchstens einem Schwächelnden galt, durch einen Chor – als Parteigericht – für gerechtfertigt erklären.

1948 hat Jean-Paul Sartre dieses „Problem“ noch einmal aufgegriffen – in seinem Stück „Die schmutzigen Hände“. Hier ist es jedoch der Mörder, der es nicht schafft, den parteipolitischen Versager zu töten. Daraufhin wird seine Frau zu einer „Verräterin“, indem sie sich in den Genossen, dessen Tod beschlossen wurde, verliebt. Erst in diesem Moment gelingt dem Mörder die Tat – aus unpolitischer Eifersucht also.

In den Siebzigerjahren wurde dieses „Partisanen-Drama“ von Sartre in Belgrad inszeniert, mit den besten Schauspielern des Landes: Es wurde ein Kultstück, ausgehend von der dortigen Studentenbewegung und ihrer Kritik an der Parteiführung. Zuletzt inszenierte es Castorf in der Volksbühne – aktuell bezogen auf den Zerfall des jugoslawischen Staates – aber er verstand das Problem dabei nicht: „Er hat  die Partisanen-Problematik bis zu Karadzic hin verlängert – als den letzten degenerierten Kommunisten, mit einer jugoslawischen Fahne auch noch. Das ist falsch, das hätte er höchstens mit Milosevic machen können. Demnächst wird es eine nochmalige Inszenierung des Stückes in Belgrad geben“, meinte der jugoslawische Regisseur Zoran Solomun nach der Premiere.

Die Heterotopie schlechthin

Zum dortigen Kommunismus fiel Zoran Solomun folgendes ein:

„1968 war ein entscheidendes Jahr für Jugoslawien:Wenn man verstehen will, was heute in Jugoslawien geschieht, dann muß man bis auf das Jahr 1968 zurückgehen. Damals waren die Kommunisten genau zwanzig Jahre an der Regierung – 1948 hatten sie sich von Moskau losgesagt. Die einzigen Konflikte, die es danach gab, waren Machtrangeleien in der Nomenklatura. 1968 entstand jedoch eine starke linksradikale Studentenbewegung. Sie war eine Folge der Öffnung Jugoslawiens ab Mitte der Sechzigerjahre: Es gab die ersten Pässe, Gastarbeiter, Einflüsse vom Westen, Tourismus. Die Studentenbewegung war gegen die kommunistische Regierung gerichtet – wie auch die in Westeuropa, d.h. es war eine Abrechnung mit den letzten 20 Jahren. Die Studenten besetzten im Juni, Juli 68 die Belgrader Universität – und benannten sie in „Rote Universität Karl Marx“ um. Sie wollten das erreichen, was die Väter ihnen immer nur versprochen hatten: einen radikalen Umbau der Gesellschaft. Ich war damals 15 – also noch zu jung um mit zu machen. Ich habe nur zugekuckt. Einer der herausragenden Studentenführer von damals war Vlada Mijanovic. Ich glaube, er fährt heute Taxi in Chicago. Für die Kommunisten war die Studentenbewegung ein Schock. Ich erinnere mich noch an einen Fernsehauftritt von Tito. Er sagte: „Wenn die Jungen wollen, daß wir Alten gehen sollen, dann gehen wir auch!“ Das war eine blanke Lüge, denn natürlich wollten die Alten nicht abtreten. Und das erste, was sie dann gemacht haben, war auch genau das Gegenteil. Sie haben den jugoslawischen Studentenbund aufgeteilt – nach Nationalitäten, einen serbischen, einen kroatischen usw.. Und dann haben sie mit weiteren nationalen Spielchen angefangen. Anfang der Siebzigerjahre entstand daraus die erste große nationale Bewegung, der „kroatische Frühling“ – angeführt von den kroatischen Kommunisten. 1974 wurde eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, in der all diese nationalistischen Ideen Eingang fanden, d.h. die Republiken wurden fast souveräne Staaten. Das alles ist die Voraussetzung für den jugoslawischen Krieg jetzt. Die Wurzeln dafür liegen nicht im Zweiten Weltkrieg, sondern in dieser spezifischen Abwehr der emanzipatorischen Forderungen der Studentenbewegung durch die jugoslawischen Kommunisten. In Polen haben sie zur gleichen Zeit aus den selben Gründen den Antisemitismus wieder aktualisiert.

Ich erinnere mich noch an ein spätes Statement von Tito, in dem er sagte: „Natürlich bin ich ein Jugoslawe, aber in erster Linie bin ich Kroate“. Und plötzlich war die Nationalfrage für die Kommunisten genau so wichtig wie die Klassenfrage. Um an der Macht zu bleiben, spielten sie mit den Nationalismen – im Kosovo, in Serbien, in Slowenien: Überall haben sie die nationalistischen Kräfte nach vorne geschoben. So wurde der Nationalismus wiederbelebt. Selbst meine Mutter hat sich auf ihre alten Tage noch von einer Kommunistin zu einer Großserbin gewandelt. Milosevic hat diese nationale Welle nur bis zur letzten Konsequenz geführt. Insofern sind die Kommunisten, Tito usw., für diesen Krieg verantwortlich. Und deswegen stimmt es einfach nicht, wenn gesagt wird: Damals war alles schön, aber dann kamen die Bösen. Das war kein Bruch, sondern eine logische Entwicklung. Ein weiterer Mythos ist der, daß die Serben im Zweiten Weltkrieg alle auf der richtigen Seite, bei den Partisanen, gekämpft haben und die Kroaten an der Seite der Deutschen. Eher ist es umgekehrt: In Kroatien gab es sogar sehr viele kommunistische Partisanen, während viele Serben monarchistisch gesinnt waren. Die serbischen Partisanen, das waren in erster Linie die Serben aus Bosnien, und die Widerstandsbewegung war in Kroatien viel stärker als in Serbien. Auch bei den Mohammedanern gab es eine starke antinationalistische Front, gerade von den reichen Familien, aus Sarajewo z.B., standen viele Tito nahe Man spricht jetzt oft von rechten Partisanen. Copic warnte generell vor neuen nationalistischen Auseinandersetzungen – vor deren destruktiven Kräften. Es stimmt, der Partisanen-Mythos hat sich lange gehalten. Als wir 1990 nach Berlin kamen, war meine Tochter 9 und mein Sohn 11 Jahre alt. Sie hat sich in ihrer Entwicklung als Mädchen nicht so sehr wie er mit mir identifiziert. Und diese ganze jugoslawische Partisanen-Geschichte interessiert sie kaum. Manchmal betrachtet sie z.B. meine Tante, die Partisanin war, wie eine Fremde. Mein Sohn hat dagegen etwas mehr von mir. Gerade dieser Tante schrieb er 1991 in einem Brief: „Liebe Tante, es geht uns gut, Berlin ist eine schöne Stadt, hier sind alle Leute Deutsche – nur wir sind die einzigen Partisanen“. Er wollte sie natürlich ein bißchen ärgern, aber gleichzeitig zeigt das, wie weit diese einfache Weltsicht – der Partisanen von einst – gegangen ist. Es hat natürlich in Jugoslawien immer Leute gegeben, die sich nie als Partisanen begriffen, immer nur als Kroaten, Serben etc. Aber alle, die an der Macht waren, hatten eine Identität als Partisanen“

Ähnlich wie Zoran Solomun äußerte sich auch einmal Gilles Deleuze: Er habe nie Marx abgeschworen und nie Mai’68 verworfen. Der 1925 geborene Philosoph erlebte die „Libération“ von den Deutschen 1944/45 als die „reichste Zeit: Wir entdeckten eine ganze Welt. Sartre, Kafka, die amerikanische Literatur… Es war eine schöpferische Atmosphäre. Und dann wieder die Sechzigerjahre – bis 68. Seitdem leben wir jedoch in einer Dürrezeit.“

Photo: de.academic.ru

Es entwickelte sich jedoch nach dem Mai 68 fast so etwas wie eine nietzscheanisch-spinozistische Verschwörung unter den Pariser Philosophen. Nach dem Tod der meisten ging sie einerseits in die (konservative)  pragmatisch-wissenschaftliche „politische Ökologie“ der „Akteur-Netzwerk-Theoretiker“ um Bruno Latour und andererseits in die operaistische italoamerikanische Theorieproduktion von Negri und Hardt über.

Im Kern ging und geht es dabei um die „Multitude“: „In Spinozas Staatslehre gibt es keinen einheitlichen und befriedeten populus, sondern nur eine multitudo, deren Fähigkeit zum autonomen politischen Handeln niemals endgültig stillgestellt werden kann: jede politische Ordnung ist von der ständigen Drohung der Gehorsamsverweigerung überschattet, heißt es dazu im Forum „grundrisse.net“. Die spinozistische „Multitude“ setzt sich aus „Minderheiten“ zusammen.  Das erinnert an Herbert Marcuses „Randgruppenstrategie“, bezieht sich jedoch vor allem auf die „1000 Plateaus“ von Guattari und Deleuze. Letzterer, der Spinoza im Herzen trägt, wie er sagt, ist in seinem TV-Nachlaß „Abécédaire“  1988/89 noch einmal darauf zurückgekommen: „Nur Minderheiten sind produktiv“ und es geht dabei nicht darum, eine Mehrheit zu werden, sondern eine Differenz zu eröffnen. „Jeder ist eine Minderheit!“

1977 hatte der Libidoökonom Jean-Francois Lyotard bereits von einem „Patchwork der Minderheiten“ gesprochen. Dieses Bild einer damals im Heraus- und Zusammenkommen begriffenen Bewegung (von Schwulen/Lesben, Indianern, Heimkindern, Behinderten, Nekrophilen, Irren, Pädophilen, Prostituierten, Palästinensern, globalen Banlieues usw.) haben Negri/Hardt jetzt in ihrem „Common Wealth“ wiederverwendet. Auch ihnen geht es dabei noch wie Lyotard  um eine „herrenlose Politik“. Diese will der Wissenssoziologe Bruno Latour nun auch noch für Tiere und Pflanzen geltend machen.

Der reale Hintergrund für Brechts Lehrstück „Die Maßnahme“ ist der gescheiterte Aufstand in Shanghai, der von der Komintern initiiert wurde.  Im „langen heißen Sommer“ von 1926 kam es zu einer Kette von Streikmaßnahmen in Shanghai – allein im Juni mit 69.556 Streikenden in 107 Betrieben. Auslöser der Streiks war der Anstieg des Preises für Reis. Im Oktober 1926 kam es zum so genannten „ersten bewaffneten Aufstand“, gefolgt von einem Generalstreik im Februar 1927, der sich in einen zweiten bewaffneten Aufstand verwandelte. Dieser wurde blutig niedergeschlagen. In den folgenden Monaten herrschte ein Terrorregime in Shanghai und die Bewegung in ganz China wurde niedergeworfen. Die Kommunistische Partei wurde verboten – die Unterstützer Chiang Kai-sheks begannen damit Gewerkschaften aufzubauen, die der Regierung unterstanden.

Gluehshirt. Alle Photos: Peter Grosse

Der Roman von André Malraux aus dem Jahr 1933 “La condition humaine”; in der DDR 1955 unter dem Titel “So lebt der Mensch” erschienen handelt von diesem Aufstand (eigentlich waren es wie gesagt drei) in Shanghai 1927. Es geht Malraux darin aber um mehr als die “Erhebung des Proletariats”: Seine “Helden bewegt die Frage nach einer sinnvollen Existenz”. In der aus dem Osten übernommenen West-Ausgabe heißt es dagegen idiotischerweise im Klappentext: “In diesen Kämpfen zeichnet sich bereits ab, was zur heutigen Lage in China geführt hat: daß die Kommunisten eines Tages den Spieß umdrehen und über ihre Gegner triumphieren würden.” Darüberhinaus werden mit “großem, nervösen Atem…die menschlichen Positionen umrissen.”

In Malrauxs Roman “La Condition Humaine” geht die Ärztin May, die im Gegensatz zu ihrem Intellektuellen-Freund Kyo den dritten Shanghaier Aufstand überlebte, zuletzt nach Moskau, um sich dort von der Komintern für den nächsten Aufstand schulen zu lassen. Im Nachwort zur DDR-Ausgabe meint die Autorin Brigitte Ständig (deswegen): Dieses Werk bilde den Höhepunkt in Malrauxs “Aktionsschritstellerei” (zuvor hatte er bereits in “Les Conquérants – Die Eroberer – den Kantoner Aufstand thematisiert), danach sei Malraux mehr und mehr zu einer “anarchistischen Revolutionsauffassung” gelangt – und dies bereits in seinem darauffolgenden Roman – über den spanischen Bürgerkrieg: “L’Espoir” – die Hoffnung. Weil aber in seinem Buch über die Shanghaier Aufstände von 1927 die Auseinandersetzung zwischen Kyo und dem Vertreter der Komintern Wologin “den Kulminationspunkt der politischen Problematik” bilde – und Wologin von Malraux mit “physischen Attributen” ausgestattet sei, “die beim Leser Antipathie erwecken”, könne man sagen, dass der Autor auch in “La Condition Humaine” noch zwischen einem “rationalen Verständnis für die historische Situation” und einem “emotionalen Hang zu revolutionärem Romantizismus” schwankte.

1928 war der Shanghaier Aufstand bereits Gegenstand heftiger Diskussionen in der Moskauer Komintern-Zentrale gewesen. Die Ergebnisse fanden Eingang in das Lehrbuch “Der bewaffnete Aufstand”, herausgegeben von Wollenberg, Kipperberger, Tuchaschweski, und Ho Tschin Minh . Erich Wollenberg, der zur Neuherausgabe 1971 in der BRD (sic!) als ehemaliger Mitautor ein Vorwort beisteuerte, wußte zum Kapitel über den Shanghaier Aufstand nur zu sagen, es sei im Generalstab der Roten Armee verfaßt worden. Interessant daran sei: Trotz der damals bereits begonnenen Repressalien gegen die “Trotzkisten” wird in diesem Kapitel ein Tagesbefehl Trotzkis zitiert (mit Namensnennung), der eine Kritik an Stalin enthält.

Die Stalinsche Kominternpolitik in China hatte dazu geführt, daß die proletarische Basis der dortigen KP in den Städten nach den Shanghaier Aufständen fast vernichtet war und die Partei sich auf dem Land neu sammeln mußte, wo sie sich – Mao folgend – stärker auf die bislang von ihr vernachlässigten Bauern stützte. Dies hatte auch bereits Ho Chi Minh in seinem Beitrag für das Aufstands-Handbuch nahegelegt, der explizit die Bauernfrage im Falle eines Aufstands behandelte – vor allem in noch agrarischen Gesellschaften. Ho Tschin Minh übte darin gewissermaßen Selbstkritik: „Der Sieg der proletarischen Revolution in Agrar- und Halbagrarländern ist undenkbar ohne aktive Unterstützung des revolutionären Proletariats durch die ausschlaggebenden Massen der Bauernschaft“. „Onkel Ho“ kam in seinem Beitrag sogar zu dem Schluß, das „der größte Fehler der chinesischen kommunistischen Partei“ darin bestanden habe, nichts zur Vertiefung der chinesischen „Agrarrevolution“ getan, sondern im Gegenteil die „Bauernbewegung“ noch gebremst zu haben.

Die Partei hatte sich, gestützt auf ihre deutschen und russischen Berater aus der Komintern vor allem auf die Organisierung von Arbeiteraufständen in den großen Städten konzentriert, die allesamt  niedergeschlagen worden waren. Damals waren gerade mal 0,5% der chinesischen Bevölkerung Arbeiter. Ho Tschin Minh, der von Bucharin abfällig als „Bauernträumer“ bezeichnet wurde, beging später in Vietnam den entgegengesetzten Fehler, der den Nordvietnamesen während der „Tet-Offensive“ 1968 fast eine Niederlage bereitete, obwohl sie gleichzeitig allen deutlich machte, dass der Krieg in Vietnam von den Amerikanern und ihren Marionetten nicht mehr zu gewinnen war: Der trotzkistische Vietnamkriegshistoriker  Jonathan Neale schreibt: „Dennoch erlitten die Guerillos eine vernichtende Niederlage. Sie hatten erwartet, dass Saigon und Hue sich erhöben. Dazu kam es nicht. Der für den kommunistischen Untergrund in Saigon verantwortliche Tran Bach Dong erklärte später, warum: Ihre Mitgliedergewinnung war „wunderbar erfolgreich“ – bei den Intellektuellen, Studenten, Buddhisten, bei allen – nur bei den Arbeitern nicht, wo der Organisationsgrad „schlechter als schlecht“ war  – weil nämlich, so Jonathan Neale, die Befreiungsbewegung die städtischen Arbeiter nur halbherzig gegen ihre Chefs mobilisieren konnte, um nicht die „Unterstützung der Geschäftsleute und Manager dort zu verlieren.“
In Afghanistan scheiterten die „internationalen Brigaden“ der Moskauer  Kommunisten dann komplett. Die heutigen Antikommunisten haben dort jetzt weitaus bescheidenere Ziele als sie.  Wie mobilisiert und motiviert aber diese  Internationale der Reaktion nun ihre Kampfkader in Afghanistan – gegen die Ganzkörperverschleierung der Frauen dort?

Über die neueste Strategie/Scharade in diesem „Burka-Krieg“ berichtet die Junge Welt heute:

Das Monatsmagazin der Bundeswehr, Y, bewirbt eine Truppenbetreuung der besonderen Art. In der aktuellen Ausgabe – Titel: »Feuer frei« – macht die Zeitschrift in der Rubrik »Facts« großflächig auf einen Nacktkalender für Soldaten aufmerksam. Unter der Aufforderung »Schau an!« ist dort zu lesen: »50 Frauen und Freundinnen von britischen Soldaten meldeten sich freiwillig und ließen sich für einen guten Zweck nackt ablichten. Sie posierten völlig blank auf einem Truppenübungsplatz vor Panzern, mit Waffen oder an einer Weihnachtstafel.« Einschränkend heißt es weiter: »Es sind keine perfekten Models im Kalender zu finden, dennoch ist er ein Riesenerfolg und brachte bisher fast 30000 Euro ein. Die Einnahmen kommen in Afghanistan verwundeten Soldatinnen und Soldaten zugute.« Konkret genannt wird auf der Webseite der britischen Kalendergirls die Vereinigung »Help for Heroes«.

Die »blanke« Kriegs-PR der britischen »SWAGs« (Servicemen’s Wives And Girlfriends – Soldatenfrauen und -freundinnen) soll die 20jährige Kelly Monk initiert haben. Deren Verlobter Andrew Mason (21) ist Berichten zufolge zum zweiten Mal am Hindukusch im Kriegseinsatz und mit den Nacktaufnahmen seiner Liebsten einverstanden. »Er weiß, es ist für einen guten Zweck«, wird die auf der Insel Zurückgebliebene in den Medien zitiert. Ein »Foto seiner Freundin im Evaskostüm« könne »viele verletzte Kameraden im Lazarett aufmuntern«.

Lampenschrott. Photo: Antonia Herrscher

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