vonElisabeth Wirth 23.09.2009

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Es sind nur noch wenige Tage bis zur Bundestagswahl. Überall Wahlzirkus – im Fernsehen, in den Zeitungen, auf den Straßen.Damit dieser Blog nicht ganz ohne aktuelles Tagesgeschehen auskommen muss, habe ich mich heute auf den Weg zu Annette gemacht.

Annette ist die parteilose Direktkandidatin für Neukölln. Ihre Plakate hängen seit ein paar Wochen im Reuterkiez und heben sich, aufgrund ihrer Machart, definitiv von der Masse an Wahlplakaten der großen und kleinen Parteien ab. Sie zeigen eine illustrierte Annette, die den Erhalt und die Schaffung von kreativen Freiräumen, gelebtes Multikulti, „MeinGeld“ (bedingungsloses Grundeinkommen), den Erhalt der Bäume am Maybachufer, einen kinderlieben Kiez, den Ausstieg aus der Atomkraft oder gleichen Lohn für Männer und Frauen fordert.

Um 14:00 Uhr stehe ich unangemeldet in der Musenstube – Atelier, Galerie, Wahlkampfzentrale. Annette Köhn, wie sie mit vollem Namen heißt, sitzt am Computer und erklärt sich zu einem sofortigen Interview bereit. Vor zwei Wochen hat die „Bild“ bei ihr angerufen, zu einem Gespräch hat sie klugerweise „Nein“ gesagt. Ursprünglich kommt Annette aus Erlangen, lebt seit 10 Jahren in Berlin und seit 5 Jahren im Reuterkiez. „Ich habe mich eigentlich schon immer politisch gefühlt, auch wenn ich mich nicht explizit politisch engagiert habe. Man macht sich ja aber seine Gedanken und hat eine Meinung. Ich finde, man ist einfach politisch, wenn man in einer Gesellschaft zusammen lebt.“ Ihre Arbeit u.a. das Förderprojekt „Kreative Medienkompetenz“ für Frauen mit Migrationshintergrund, Zusammenarbeit mit Schülerinnen der Rütli-Schule oder auch die Musenstube betrachtet die gelernte Grafikdesignerin, als kulturpolisches Engagement.

Vor einem Jahr wurde sie gefragt, ob sie nicht für die Bergpartei antreten würde. Nach einem kategorischen „Nein“ folgte wenige Recherche- und Überlegtage später ein kategorisches „Ja“. Überzeugt hat sie die Idee des oben schon erwähnten bedingungslosen Grundeinkommens, was von ihr prägnant und für manch einen vielleicht provokativ „MeinGeld“ genannt wird. „Ich dachte auch, dass ich als Kandidatin legal Plakate hängen und diese als Sprachrohr nutzen kann. So bewegt man ja auch schon etwas in den Köpfen der Mitbürger.“ Nachdem der Entschluss in die Politik zu gehen im Herbst 2008 gefallen war, wurden flugs 200 Menschen gesucht und gefunden, die ein Formular, den Wahlvorschlag, für Annette als Direktkandidatin ausfüllten. So landete ihr Name auf den Wahlzetteln. Geworben wird mit kleinen Wahlfangzetteln, den 150 Plakaten, welche 17 Motive umfassen und von denen doch jedes ein Unikat ist, da sie noch bunt bemalt wurden, mit Buttons und „MeinGeld-Scheinen“.

Auch wenn ihre Themen zum Teil auf den Kiez abzielen findet Annette, dass sie ebenso auf andere Kieze übertragbar sind. „Woanders gibt es zum Beispiel ja auch zu wenige Fahrradwege.“ Ihre Plakatslogans sollen die Leute zum Nachdenken anregen. Beim Thema gelebtes Multikulti findet sie, dass die Politik dafür die Rahmenbedingungen schaffen kann und soll, aber die Menschen das auch selber machen müssen.

„Ich habe die Plakate auch selbst aufgehängt und so kam ich sofort mit den Passanten ins Gespräch und konnte Fragen beantworten. Einige haben nach wenigen Minuten gesagt: Super, ich wähl dich.“

Idealistisch gesehen könnte sie schon in wenigen Wochen im Bundestag sitzen, realistisch gesehen wünscht sie sich mindestens 1000 Stimmen. „Toll wäre, wenn ich mehr Stimmen als Yusuf Bayrak (ein anderer Neuköllner Direktkanidat – Anmerkung der Bloggerin) bekäme. Da könnte man sehen, dass nicht die Masse an Plakaten die Stimmen einfährt.“

Nach der Wahl, auch wenn Annette nicht gewinnen sollte, will sie sich weiter engagieren. Sie hat durch ihren Wahlkampf Kontakt zur Bürgerinitiative für bedingungsloses Grundeinkommen bekommen und glaubt, dass sich daraus noch viel entwickeln kann.

„Und dann muss ich auch wieder richtig arbeiten. Im Moment herrscht bei mir Auftragsstau, denn Wahlkampf raubt viel Zeit.“

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