vonKarim El-Gawhary 09.05.2010

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Über einen Monat ist es nun her, dass die Iraker ihr Parlament gewählt haben. Doch nur wenige Monate bevor die US-Truppen im Sommer dort abziehen, hängt die Zukunft des Landes immer noch in der Luft. Zwar dürfte der neue Zusammenschluss der beiden schiitischen Blöcke im Parlament den Regierungschef stellen, aber sie können sich nicht auf einen Namen einigen. Nun sollen die Ayatollahs und Teheran helfen.

VORGESCHICHTE

Der Ausgang der Wahlen brachte kein eindeutiges Ergebnis, weil keine der Listen als klarer Sieger hervorging. Die säkulare Irakyia-Liste Ayad Alawis gewann nur mit wenigen Sitzen Vorsprung. Doch letzte Woche hatten sich die beiden schiitischen Gruppierungen, die Liste der Rechtsstaatlichkeit, des bisherigen Premiers Nuri Al-Maliki (aus den Wahlen als zweitstärkste Gruppe hervorgegangen) und die „Irakische Nationalallianz des radikalen Predigers Muqtada al-Sadr (drittgrößte Partei) zu einer Koalition zusammengeschlossen. Die säkulare Irakya-Liste mit Ayad Alawi, der Lieblingskandidat Washingtons und der arabischen Nachbarn für den Posten des Premiers, scheint damit ausgebootet. (Siehe dazu meinen Bericht)
Der neue schiitische Block bildet nun die mit Abstand größte Allianz im 325 Sitze umfassenden Parlament und braucht nur noch vier weitere Abgeordnete auf seine Seite zu ziehen, um die Mehrheit und damit den Ministerpräsidenten zu stellen.
Doch mit der Ernennung eines Kandidaten aus den Reihen des neuen schiitischen Doppelblocks ist das so eine Sache. Das Zweckbündnis hat große Probleme sich auf einen neuen Regierungschef zu einigen.

Der bisherige Ministerpräsident Nuri Al-Maliki, der die Liste der Rechstaatlichkeit anführt, ist unter den Anhängern seines Koalitionspartners Muqtada Sadr verhasst. Nicht zuletzt, weil Al-Maliki die irakischen Sicherheitskräfte im Frühjahr 2008  angewiesen hat, gegen Sadrs Milizen, die Mahdi Armee, in Basra und Sadr City vorzugehen. Das haben die 38 Abgeordneten Muqtada Sadrs nicht vergessen.

Und jetzt?

Laut einem Bericht  arabischen Tageszeitung Al-Hayat, soll die iranische Regierung, der Sponsor des irakischen Doppelblocks, darauf drängen, dass Al-Maliki Ministerpräsident bleibt. Sie soll auf Muqtada Sadr Druck ausüben, der sich gegenwärtig auf einem schiitischen Seminar in der iranischen Stadt Qom befindet. Der bleibt aber bisher hartnäckig in seiner Ablehnung Al-Malikis.
Wenn keine interne Entscheidung auf einen Ministerpräsidenten zustande kommt, soll es Pläne geben, das ganze Parlament auf der Suche nach einem Regierungschef einzubinden. Der bei vielen Abgeordneten verhasste Al-Maliki hätte dort wahrscheinlich keine Chance.
Es wurde im schiitischen Doppelblock sogar die Idee vorgebracht, dass Großayatollah Ali Al-Sistani einen Rat schiitischer Weiser bilden sollte, die sich auf einen Kandidaten einigen sollten. Ein Hinweis, wie sehr Politik und Religion im Irak miteinander verwoben sind. Nach dem Motto: Wenn sich die Politiker nicht auf einen Premier einigen können, dann muss der Ayatollah ran.
Und wenn nicht auf den Ayatollah, dann blicken die Politiker der schiitischen Blocks weiter gen Teheran auf der Suche nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation. Sie alle haben dort ihre Verbindungsleute und die Gespräche um einen neuen irakischen Regierungschef werden im Iran fortgesetzt.
Das ist wohl die Ironie in der Ganzen Geschichte. Die Amerikaner ziehen aus dem Irak aus und deren Rivale in der Region, der Iran richtet es sich dort gemütlich ein. Und statt wie zu Besatzungszeiten in Washington, wird der neue irakische Premier in Teheran ausgehandelt.

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