von 30.09.2010

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Mit welchen abenteuerlichen Erklärungen südafrikanische Regierungspolitiker die geplante Einschränkung der Pressefreiheit begründen

Der mit einer knappen Zweidrittenmehrheit regierende ANC (Afrikanischer Nationalkongress) hat sich letzte Woche mit seinen Bündnispartnern zu einem ausgiebigen Plausch getroffen und dabei einvernehmlich beschlossen, dass das südafrikanische Parlament nun schnellstens über die Frage der schärferen Medienkontrolle beraten und zwei entsprechende Gesetze „zum Schutz der Öffentlichkeit“ erlassen soll.

Journalisten, Redakteure, internationale Nachrichtenagenturen und generell meinungsfreiheitsliebende (bzw korruptionsmüde) Südafrikaner der Mittel- und Oberklasse protestieren seit Wochen über sämtliche Nachrichtenportale, Zeitungen, Blogplattformen und soziale Netzwerke gegen die geplante Einschränkung der Medienfreiheit. Während dessen versuchen ANC-Politiker auf immer abenteuerlichere Art und Weise zu begründen, warum Journalisten in Zukunft vor einem „Medientribunal“ geradestehen müssen, das „unverantwortlich und arrogant berichtende Journalisten zur Rechenschaft zieht“ – und warum das Land zusätzlich dazu auch noch ein „Gesetz zum Schutz von Informationen“ braucht, das Regierungsmitgliedern erlaubt, Informationen willkürlich als „Staatsgeheimnis“ zu klassifizieren und vorsieht, dass Journalisten, die solche Geheimnisse publizieren, mit bis 25 Jahren  Haft bestraft werden.

Die Argumentation über die Notwendigkeit des „Medientribunals“ und des „Gesetzes zum Schutz von Informationen“ nimmt zuweilen groteske Züge an, wie ein paar Zitate aus den letzten zwei Wochen zeigen:

Blade Nzimande, südafrikanischer Minister für Höhere Bildung und Generalsekretär der SACP (Kommunistische Partei Südafrikas), äußerte sich zu dem Thema Medientribunal bereits mehrmals:

“Es gibt nur eine ernsthafte Bedrohung gegen die Demokratie in unserem Land: eine freie Presse, die nur sich selbst Rechenschaft ablegt.”

“Es findet eine große liberale Offensive gegen unsere Demokratie statt. Die Presse ist der schlimmste Straftäter gegen liberales Denken. Die [südafrikanischen] Medien sind zu ihren Freunden um die Welt gegangen, inklusive denen in Amerika, um sie gegen das Medientribunal anzustacheln. Wie können wir den amerikanischen Journalisten trauen, die in den Irak einmarschiert sind, [die Journalisten sind wohlgemerkt diejenigen, die einmarschiert sind] und danach von den Offizieren dort vorgeschrieben bekommen haben, was sie schreiben sollen?”

Blade Nzimande sagte (etwas selbstverräterisch?) an anderer Stelle: “Wir finden, dass sich die Medien als Opposition zur Regierung positioniert haben. Wenn unsere Leute [d.h. Wähler – die breite schwarze Unterschicht, die auch die Mehrheit in Südafrika bildet] diese Zeitungen lesen würden, hätten sie den ANC schon längst abgewählt.” Aha.

Jacob Zuma, Staatschef , Führer der Regierungspartei ANC, und selbst immer wieder wegen Korruptionsvorwürfen, Vetternwirtschaft und ausschweifenden Lebensstils im Kreuzfeuer der Presse, argumentierte aus der Perpektive des kleinen Mannes – auch wenn ausgerechnet dieser es nie auf die Titelseiten der Zeitungen schafft:

“Viele Südafrikaner sind arm. Sie können nicht zu einem Anwalt gehen und sich [gegen die Medien] verteidigen. Was passiert mit ihnen? Wir brauchen ein Medientribunal, das sie verteidigen kann.”

Julius Malema, kontroverser Führer des Jugenflügels des ANC (ANCYL) ging sogar weiter. Während einer Presskonferenz erklärte er:

„Das Medientribunal ist ein Geschenk an euch [Journalisten]. Medien müssen reguliert werden. In allen fortschrittlichen Demokratien werden Medien reguliert. Wir wollen euch [die Medien] befreien.“

Julius Malema erläuterte (wenn auch nicht ganz einleuchtend) bei der ANC Youth League Pressekonferenz am 30.09.2010, dass die Einschränkung der Medienfreiheit eine “Befreiung” für Journalisten ist.  ©The Daily Maverick

Laut Siyabonga Cwele, südafrikanischem Minister für Staatsicherheit, und insbesondere Verfechter des „Gesetzes zum Schutz von Informationen“ muss Südafrika wiederum  “dem Beispiel ausländischer Botschaften folgen, die ihr Personal seit 1994 kontinuierlich aufstocken, um der außer Kontrolle geratenen Spionage gegen politische Führer entgegenzuwirken”.

Dumisani Mthalani, Sprecher von SANCO (South African National Civic Organisation) sieht auch Südafrikas Staatssicherheit akut bedroht:

„Wir sind absolut der Meinung, dass ein Land und seine Bürger niemals dadurch gefährdet werden dürfen, dass jede Mary, Jane und Susanne, die darauf versessen sind, Informationen zu verbreiten,  freien Zugang zu Staatgeheimnissen haben, deren Verbreitung bei ein bis drei Achtel aller Fälle das Land in Gefahr bringt. Die geplanten Mediengesetze werden außerdem dabei helfen, dieser Kultur des Nicht-Kümmerns und der Arroganz einiger Reporter Einhalt zu gebieten.”

„Kein Staat sollte den freien Fluss von Staatsgeheimnissen erlauben, auf die skrupellose Journalisten, denen jeder Sinn für Patriotismus fehlt,  einfach so Zugriff haben.“

Eingemischt in die Diskussion hat sich im Übrigen auch der (bisher noch) populäre Afrikaanse Volksmusiksänger Steve Hofmeyr.  Nachdem die Medien von seinen außerehelichen Affären berichteten, schüttete er letzten Jahr auf einer Gala einer Redakteurin eine Tasse Tee über;  einer anderen sprang der sprichtwörtlich an die Gurgel. Zum Thema Medientribunal räsonierte er heute:

„Die Tatsache, dass die Medien niemandem Rechenschaft abgeben müssen, ist der Inbegriff von Faschismus.“


Steve Hofmair, südafrikanischer Schlagerstar, macht sich mit seinen Standpunkten zur Medienfreiheit in Südafrika nicht gerade beliebt bei seiner Fangemeinde

eure elena **

Elena Beis. Fettnäpfchenführer – My Name is not Sisi. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€

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