vonHans Cousto 18.07.2010

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Juri Wiktorowitsch Fedotow ist ein hochrangiger Diplomat der Russischen Föderation. Fedotow ist ein Karrierediplomat, der 1971 in den Dienst eintrat. In seiner bisherigen Laufbahn hatte er mehrere Posten bei der UN inne und war zwischenzeitlich von 2002 bis 2005 russischer Vize-Außenminister und dann Botschafter in Algerien, Indien und zuletzt in Großbritannien. Im Juli 2010 wurde er von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zum Nachfolger von Antonio Maria Costa als neuer Leiter des UN-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) ernannt. Gleichzeitig wird der Russe auch die Leitung des Uno-Amtssitzes in Wien übernehmen. Als Unter-Generalsekretär wird er damit der höchste UN-Beamte in Wien und wird direkt an Generalsekretär Ban Ki-moon berichten.

Die Ernennung von Fedotow hat rund um den Erdball bei vielen Experten ein wahres Entsetzen ausgelöst, da in Russland wohl die weltweit rückständigste Drogenpolitik praktiziert wird. In Russland gibt es schätzungsweise etwa zwei Millionen Fixer, von denen mehr als die Hälfte mit HIV infiziert ist. Die HIV-Prävalenz hat sich in Russland seit dem Jahr 2001 mehr als verdoppelt. Dennoch unterstützt die Regierung keine Austauschprogramme für Spritzen und die Substitution mit Methadon oder Buprenorphin ist verboten, ja selbst das Werben für Substitution ist nicht erlaubt. Menschenrechte und schadensmindernde Maßnahmen bleiben bei der fundamentalistischen russischen Drogenpolitik außen vor.

Die britische Stiftung für Drogenpolitik »Transform« sieht in der Wahl des russischen Karrierediplomaten zum Leiter des UNODC einen gewaltigen Rückschlag für die internationalen Hilfsprogramme für Drogenabhängige, wie man der Mitteilung vom 8. Juli 2010 »A giant leap backwards as Ban Ki Moon appoints career Russian diplomat as new head of UNODC« entnehmen kann. Der langjährige Korrepondent der Washinton Post, Colum Lynch, schreibt im Turtle Bay unter dem Titel »The Russian war on drugs: Moscow gets a U.N. drug czar«, dass er große Probleme bezüglich der Situation in Afghanistan auf die NATO zukommen sieht, da die Russen großflächig mit biologischen Waffen den Mohnanbau im Lande vernichten wollen ohne Rücksicht auf Umweltschäden und die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung.

Die ungarische Bürgerechtsbewegung »Hungarian Civil Liberties Union (HCLU)« ruft auf ihrer Webseite »Drugreporter« unter dem Titel »We Don’t Want a Russian UN Drug Czar!« dazu auf, dem UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu schreiben und ihn somit dazu zu bewegen, von dem ernannten Russen Fedotow Abstand zu nehmen und eine andere Wahl zu treffen.

Die Wiener Erklärung, eine Alternative zum Fundamentalismus in der Drogenpolitik

Die »Wiener Erklärung« ist eine Stellungnahme, die zum Ziel hat, die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung zu verbessern, indem sie zur Einbeziehung von wissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Bekämpfung illegaler Drogen aufruft. Die Erklärung wurde anlässlich der »XVIII. Internationalen AIDS-Konferenz« (18.-23. Juli 2010 in Wien) von der »Internationalen AIDS-Gesellschaft«, dem »BC Centre for Excellence in HIV/AIDS« sowie dem »Internationalen Zentrum für Wissenschaft in der Drogenpolitik (ICSDP)« initiiert. Sie ist das Ergebnis eines umfassenden Konsultationsverfahrens, an dem international führende Vertreter aus Medizin, Politik und öffentlicher Gesundheit teilgenommen haben.

Die Welt braucht einen neuen Ansatz für den Umgang mit illegalen Drogen. Die vorherrschende internationale Reaktion auf die gesundheitlichen und sozialen Schäden infolge Drogenkonsums besteht in einem globalen »War on Drugs«, der darauf abzielt, die Verfügbarkeit und den Konsum illegaler Drogen mithilfe von Strafverfolgungsmaßnahmen einzudämmen.

Mittlerweile ist jedoch offensichtlich, dass die Strafverfolgungsmaßnahmen in der Drogenbekämpfung ihre erklärten Ziele nicht erreicht haben. Tatsächlich ist es so, dass illegale Drogen weltweit nach wie vor leicht zugänglich sind und dass in den letzten drei Jahrzehnten die Preise für Drogen immer weiter gesunken sind. Darüber hinaus hat das übermäßige Vertrauen in Strafverfolgungsmaßnahmen äußerst negative gesundheitliche und soziale Folgen nach sich gezogen. Dazu gehören auch die Zunahme der organisierten Kriminalität und der damit verbundenen Gewalt, die Ausbreitung von HIV unter injizierenden Drogenkonsumenten sowie andere verheerende Schäden, wie sie in der Wiener Erklärung dargelegt sind.

Der Status quo kann nicht mehr länger toleriert werden: Die Bekämpfung illegaler Drogen muss künftig auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, damit die Gesundheit und das Wohlergehen von Individuen und Gemeinschaften weltweit geschützt und verbessert werden.

Jeder kann der »Wiener Erklärung« mit seiner Unterschrift mehr Gewicht verleihen. Die ehemaligen Präsidenten von Brasilien (Fernando Henrique Cardoso), Mexiko (Ernesto Zedillo) und Kolumbien (César Gaviria) haben neben vielen anderen die Wiener Erklärung unterzeichnet.

Eine weitere Alternative: UNESCO statt UNODC

Bei genauer Betrachtung der Gegebenheiten ist festzustellen, dass immer mehr Menschen durch die wachsenden Auswirkungen des illegalen Drogenhandels sowie der Politik, welche diesen zu kontrollieren versucht, beunruhigt sind. Die globale Entwicklung zeigt, dass der von der von den Vereinten Nationen eingeschlagene Weg zur Drogenkontrolle gescheitert ist. Die Vereinten Nationen sind aufgerufen, folgende Überlegungen, die in der »Grundsatzerklärung:  Das Weltkulturerbe der Psychonautik – ein drogenpolitisches Manifest« festgeschrieben wurden, in Erwägung zu ziehen.

Die derzeitigen Drogenkontrollmaßnahmen sind als ineffizient und nutzlos zu klassifizieren, da sie ein großes Hindernis zur Einführung von neuen Strategien, um das Problem sowohl auf globaler wie auf lokaler Ebene anzugehen, darstellen. Es ist zu befürchten, dass die Verstärkung der aktuellen Politik zu einer Verschlechterung der Drogensituation beiträgt und zunehmend die Glaubwürdigkeit dieser Politik in der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen schwindet.

Drogenpolitik muss sich den Prinzipien einer guten Regierungsführung unterordnen, wie sie in den universalen Menschenrechtserklärungen, in der Konvention über Biodiversität und in anderen internationalen Abkommen zugrunde gelegt sind. Insbesondere sind die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechte sowie das Recht auf kulturelle Vielfalt für alle Individuen zu garantieren. Deshalb wird hier den Regierungen der Welt vorgeschlagen, die Vereinten Nationen dazu aufzufordern, das Politikfeld »Drogenkontrolle« respektive »Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen« der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC) zu entziehen und der Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) anzuvertrauen.

Der Gebrauch psychotrop wirkender Substanzen – dies gilt insbesondere für Psychedelika und Cannabisprodukte – findet im allgemeinen gemeinschaftlich in speziellen Kulturräumen statt und wird von den praktizierenden Psychonautikern als festen Bestandteil ihrer Lebenskultur respektive ihres Kulturerbes angesehen. Die Kunst der Psychonautik wie auch die dazugehörigen Einweihungsriten werden bis heute von einer Generation an die nächste weitergegeben. Die Riten werden von Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt, ihrer Interaktion mit der Natur und ihrer Geschichte fortwährend neu geschaffen und vermitteln den daran teilhabenden Menschen ein Gefühl von Identität und Kontinuität. Auf diese Weise tragen die unterschiedlichen Riten für den Gebrauch unterschiedlich wirkender Substanzen im Bereich der Psychonautik zur Förderung des Respekts vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität bei. Gemäß Definition im UNESCO-Übereinkommen gehören somit die Riten aus dem Bereich der Psychonautik eindeutig zum Weltkulturerbe und gehören somit auch in den Schutzbereich des UNESCO-Übereinkommens.

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https://blogs.taz.de/drogerie/2010/07/18/russe_wird_neuer_chef_der_un-drogenbehoerde/

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kommentare

  • Es wird langsam Zeit, dass sich hier etwas bewegt. Die restriktiven Drogengesetze sind unterm Strich tödlicher als die Drogen selbst. und sie schützen auch die Jugend keineswegs vor dem Einstieg.

    Vertreter des UNODC argumentieren bis heute mit der verlogenen Propaganda von Vorgestern und die Mitgliedsstaaten orientieren sich dankbar daran. Dass die UN Drogenkonvention von 1961 von diesen Mitgliedsstaaten geändert oder aufgehoben wird ist unrealistisch. Dass die prohibitionistischen Lobbies eine Verlagerung zur UNESCO zulassen, wird ein Wunschtraum bleiben.
    Was sind ein paar tausend Tote im Jahr im Krieg gegen Drogen, wen interessiert das Schicksal von kindlichen Drogenkonsumenten und Babydealern, wenn sagenhafte Gewinne der Konzerne und der Drogenmafia auf dem Spiel stehen?
    Das System will den Drogenkrieg und solange das System steht, wird dieser weitergeführt.

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