vonHans Cousto 11.08.2010

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Demagogie (auch: Volksverführung) ist im abwertenden Sinn ideologische Hetze, besonders im politischen Bereich. Im folgenden Artikel wird untersucht, wie erfolgreich die Demagogie in der Drogenpolitik im Allgemeinen ist und im Besonderen bei den Wählern der verschiedenen Parteien.

In dem Bericht von Professor Bernard ROQUES für den französischen Staatssekretär für Gesundheit vom Mai 1998 »Probleme durch das Gefahrenpotential von Drogen« wird klar festgestellt, dass Cannabis als Rauschdroge weniger gefährlich sei als Alkohol. Dennoch hat die französische Regierung ihre Drogenpolitik nicht verändert und nicht den wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst. Der frühere Drogenbeauftragte der britischen Regierung, Professor David Nutt, kritisierte die im Jahr 2008 von der damaligen Innenministerin Jacqui Smith getroffene Entscheidung, Cannabis nach dem Drogenmissbrauchsgesetz von 1971 strenger zu regulieren. David Nutt stellte nämlich fest, dass Cannabis weitaus weniger gefährlich sei als Alkohol oder Tabak. Statt die Drogenpolitik den wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen, feuerte die Regierung David Nutt und ersetzte ihn durch eine opportunistische Person.

Auch in Deutschland kümmert man sich in der Drogenpolitik – dies gilt insbesondere für die Cannabispolitik – recht wenig um neuere wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Erkenntnisse aus der Kleiber-Studie von 1997 oder die Erkenntnisse der Drogen- und Suchtkommission beim Bundesministerium für Gesundheit von 2002 wurden von der Bundesregierung nie umgesetzt. Dafür wurde eine wahrhaft hysterische Kampagne gegen die Konsumenten von Cannabisprodukten (Gras und Haschisch) und die Wege geleitet. Wie stark sich diese demagogische Kampagne auf das Meinungsbild der Bevölkerung in Deutschland ausgewirkt hat, zeigt eine unlängst vom Deutschen Hanfverband (DHV) in Auftrag gegebene Umfrage. Der DHV hat die EMNID-Umfrage, bei der diverse Fragen bezüglich Cannabis gestellt wurden, zusammen mit Partnern in Auftrag gegeben, darunter das Drogenforschungsinstitut INEIDFO und die Landesarbeitsgemeinschaft Drogenpolitik der Grünen Berlin. In der Umfrgae wurden vier Möglichkeiten eines künftigen rechtlichen Umganges mit Cannabis in Deutschland gestellt. Auch im Jahr 2002 wurde von EMNID eine analoge Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse im Vergleich werden hier vorgestellt.

Weiter so mit der Repression
(Hardcore-Repressionisten)

Variante 1: »Der Besitz, auch nur zum Eigenkonsum, sollte wie bisher oder noch strenger in einem Strafverfahren mit möglicher Geld- oder Gefängnisstrafe geahndet werden.« Insgesamt votierten 40% der Befragten für diese repressionistische Hardcore-Variante, vor acht Jahren (2002) waren es nur 36%. Die fundamentalistischen Hardcore-Repressionisten haben in den letzten acht Jahren um 4% zugelegt. Bei den etablierten Parteien lag die Zunahme bei der CDU/CSU mit 10% (von 38% auf 48%) am höchsten, gefolgt von der SPD mit 8% (von 32% auf 40%), gefolgt von den Grünen mit 4% (von 21% auf 25%). Bei den anderen zwei etablierten Parteien hat der Anteil der fundamentalistischen Hardcore-Repressionisten abgenommen, bei der FDP von 23% auf 22% (-1%) und bei den Linken von 42% auf 31% (-11%).

Bußgeld statt Strafe
(Soft-Repressionisten)

Variante 2: »Der Besitz nur zum Eigenkonsum sollte weiter entkriminalisiert werden, also zum Beispiel nur noch als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld verfolgt werden, wie bei einem Verkehrsdelikt, oder durch andere rechtliche Maßnahmen.« Insgesamt votierten 30% der Befragten für diese repressionistische Soft-Variante, vor acht Jahren (2002) waren es noch 36%. Die Soft-Repressionisten haben in den letzten acht Jahren 6% an Anhänger eingebüßt. Bei den etablierten Parteien lag die Zunahme bei der FDP mit 4% (von 43% auf 47%) gleich hoch wie bei den Grünen mit 4% (von 36% auf 40%). Bei den anderen drei etablierten Parteien hat der Anteil der Soft-Repressionisten abgenommen, bei der SPD von 34% auf 33% (-1%), bei der CDU/CSU von 43% auf 30% (-13%) und bei den Linken von 44% auf 23% (-21%).

Repressionisten insgesamt
(Hardcore- und Soft-Repressionisten)

Die Befürworter der Varianten 1 und 2 sind auf jeden Fall für eine Ahndung des Besitzes von Cannabis zum Zweck des Konsums und befürworten repressionistische Maßnahmen gegen Besitzer von Cannabis, die dieses zu Rauschzwecken konsumieren wollen. Insgesamt sank der Anteil der Repressionisten in den letzten acht Jahren vom 72% auf 70% (-2%). Der stärkste Rückgang ist bei den Linken (vormals befragt als PDS) zu verzeichnen von 86% auf 54% (-32%). Mit 54% hat die Linke auch den geringsten Anteil an Repressionisten. Auch bei der CDU/CSU hat der Anteil der Repressionisten abgenommen, von 81% auf 78% (-3%). Bei den anderen drei Parteien hat der Anteil der Repressionisten zugenommen, bei der FDP von 66% auf 69% (+3%), bei der SPD von 66% auf 73% (+7%) und bei den Grünen von 57% auf 65% (+8%).

Geringe Mengen sollen erlaubt sein
(Soft-Liberalisierer)


Variante 3: »Der Besitz und Anbau von Hanf in geringer Menge zum Eigenkonsum sollte ohne jegliche Verfolgung erlaubt sein.« Insgesamt votierten 5% der Befragten für diese freiheitliche Soft-Variante, vor acht Jahren (2002) waren es noch 13%. Die Soft-Liberalisierer haben in den letzten acht Jahren 8% an Anhänger eingebüßt. Bei den etablierten Parteien gab es nur bei den Linken eine Zunahme von 12% (von 5% auf 17%). Bei allen anderen vier etablierten Parteien hat der Anteil der Soft-Liberalisierer abgenommen, bei der FDP von 22% auf 4% (-18%), bei der SPD von 17% auf 3% (-14%), bei den Grünen von 15% auf 9% (-6%) und bei der CDU/CSU von 7% auf 2% (-5%).

Legaler Verkauf in Drogenfachgeschäften
(Voll-Liberalisierer)


Variante 4: »Der Cannabismarkt sollte darüber hinaus – wie bei Alkohol und Tabak – vollständig staatlich reguliert und besteuert werden; mit Verkauf an Erwachsene in speziellen Fachgeschäften.« Insgesamt votierten 19% der Befragten für diese freiheitliche Voll-Variante, vor acht Jahren (2002) waren es noch 13%. Die Voll-Liberalisierer haben in den letzten acht Jahren um 6% an Anhänger dazu gewonnen, am meisten bei den Linken. Bei den Linken gab es die größte Zunahme (+14%) von 9% auf 23%, gefolgt von der FDP mit einer Zunahme von 12% auf 22% (+10%), der SPD mit einer Zunahme von 13% auf 18% (+5%) und der CDU/CSU mit einer Zunahme von 11% auf 14% (+3%). Einzig bei den Grünen war hier eine Abnahme zu verzeichnen (-8%) von 28% auf 20%.

7% der Befragten gaben der Variante 5: »weiß nicht, keine Angabe« den Vorzug, da sie sich nicht entscheiden konnten. Bei allen Werten kann es maximal zu 1% Rundungsdifferenz kommen.

Einfluss der Demagogie in der Drogenpolitik

Nicht alle Menschen sind gleich beeinflussbar, manche mehr, manche weniger. Von Seiten der Regierung wird der Konsum von Cannabis und seine Folgen oft anders bewertet als von Wissenschaftlern. Ja manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, die Regierung kämpfe mit demagogischen und propagandistischen Methoden gegen die Erkenntnisse aus dem Bereich der Wissenschaft. Betrachtet man nun die Veränderungswerte bei der Zustimmung zu den einzelnen Varianten respektive Optionen betreffend die Cannabispolitik, so kann man deutlich sehen, dass bei den Linken die Demagogie am wenigsten erfolgreich zu sein scheint (Anteil Repressionisten insgesamt -32%, stärkere Abnahme als bei allen anderen Parteien) und bei den Grünen offenbar am meisten erfolgreich zu sein scheint (Anteil Repressionisten insgesamt +8%, stärkere Zunahme als bei allen anderen Parteien). Wohl weil die regierungsamtliche Demagogie bei den Linken nicht so richtig wirken will, wird diese Partei vom Verfassungsschutz beobachtet.

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https://blogs.taz.de/drogerie/2010/08/11/hat_demagogie_in_der_drogenpolitik_erfolg/

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kommentare

  • „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
    Danke für den guten Artikel. In den vielen Jahren, in denen ich mich für neue Wege in der Drogenpolitik stark gemacht habe, habe ich vor allem gelernt geduldig zu bleiben. Demagogie wird immer durchschaubarer, ehrliche Aufklärung dafür immer nachhaltiger. In diesem Fall ist das Internet übriges ein Segen, zumindest was die Informationsverbreitung und Meinungsbildung betrifft.

  • Je länger unhaltbare Argumente gegen eine Neuregelung aufgebracht werden, desto größer ist das Lager derer, die eine komplette Legalisierung fordern. Radikalem Bullshit wird entsprechend wehemmt entgegen getreten. Und die „Wenn ich keine Argumente mehr weiß zieh ich meinen Gegenspieler persönlich durch den Dreck“-Taktik einiger größeren Parteien können diese sich auch nur noch bis zur nächsten Umfrage leisten. Die Quittung für Politikverdrossenheit und völliger Entfremdung der Wählerschaft gegenüber. Und spätestens im November geht ein Ruck durch die Medienlandschaft…

  • Vielen Dank für ihren Artikel Hans Cousto.

    Ich leide an Krebs! Sämtliche Medikamente der Pharmaindustrie haben bei mir zum Teil Teil starke Nebenwirkungen ausgelöst und das gewünschte Ergebniss zumindest der Schmerzlinderung war nicht befriedigend.

    Seid Februar dieses Jahres habe ich die Einnahme von Schmerzmedikamente eingestellt und behandle mich mit Cannabis in geringer Dosis mehrmals am Tag. Vor 1 Jahr noch wäre ich der Meinung gewesen dass Cannabis ein Teufelskraut und eine schlimme Droge ist, mittlerweile darf ich sagen dass wir Menschen durch Lügen und bewussten Falschinformationen eines Naturproduktes beraubt werden.

    Wenn man logisch darüber nachdenkt ist es eigentlich eine Frechheit, hier stellt sich die Politik über die Natur, damit bezichtigt man den lieben Gott einen Fehler gemacht zu haben und stellt sich über Gott!

    Besonders positiv ist dass die schmerzlindernde Wirkung bei Cannabis sofort eintritt, ich kann dank dieser Pflanze heute wieder aktiv am Leben teilnehmen. Heilen wird mich Cannabis nicht, aber es macht das Leiden erträglicher und ich kann die wenigen Monate die mir noch bleiben für meine Kinder dasein und Freude am Leben haben. Ich bin auf Grund der Wirkung überzeugt, dass Cannabis auch für viele gesunde Menschen eine positive Bereicherung darstellt. Es ist erwiesen, dass durch das konsumieren von Cannabis die Menschen friedlicher werden, selbst bei der EM in Portugal 2004 und der WM 2010 in Südafrika war es so, dass Sicherheitskräfte „bekiffte“ Fans lieber waren als Alkoholisierte, und aus diesem Grund auch in Ruhe gelassen wurde.

    Cannabis ist in meinen Augen keine Droge, es ist ein Heilmittel, in der heutigen Zeit die von Stress, Gewalt und Egoismus sowie Geldgeilheit doinierten Welt, würde Cannabis zu einer entspannteren und friedlicheren Weltanschauung verhelfen, ein Heilmittel für die Gesellschaft um wieder menschlicher zu werden.

    Derzeit mache ich mich Dank der Gesetzgebung strafbar, und das nur um die letzten Monate für meine Kinder dazusein und die Schmerzwellen unter Kontrolle zu halten wo die künstlichen Drogen der Pharmaindustrie auf ganzer Linie versagt haben.

    Ich würde mir wünschen, wenn Sie Herr Cousto, und die Zeitung taz, an dem Thema dranbleiben und durch ihre Berichterstattung dazu beitragen, dass Menschen sich nicht mehr strafbar machen müssen wenn sie eine von der naturgegebnen Pflanze konsumieren.

    Vielen Dank nochmals an Sie und die taz

    lg Lisa

  • Ja, es ist wirklich zum Heulen, wie die Politik seit Jahrzehnten erfolgreich gegen jeden gesunden Menschenverstand Propaganda gegen Drogen verbreitet. Ich kann den Befragten aus dieser Stichprobe ihre Meinung nicht einmal verübeln: wer selbst keine Erfahrungen mit Drogen gemacht hat, sich nicht mit dem Thema beschäftigt und nur das glaubt, was die Mainstream-Medien und Politik einem so an Infos serviert, der kann ja nur pro Repression eingestellt sein.

    Wer sich aber wenigstens ein flüchtiges Bild darüber macht, wie sehr die UN-Drogenkovention weltweit Schaden anrichtet, MUSS zwingend gegen Repression sein. Repression senkt nicht nur nicht das Angebot und die Nachfrage (eher erhöht sich das Angebot durch die hohen Gewinnspannen, siehe Heroinwellen seit Beginn der Repression), sondern fördert auch in unfassbarem Maße die organisierte Kriminalität. Wann kann ich mit einer taz-Kampagne rechnen, die evidenzbasierte Aufklärung betreibt? In Großbritannien läuft da gerade einiges an: Channel 4 zeigt derzeit eine Dokureihe über den schwachsinnigen „War on Drugs“, The Guardian und The Observer hatten kürzliche größere Artikel zu dem Thema und, ich glaube, auch die BBC zeigt sich kritisch.

    Der spektakulär gescheiterte „War on Drugs“ muss zwingend und möglichst zeitnah beendet werden, das kann aber nur gelingen, wenn die Öffentlichkeit die Fakten kennt und nicht mit ihrem Halbwissen alleine gelassen wird. Von der Politik kann man hier nichts erwarten, das müssen schon die Medien übernehmen.

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