vonEva C. Schweitzer 04.05.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Normalerweise bin ich nie in New York, wenn etwas Aufregendes passiert — 911, der Blackout, explodierende Fernwärmerohre, im Fluss landende Flugzeuge — sondern sitze auf irgendeinem  Flughafen fest oder sonstwo, aber die Bombe am Times Square habe ich mitbekommen. Ich guckte die eigentlich recht lustige Rede unseres Präsidenten beim Washingtoner Korrespondentendinner, und als ich auf MSNBC umschaltete, stellte ich fest, der Times Square ist gesperrt.

Wie der Zufall so spielt, wohne ich am Times Square. Ich quälte mich also vom Sofa, hing mir eine Kamera um und lief zum Platz. Dort tobte das Leben. Touristen fotografierten einander staunend vor einem Aufgebot aus Polizeiabsperrungen und Bombemsuchfahrzeugen, ein Mann wedelte mit einem Schild „Das Ende ist nahe“, nur die berühmten Bright Lights versagten komplett. Auf dem Reuters-Newscreen lief Reklame, das Leuchtband des Wall Street Journal brachte Sportnachrichten, und der Fox-Bildschirm war ganz abmoniert. Vielleicht ist er explodiert, weil Glenn Beck aufgetreten ist.

Nun wollen alle wissen, wer war’s. Die Linken vermuten einen Teabagger im Oklahoma-Bomber-Style, die Rechten einen islamischen Terroristen, und die Verschwörungstheoretiker fragen sich, wie ein Auto überhaupt am Samstag abend einen Parkplatz am Times Square finden konnte. Erstaunlich, dass unklar ist, wer in dem Auto saß, obwohl in der Gegend mehr Sicherheitskameras hängen als im Wembley Stadion. Es gibt die Theorie, dass pakistanische Taliban dahinterstecken, das vermutet zumindest die dem Mossad nahestehende Website Site Intergroup,  die von der Exilirakerin Rita Katz gegründet wurde. Seltsamerweise wird Mahmoud Ahmadinejad nicht verdächtigt, der ist nämlich auch gerade im Städtchen. Aber wahrscheinlich war es Glenn Beck.

Erstaunlich auch, dass die Täter schlau genug waren, alle Spuren zu verwischen, aber zu dämlich, die eigentliche Bombe zu bauen. In der gleichen Nacht, so gegen vier, rief ein Informant bei der Polizei an und sagte, dies sei nur ein Ablenkungsmanöver, ein sehr viel größerer Schlag stehe bevor, aber mir ist nicht bange. Weil, wenn der kommt, sitze ich wahrscheinlich wieder auf irgendeinem Flughafen fest.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/disaster_area/

aktuell auf taz.de

kommentare