von 17.04.2010

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Allzu oft scheinen deutsche Volksvertreter nicht mehr als die Marionetten unsichtbarer Lobbyisten-Puppenspieler zu sein. Wer wen an der langen Leine führte, erkennt der Wähler erst wenn der wohlfeile Politiker nach seiner Abwahl im Vorstand von EON, Pfizer oder Gasprom Zuflucht findet.

„Externes Expertenwissen“ hat sich in den letzten Jahrzehnten einen derart schlechten Ruf erarbeitet, dass die Parteien verlernt haben, öffentlich Schwächen einzugestehen und um Hilfe von „Profis“ zu bitten.
Ganz auf Fachleute und Spezialisten zu verzichten funktioniert, wie unlängst hinreichend mit virtuellen Sperrschildern bewiesen, indes auch nicht.

Zum Glück gibt es „Nachwuchs“ in der Parteienlandschaft, der die althergebrachten Regeln des deutschen Parlamentarismus nicht mit der Muttermilch aufgesogen hat. Die Piraten machen vieles anders – Manches falsch, aber eben manches auch richtig!

Ein aktuelles Beispiel für eine gute Idee der Piraten, die sich Christ- und Sozialdemokraten schon zu denken verboten hätten, für die die Liberalen keiner bezahlen wollte und von der Grüne und Linke noch immer warten, dass sie ihnen selbst kommt, ist es die an einem Parteiantrag beteiligten „Experten“ für jeden ersichtlich zu benennen.

Auch mein Name taucht inzwischen in der Antragsfabrik auf. Gemeinsam mit Hans Cousto (Eve&Rave e.V.) und Jan Ludewig habe ich mit den Berliner Piraten Benjamin Meyer und Heide Hagen einige Abende daran gearbeitet die suchtpolitische Lücke im Programm der Piratenpartei zu schließen.

Suchtpolitik, so waren sich die Berliner Antragsteller und „wir Berater“ schnell einig, beginnt vor der eigenen Haustür. Wer versucht, den Herausforderungen des Rauschmittelkonsums weiter Teile der Bevölkerung einseitig mit Abstinenzforderungen und Repression zu begegnen, muss scheitern, wie seine geistigen Väter in den letzten 60 Jahren scheiterten – auch darin stimmten wir überein.

Diese Gemeinsamkeiten kurz, prägnant und allgemein verständlich in piratentaugliche Sprache zu kleiden, war indes ein zäher Kampf. Entstanden ist ein suchtpolitisches Grundsatzprogramm, dass auf dem Bundesparteitag der Piratenpartei in Bingen Mitte Mai zur Abstimmung gestellt wird.

Suchtpolitisches Grundsatzprogramm der Piratenpartei

Von Alters her ist Rausch Bestandteil jeder Kultur. Diese Tatsache erfordert es, sich vorurteilsfrei mit Rauschmitteln auseinander zu setzen, um mit einer pragmatischen Suchtpolitik Schaden von der Gesellschaft abzuwenden.

Die bisherige, repressive, fast einseitig auf Abstinenz abzielende Drogenpolitik ist offensichtlich gescheitert: Sie schuf einen Schwarzmarkt, der weder Jugendschutz noch Qualitätskontrolle kennt und überdies die Rechte von Nichtkonsumenten ignoriert.

Die Piraten folgen einer auf wissenschaftlichen Fakten beruhenden Suchtpolitik, die durch ideologiefreie Aufklärung Eigenverantwortung ermöglicht, Risikokonsumenten Hilfe anbietet und Nichtkonsumenten schützt.
Strafen für lediglich selbstschädigendes Verhalten lehnen Piraten ab.

Begründung
Wir wollen zunächst nur die grundsätzliche Haltung der Piratenpartei zur Suchtpolitik formulieren und den Text kurz halten, da dieser die Grundlage für ein auf wissenschaftlichen Fakten basierendes, suchtpolitisches Grundsatzprogramm ist.

Zudem sprechen wir konsequent von Suchtpolitik, weil die Ursache von Abhängigkeitserkrankungen nicht die gebrauchten Substanzen sind, sondern das Verhalten des Konsumenten. Die Notwendigkeit, von einer reinen Drogenpolitik (Fokus auf die gebrauchten Substanzen) zu einer allgemeinen Suchtpolitik (Fokus auf das Verhalten des Konsumenten) überzugehen, zeigt sich nicht zuletzt in der Verbreitung nichtstoffgebundener Süchte, wie z.B. Spielsucht, Kaufsucht oder Magersucht.

Ideologiefreie Aufklärung bedeutet für uns, sich ohne Vorurteile und erhobenem Zeigefinger mit Sucht auseinander zu setzen.

Gelingt es, den Antrag vom höchsten Gremium der Piraten bestätigen zu lassen, dann steht die Tür für die Piratenlandesverbände weit offen, die programmatisch fortschrittliche Erklärung mit regional abgestimmten Beschlüssen aufzuwerten und zu verfeinern.

Berliner Piraten können den Antrag im Liquid Feedback diskutieren. Nichtberliner und Nichtpiraten lade ich dazu ein, dies im PiratenPad zu tun.

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