Miese Aussichten für psycholytische Psychotherapeuten
Im Prozess um die tödliche Psychotherapiesitzung in Berlin-Hermsdorf stand am Montag Mike, 47, im Zeugenstand. Auch wenn er eine entgleiste Variante beschreibt, geben seine Schilderungen doch interessante Einblicke in den Ablauf einer Psychotherapiesitzung mit Substanzkonsum, auch genannt Psycholyse.
Für 100 Euro, so Mike, wurde den Teilnehmern eine „Intensivsitzung“ angeboten in deren Verlauf zweifach verschiedene psychoaktive Substanzen zur Auswahl standen. MDMA, also Ecstasy und Neocor, auch bekannt als Methylon. Dargereicht vom Psychotherapeuten.
„Er sagte, dass die Stoffe uns zur Verfügung stehen“, sagt Mike und „Jeder sollte sich überlegen, was er an diesem Tag machen möchte, ob er überhaupt Substanzen nehmen möchte und wenn ja, welche“ – „Meines Erachtens hat er darauf hingewiesen, was diese Substanzen bewirken können und auch, dass Nebenwirkungen auftreten können.“ Umfassende Aufklärung fehlte wohl jedoch: „Was es war, weiß ich nicht, welche Inhaltsstoffe da drin sind“, sagt Mike. Er hat Neocor genommen. Ein Blick ins Netz hätte ihn schlauer gemacht.
Die Drogen werden bei den Therapiesitzungen entweder in Kapselform oder als Pulver in Wasser gelöst, gereicht. Mike erklärt: „Wir haben in einem Zimmer gesessen und nach meinem Dafürhalten ist Garri rausgegangen, kam dann nach einer Weile mit einem Tablett wieder rein, dann ist er an den Menschen vorbeigegangen, dann wurden wir aufgefordert es noch eine Weile in der Hand zu behalten und zu überlegen, was wir jetzt machen wollen.“
Mikes Ziel war, „durch Neocor zu einer besonderen Art der Klarheit zu kommen.“ Herausgekommen ist das: „Ich bin sitzengeblieben um alles zu beobachten und dann wird es schwammig bei mir“ – „Menschen krabbelten, andere waren körperlich sehr aktiv oder aufgeregt, haben Töne von sich gegeben“, andere waren „nähe-suchend, ja kuschelig.“
Dann kam der Bruch, zwei Menschen starben. Weil die Verdrängung in den Schwarzmarkt eine genaue Dosierung der Substanzen unmöglich machte. Mike zeigt sich da unbedarft. Als der Richter ihn fragt „Ist ihnen bekannt, dass MDMA unter das Betäubungsmittelgesetz fällt?“, antwortet er: „Nein.“
Der Allerunaufgeklärteste ist jedoch der Staatsanwalt. In der Frage: „Wie wurden sie auf die Sitzungen vorbereitet in der Necomar oder MDA genommen werden sollten?“, schafft er es beide Substanznahmen falsch auszusprechen, obwohl Richter und Zeuge vorher bestimmt eine halbe Stunde lang gekonnt damit jonglierten. Autor und Verteidiger Ferdinand von Schirach verzieht hinter seinem Apple-Laptop angewidert das Gesicht.
„Dann kam der Bruch, zwei Menschen starben. Weil die Verdrängung in den Schwarzmarkt eine genaue Dosierung der Substanzen unmöglich machte“ – Nicht die Verdrängung machte die richtige Dosierung unmöglich, auch nicht ein unter LSD stehender Therapeut, sondern nach aktuellem Stand eine defekte elektronische Waage. Die tragischen Todesfälle gehen also auf eine starke Überdosierung mit MDMA zurück.