In Sachen digitales Geld ist Deutschland im Mittelalter steckengeblieben. Während in Skandinavien selbst der Klingelbeutel im sonntäglichen Gottesdienst durch ein Karten-Terminal ersetzt wurde, kramt man hier in Deutschland behäbig aber beständig die Centstücke aus dem Geldbeutel.
Das alles soll besser werden mit dem Bezahlen per Smartphone. Es muss für Apple und Google eine Odyssee durch die deutsche Bankenlandschaft gewesen sein – gemessen an dem Zeitraum, den es für die Einführung gebraucht hat. Google Pay ist im Juni diesen Jahres gestartet. Apple Pay startet noch dieses Jahr, die ganze deutsche Techszene wartet darauf. Ein halbes Jahrzehnt nachdem die Technik dafür fertig war.
Endlich die schöne neue Welt, möchte man meinen. Doch ein paar Dinge sind gar nicht mal so toll.
Der Monopolist Apple verdient mit am Zahlungsverkehr
Smartphonedienste, die nicht direkt von einer Bank kommen, fügen noch einen weiteren geldverdienenden Player der ohnehin schon langen Verwertungskette hinzu. Der Standard dürfte so aussehen: Der Konsument hat ein Girokonto bei einer traditionellen Bank, davon bucht monatlich MasterCard oder Visa den Kreditkartenumsatz ab. Obendrauf kommt dann noch Google oder Apple als Vermittler der Kreditkartenzahlung — beide nicht gerade dafür bekannt, sich mit kleinen Margen zufrieden zu geben. Die Gebühren werden in Summe steigen.
Und zumindest Apple gönnt sich aus der Monopolstellung heraus, sowohl Hersteller von iOS als auch von der Hardware zu sein, frech ein exklusives Privileg: Nur das Produkt Apple Pay darf derzeit mit dem NFC-Chip des iPhones reden, der zum Bezahlen notwendig ist. Apps anderer Banken können die eigentlich offen spezifizierte Schnittstelle nicht nutzen, sondern müssen zwangsläufig den Weg über Apple Pay gehen. Wenn sich die europäischen Banken nicht völlig doof anstellen, wird ein EU-Gerichtsurteil diese sowohl technisch als auch wirtschaftsethisch sehr zweifelhafte Kopplung aufbrechen.
Etwas Positives kann aber zumindest Apple der Kette hinzufügen: Verbesserte Sicherheit und Privatheit. Mit der kryptografischen Architektur von Apple Pay kann weder Apple noch irgendein Shop eine Verkaufshistorie anhand der Kreditkartennummer aufbauen, weil immer nur einmal gültige Codes anstatt der echten Kreditkartennummer übertragen werden.
Der Einzelhandel lässt sich abzocken
Es vergeht kaum eine Woche, in der irgendein lokaler Einzelhändler meine Kreditkarte nicht akzeptiert. Und das wird mit dem Smartphonebezahlen nicht besser, sondern eher schlechter werden. „Ab 10 Euro“, heißt es da. Oder auch sehr beliebt „Wir nehmen nur Ehzehkarten“. Gemeint ist damit das durch und durch urdeutsche Girocard oder das archaische Lastschriftverfahren. Warum? Weil der unbedarfte Einzelhändler an der Ecke sich von seiner Hausbank ausnehmen lässt — und in der Folge die teuren Transaktionsgebühren zu Lasten der Kunden meidet. Die hiesigen Alt-Banken verlangen für die internationalen Quasi-Monopolisten Visa und MasterCard horrende Gebühren. Dass es diese Monopole gibt, ist freilich Mist. Dass die lokalen Banken aber verzweifelten Protektionismus für das schlechtere eigene Produkt machen, ist nicht minder schwachsinnig. Und alles geht zu Lasten des kleinen Einzelhändlers und dessen Kunden.
In der Tradition dieses Protektionsmus kommt es nicht überraschend, dass die beiden größten deutschen Bankenverbünde mit erheblichen Vorbehalten gegenüber Apple Pay (nicht) ins Rennen gehen. Die VR-Banken „prüfen“. Die Sparkasse will gar nicht mitmachen. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar, weil die Sparkasse zurecht mit der nicht offenen Schnittstelle zum iPhone NFC argumentiert. Wäre die offen, könnte die Sparkassen-App ohne Apple als Zwischenhändler agieren.
Lifestyle ist nicht sparkassenrot
Das Problem ist dann aber, dass die Sparkasse eine lange Tradition unglaublich schlechter Apps und Produkte hinter sich hat, die kein mit Qualität verwöhnter Benutzer gegenüber Apple Pay vorziehen wird. Die UX der bestehenden Apps ist eine Katastrophe, bis heute werden moderne Mechanismen wie der Fingerabdrucksensor nicht verwendet. TANs wurden 2017 und werden vermutlich auch noch heute mit unsicherer Inter-App-Kommunikation übermittelt. Und dabei gibt es seit Abschaffen der TAN-Listen genau keinen Grund mehr, an diesem unsäglichen Antipattern der digitaler Sicherheit festzuhalten. Und kennen Sie Kwitt? Was das genau ist, weiß vermutlich die Sparkasse selbst nicht. Als eine undefinierbar Mischung von N26 MoneyBeam und PayPal angetreten, spielt es unter den modernen Zahlungsmethoden kaum eine Rolle.
Das größte Problem aber: Die urdeutschen Banken haben nicht verstanden, dass der moderne Kunde Bankgeschäfte als Teil seines Lifestyles sieht. Wenn das Bezahlen von Konsum auf einer absurden Metaebene selbst ein Konsumprodukt ist, ist das gesellschaftlich betrachtet eine Katastrophe. Es ist aber Fakt. Apple und Google haben das verstanden und in ein Produkt gegossen, ebenso das new kid on the block N26. Bezahlen ist Lifestyle. Im kulturellen Akt der Bezahlung möchte der Zahlende sich wiederfinden, wohlfühlen und Sicherheit wahrnehmen. Die Haptik und das Aussehen der Kreditkarte, die Bedienung der App, ein elegantes und hochwertiges Produkt, bequeme digitale Prozesse. Das alles fühlt sich anders an als Sparkassen-Rot und VR-Blau. Apple hat hier ein Heimspiel.
Apple Pay und Google Pay sind gute und durchdachte Produkte. Sie machen vieles richtig — sowohl in der sichtbaren Benutzerfreundlichkeit als auch im kryptografisch abgesicherten Backend. Und wenn die deutschen Banken da mitspielen wollen, dann liegt die Messlatte gewaltig hoch. Die reißt man nur mit Innovationskraft und neuen Ansätzen. Da man hierfür im Land der Ingenieure sicher noch viele viele lange Jahre brauchen wird, kann derweil ein europäisches Gericht die Sache mit dem nicht nutzbaren NFC-Chip im iPhone abschließend klären.
Spiegelt im Prinzip komplett meine Gedanken wieder. Super Artikel, bezahlen ist nun mal Lifestyle geworden. Ob man das nun gut oder schlecht findet sei erstmal dahingestellt. Ich als Kunde möchte aber so einfach und schnell wie möglich bezahlen und das geht momentan nun mal nur per NFC. Da haben wir in Deutschland definitiv den Anschluss verpasst, die Frage ist halt ob wir das jemals wieder aufholen können.