Trans*sein ist seit der Debatte um das Selbstbestimmungsgesetz so präsent in unserem bundesdeutschen Bewusstsein wie nie zuvor. Erst vor kurzem gab es einen Vorfall, der Deutschland kurzfristig mit Ungarn in Verbindung gebracht hat. Maja, die nicht-binäre Antifaschist*in wurde trotz Protesten an das ungarische Justizsystem übergeben.
Bevor ich genauer auf die Entwicklung der trans* Rechte in Ungarn eingehe, möchte ich auf die Gefahren hindeuten, die Maja ausgesetzt sein könnte. Wie schon im taz Artikel vom 2. Juli erwähnt wurde, arbeitet die ungarische Regierung seit Jahren an dem Abbau des Rechtsstaates und schränkt durch verschiedene Gesetzen die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz ein.
Bevor es überhaupt zu einer Verurteilung kommen wird, muss die inhaftierte Person ihrem Geburtsgeschlecht entsprechenden JVA untergebracht werden, wodurch keinerlei transspezifische Sicherheitsaspekte beachtet werden, wie z. B. dass man als trans* und nicht-binären Person einem erhöhten Gewaltpotenzial ausgesetzt ist. Daneben bestünde die Gefahr im Fall Maja, dass es zu einem politisch motivierten Urteil kommen könnte und gleichzeitig die Fortsetzung der Unterbringung in einem JVA bei der Geburt zugewiesenen Geschlechtes angeordnet werden könnte.
Durch diese gefährliche Entscheidung im Falle Maja hat die ungarische trans* Community zusätzlich Aufmerksamkeit bekommen. Mir ist es wichtig, auch wegen Maja und wegen der SBGG-Debatte nochmal zu thematisieren anhand des Beispiels Ungarn, wie schnell man wieder hart erkämpfte Rechte verlieren kann.
Ungarn war noch bis Mitte der 2010er Jahren sehr fortschrittlich für den mittel-osteuropäischen Raum, was die Namens- und Personenstandsänderung angeht. Man musste lediglich drei Gutachten (psychiatrische, fachpsychologische und urologische/gynäkologische) beim Budapester Landgericht einreichen, das dann die Erlaubnis zur Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrages erteilt hat.
Nachdem Viktor Orbán 2010 Ministerpräsident geworden ist, zeichnete sich sehr schnell ab, dass er eine offen, queerfeindliche Politik einschlagen wird. Das begann durch das Verfassungsverbot der gleichgeschlechtlichen Ehe im Jahr 2012 und zeigte sich weiter dadurch, dass aus unerklärlichen Gründen das Landgericht Budapest 2016 aufhörte, die Anträge auf die Vornamens- und Personenstandsänderung zu bearbeiten. Später beriefen sie sich darauf, dass sie aufgrund des fehlenden Datenschutzes Fälle nicht hätten bearbeiten dürften.
Bis Anfang 2020 hatte ich persönlich noch Hoffnungen, dass die Blockade von Seiten der ungarischen Behörde aufgehoben werden würde und ich in Ungarn als Frau geführt werden könnte. Doch dann kam der Lockdown und die Koalitionspartner der FIDESZ-Partei, die KDNP (Christlich-Demokratische Volkspartei), nutzte die Ausgangssperre und Notlage aus, um ein Gesetz zur Änderung des ungarischen Grundgesetzes einzureichen.
Es sollte §33 des Grundgesetzes geändert werden, sodass künftig das Geburtsgeschlecht in der Geburtsurkunde nicht mehr nachträglich geändert werden kann. Trotz europaweiter Kritik wurde das Gesetz im Mai 2020 mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen und vom Staatspräsidenten János Áder (FIDESZ) unterzeichnet.
In mir ist eine Welt zusammengebrochen, wie wahrscheinlich in vielen in der ungarischen trans* Community. Es war klar, dass denen, die nach dem 29. Mai 2020 ihren Geschlechtseintrag und Vornamen ändern wollen, diese Möglichkeit für eine sehr lange Zeit verwehrt bleibt.
Unser Leben geht weiter, gleichzeitig werden wir gezwungen, in einer fremden Identität leben zu müssen und die Welt schaut zu.
Quellen:
https://hatter.hu/tevekenysegunk/jogsegelyszolgalat/jelentosebb-ugyeink/33-paragrafus
https://24.hu/belfold/2023/06/22/emberi-jogok-europai-birosag-strasbourg-jogserto-magyar-transztorveny-lmbtq/