vonClaudia Mussotter 07.08.2009

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Ein Leben ohne Tomaten – wer mag sich das heute noch vorstellen? Nudeln ohne Tomatensauce, Pommes ohne Ketchup, Pizza ohne Tomate oder Salat ohne die erfrischenden bunten Tomatenstücke? Don Pomodoro nennt man denn auch in Italien bezeichnenderweise einen Menschen, der überall dabei sein muss.
Sie gab schon immer Anlass zu Spekulationen. Pomme d’amour, Liebesapfel, Pomodoro, Goldapfel, oder Paradiesapfel – in Österreich heute noch Paradeiser – wurde die ursprünglich kleine helle Tomate genannt. In ihrer Heimat, den Anden, hieß sie bei den Azteken wiederum zweideutig Tomatl (Schwellfrucht) – denn man schrieb den prallen Früchten eine aphrodisierende Wirkung zu. Entdeckt wurde die Pflanze von spanischen Konquistadoren im 16. Jahrhundert. Ihren Weg auf den europäischen Kontinent fanden die Samen mit Hernán Cortés über Mexiko – wo Tomaten wie in Peru ein Symbol des Glücks sind und deshalb in all ihren pikanten Variationen bei keinem Hochzeitsbankett fehlen dürfen.

Obwohl im Mittelmeerraum die Frucht mit der nie gesehenen Farbe und dem fremden Geschmack ausgezeichnet gedieh, wurde sie lange Zeit nur zur Zierde in den Gärten der Adligen angepflanzt, denn das Nachtschattengewächs galt als äußerst giftig. Auch in Neapel, einst spanische Kolonie, hatte die Tomate keinen kulinarischen Erfolg. Sie wurde auf den Balkon verbannt und sollte mit ihrem Duft die Insekten vertreiben. Als dann Mitte des 18. Jahrhunderts in Spanien das erste Rezept für einen Gazpacho mit Tomaten und dann auch in Italien die Tomatensauce auftauchte, wusste man beide sogleich hervorragend in die Ernährung zu integrieren – was die Gastronomie der Länder enorm beeinflusste und der Tomate einen richtigen Aufschwung bescherte.

Andernorts sollte es allerdings noch eine Weile dauern. Noch Ende des 19. Jahrhunderts kursierten in England Rezepte, die empfahlen, Tomaten mindestens drei Stunden zu kochen, um jegliche Vergiftung zu vermeiden. Und auch in Amerika selbst hielt sich hartnäckig das Gerücht um die Ungenießbarkeit der Tomate, bis man in der kreolischen Küche der Südstaaten mit der Frucht zu experimentieren begann.
Die Erfindung des Tomatenketchups durch Henry John Heinz 1876 in einem Garten in Pennsylvania brachte schließlich den Durchbruch. Der Beginn der industriellen Verarbeitung von Tomaten machte Ketchup zur vielleicht beliebtesten Sauce aller Zeiten und die rote Gartenfrucht in der ganzen Welt bekannt.

Vielleicht ist ihre große Beliebtheit das Problem. Weil eine sonnengereifte Tomate so aromatisch und vielseitig ist, will man sie das ganze Jahr über haben. Deshalb werden heutzutage weltweit Millionen Tonnen Tomaten kultiviert, ohne dass man an eine Saison gebunden wäre, denn die verlängert sich in den Wintergärten, den so genannten Invernaderos, beliebig, wo die Früchte unter Plastik wachsen. Mit dem Ergebnis, dass Farbe und Geschmack darunter leiden. Treibhaustomaten sind überhaupt nicht zu vergleichen mit einer ausgereiften Tomate aus dem eigenen Garten, weshalb im Winter Konserven oder getrocknete Früchte immer noch die bessere Wahl sind.
Zwar wird versucht, mit alten traditionellen, unmanipulierten Sorten an die alte Zeit anzuknüpfen – etwa mit der runzligen Montserrat oder der hervorragenden Raf, aber noch sind wenige bereit, den vier- bis fünffachen Kilopreis zu zahlen.

Rotgrüne feste Salattomaten, längliche, kernarme Flaschentomaten, Cocktail- bzw. Kirschtomaten in allen Formen und Farben; kleine runde Tomaten mit glatter Haut; Strauchtomaten – die farbenfrohen Klassiker stammen vornehmlich aus den andalusischen Provinzen Almería, Málaga und Granada; außerdem aus Murcia, der Comunidad Valenciana und Cáceres sowie den Kanarischen Inseln. Tomaten werden im ganzen Mittelmeerraum und da besonders in Italien kultiviert. Doch auch die USA sind große Produzenten und wegen seines heißen und regenarmen Klimas ebenfalls Marokko.

Die Tomate ist ein Allroundtalent. Sie lässt sich roh essen, einlegen, braten, kochen, frittieren, füllen, grillen, konfitieren und schmoren oder zu Saft, Suppen, Pürees Brühen, Kompott, Saucen etc. verarbeiten. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil unzähliger Speisen und die ideale Begleitung vieler Fleisch- und Fischgerichte.
Ein Klassiker ist die frische Tomate, nur gewaschen, dann halbiert und mit Meersalz und bestem Olivenöl genossen. Zum Reinbeißen!
In der Tat gibt es eine unendliche Anzahl regionaler Rezepturen, die ohne Tomate überhaupt keinen Sinn machten. Wie etwa das Gemüsegericht Pisto, das Pan amb tomaca, das katalanische Tomatenbrot, oder der andalusische Gazpacho. Vor der Entdeckung von Tomate und Paprika hat man in den südlichen Regionen Spaniens die kalte Suppe eben mit Öl, eingeweichtem Brot, Knoblauch und Essig zubereitet – ein typisches Bauerngericht, erfrischend in der Hitze des Sommers.

Fehlen darf auch nicht der mediterrane Brauch, Tomaten an der Sonne zu trocknen und dadurch haltbar zu machen. Besonders präsent ist das hierzulande in der Levantiner und Mallorquiner Küche. Im Ursprungsgebiet der Tomaten, den Anden, kannte man schon vor Jahrhunderten ein heute wieder überaus aktuelles Verfahren, um Kartoffeln und eben auch Tomaten haltbar zu machen. Die Früchte wurden während der Nacht gefroren und dann gepresst, um alle Feuchtigkeit herauszuholen. Anschließend wurden sie in Wind und Sonne getrocknet. Im 21. Jahrhundert nennt man diese uralte Methode gefriertrocknen, eines der modernsten Verfahren der Haltbarmachung unserer Zeit.

Baguette mit Tomate, Sardelle und Avocado
Ein frisches kreatives „Bocadillo“ mit dem schwabbligen Inneren, das noch die Kerne enthält – und, warum auch immer, so häufig verschmäht wird.
Für 4 Bocadillos: 2 schmale Baguettes, 2 Avocados, 8 Sardellenfilets, 2 Frühlingszwiebeln, 2 halb reife Tomaten, 4 EL Öl mit schwarzen Oliven aromatisiert (z.B. von Borges)
Die Avocado halbieren, Stein entfernen, das Fruchtfleisch zur Creme verarbeiten.
Die Frühlingszwiebeln in Scheiben schneiden. Sehr vorsichtig den weichen Teil der Tomaten mit den Kernen herauslösen, den Rest kann man beispielsweise für einen Salat verwenden.
Das in der Mitte durchgeschnittene Baguette mit der Avocadocreme bestreichen. Das Tomateninnere, Frühlingszwiebeln und Sardellen auf der Avocadocreme anrichten, zum Schluss mit dem aromatisierten Olivenöl beträufeln.

Superpizza
Eine Pizza pflegt man in der Regel nicht zu Hause zuzubereiten, das dauert zu lange und ist für die meisten zu schwierig. Nun kann man aber auch aus einer einfachen Pizza vom Supermarkt oder der Pizzeria etwas ganz Besonderes machen. Man bestellt sich eine Pizza Margarita. Während man auf sie wartet, kann man schon den Rest der – nur besten – Zutaten vorbereiten.
Zum Beispiel ein paar feine Kirschtomaten in etwas Olivenöl anschwitzen. Die Haut abziehen und einen frischen Büffelmozzarella in Scheiben schneiden. Wenn die Pizza zu Hause ankommt, Kirschtomaten und Mozzarella drauflegen, für fünf Minuten in den schon vorgeheizten Ofen schieben. Zum Schluss ein paar Basilikumblätter auf der Pizza verteilen und mit einem Schuss Olivenöl und ein paar Tropfen pikantem, mit Pfefferschoten aromatisiertem Öl versehen. Fertig ist die Superpizza!
Für das Öl Pfefferschoten klein schneiden und zwei Tage in Olivenöl ziehen lassen – aber nicht im Kühlschrank!

Bon profit!

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