vonHans Cousto 20.01.2013

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Die Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) präsentiert auf ihrer Facebookseite einen kleinen Film (1:48 Minuten) mit dem Titel: „Keine Bevormundung bis an den kleinsten Tresen! – Wir setzen auf den mündigen Bürger.“ Der Film hat folgenden Inhalt:

Zwei Männer sitzen am Tresen und trinken Bier. Im Moment, wo  sie sich eine Zigarette anzünden, erscheint der folgende Spruch im bekannten weißen Rechteck mit schwarzem Rahmen: „Rauchen kann tödlich sein.“ Im Moment, wo sie sich ein weiteres Bier bestellen, erscheint der Spruch im gleichen Design: „Das zweite Bier kann schon schädlich sein.“ Im Moment, wo der eine Mann ein Kartenspiel in die Hände nimmt, erscheint der Spruch: „Glücksspiel kann süchtig machen.“ Die Tageskarte wird auf den Tresen gelegt. Der eine Mann tippt auf die Nordsee-Scholle mit Bratkartoffeln. Es erscheint der Spruch: „Achtung – Seefisch kann Schwermetalle enthalten.“ Der andere Mann tippt auf den Brathering mit Zwiebelringen, Remoulade und Bratkartoffeln. Es erscheint der Spruch: „Weiß Du eigentlich, wie viel Fett in Remoulade enthalten ist?“ Im Moment, wo die Männer aufstehen, erscheint der Spruch: „Vorsicht beim Verlassen des Lokals: Es ist windig und regnerisch.

Nach diesen filmischen Episoden erscheint die Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus aus Schleswig-Holstein und erklärt: „Ein Tresen ist keine Erziehungsanstalt, kein Besserungsheim und schon gar keine Spielwiese für selbsternannte Volkspädagogen, und deshalb brauchen wir auch keine Regulierung bis an den kleinsten Tresen des Landes. Ob nun Warnhinweise, Konsumverbote oder Werbeeinschränkungen, nur soweit unbedingt nötig. Erwachsene Bürger sind selbst in der Lage zu entscheiden. Ich werbe für Toleranz, die Kraft der eigenen Entscheidung und vor allem für eins: gesunden Menschenverstand.“ Christine Aschenberg-Dugnus nimmt ihr Berglas, sagt „zum Wohl“, trinkt das Glas aus und sagt in Richtung Bedienung: „Noch mal eine Runde!

Bei ihrer Rede an der 217. Sitzung des Deutschen Bundestags zu den Anträgen „Legalisierung von Cannabis durch Einführung von Cannabis-Clubs“ – Drs 17/7196, 17/11556 – sowie „Gesundheitliche Risiken des Drogengebrauchs verringern – Drugchecking ermöglichen“ – Drs 17/2050, 17/11911– zeigte sich die Dame von einer ganz anderen Seite. Sie trat als erste Rednerin als Mitglied des Gesundheitsausschusses und Abgeordnete der FDP auf und begann mit den beschwörenden Sätzen: „Cannabis ist und bleibt eine gefährliche Droge, die gravierende Schäden verursachen kann. Studien zeigen, dass Cannabiskonsum und -missbrauch zu erheblichen geistigen Störungen führt.“ Heftiger Applaus bei den Unions- und FDP-Abgeordneten, Zwischenruf von Halina Wawzyniak (Die Linke): „Wie Alkohol!

Darauf folgten die üblichen Sprüche, wie man sie schon häufig von ihrer Parteikollegin, der Drogenbeauftragten des Bundes Mechthild Dyckmans, gelesen und/oder gehört hat. Cannabiskonsum schädige unwiderruflich das zentrale Nervensystem und senke den IQ, deshalb sei Cannabiskonsum schädlich für das Gehirn und könne unter anderem zu Schizophrenie führen. In der Folge betonte sie, dass der IQ umso stärker abnehme, je früher mit dem Cannabiskonsum begonnen werde und betonte die Wichtigkeit des Jugendschutzes. Sie erwähnte jedoch nicht, dass Cannabis-Social-Clubs nur für Erwachsene zur Diskussion stehen und sie erwähnte auch nicht, dass der Konsum von Alkohol gemäß den Studien von Prof. Dr. David Nutt sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft um ein Vielfaches gefähricher sei als der Konsum von Cannabis. Den ersten Teil ihrer Rede schloss sie mit den Worten „Den Realitätscheck hat ihr Antrag auf Rauschsozialismus beim ersten Lesen leider nicht bestanden.

Zum Thema Drug-Checking schien es fast so zu sein, als hätte die Drogenbeauftragte Mechthild Dyckmans die Rede geschrieben „…, dass schon die reine Pille an sich schon sehr sehr schädlich ist.“ Sie verlor jedoch kein Wort über die Forschungsergebnisse von Nutt, gemäß denen der Konsum von Ecstasy etwa achtmal weniger riskant zu sein scheint als der Konsum von Alkohol. In der Schlussphase ihrer Rede bemerkte Christine Aschenberg-Dugnus wörtlich „Ich halte die Drogenpolitik, wie sie in ihrem Antrag formuliert ist,  für schizophren.

Die Haltung von Christine Aschenberg-Dugnus könnte man jedoch weit eher als schizophren bezeichnen, wenn man ihr Statement auf Facebook „… macht sich Gedanken über Verbote im Alltag. Herzliche Grüße an den mündigen Bürger!“ respektive „Keine Bevormundung bis an den kleinsten Tresen! – Wir setzen auf den mündigen Bürger.“ anhört und mit ihren Aussagen vor dem Bundestag vergleicht. An Widersprüchlichkeit ist das Verhalten einer Politikerin kaum zu übertreffen.

Das Pendant zu Sucht und exzessivem Konsum ist nicht Abstinenz, sondern Drogenmündigkeit. Der Wechsel weg von der Abstinenzorientierung hin zur Entwicklung von Drogenmündigkeit erfordert deshalb gezielt einen Prozess der Entwicklung von Methoden zur Vermittlung von Drogenkunde, Genussfähigkeit, Risikomanagement und Kritikfähigkeit in Bezug auf den Umgang mit psychotrop wirkenden Substanzen anzustoßen und zu fördern. Im Ergebnis von Drogenmündigkeit respektive Drogenautonomie entsteht ein integrierter, autonom kontrollierter und genussorientierter Drogenkonsum, der allen Konsumenten von psychoaktiven Substanzen die selbstbestimmte und selbstverständliche Teilnahme am allgemeinen gesellschaftlichen Leben ermöglicht.

Beim Bier tendiert Christine Aschenberg-Dugnus eher zur Narkomanie, bei Cannabis hingegen eher zur Narkophobie. Offensichtlich hat die Frau eine schizoide Einstellung zu Drogen, mal eine manische, mal eine phobische. Eine solche gespaltene Persönlichkeitseinstellung zu Drogen nennt man Schizonarkophobie. Narkomanie scheint auch die totalitäre Phantasie zu beflügeln, denn die allermeisten Schizonarkophobiker projizieren ihre narkophoben Phantasien auf andere Personen und nicht auf sich selbst, sie ziehen also andere Menschen mit ihrer Narkophobie in Mitleidenschaft. Gegen Narkomanie, Narkophobie und Schizonarkophobie gibt es ein Heilmittel, und das heißt Drogenmündigkeit. Deshalb sollte sich Christine Aschenberg-Dugnus mehr mit Drogenmündigkeit und weniger mit dem Verbot des Umgangs mit Cannabis befassen.

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https://blogs.taz.de/drogerie/2013/01/20/drogen-politik-und-schizophrenie/

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kommentare

  • Zunächst soll mal die Leistung des Films, die völlig rückhaltlose, selbstgerechte Praktik mit Verboten, Vorform von Gesetzen und Verordnungen und Angsteinjagen „nur so um sich zu werfen“ der Medizinethiker, herausgestellt zu haben, direkt gewürdigt werden.

    Eine Zufallsmehreheit im Bundestag, auch durch bekannte wie die aktuelle mit allen Insignien der Macht der Realität auszustatten bei einer „self-fukkfilling-prophecy“ Abstimmung, ist einer mit naturwissenschaftlich gebildeteten Person „eigentlich“ nicht gestattet.

    Anststatt den Menschren Praktiken zur Kontrolle ihrer neurlogisch-somatischen Seite ihrer Gefühle/Affekte und deren Schwankungen systematisch beizubringen, wie sie die Menscheit seit Urzeiten exquisit hervorgebracht hat (kulmimierend im Ozean der Yogas), feiert Pathologisierung und Chemie und Kriminsalisierung Urstände. (Der Satz solte bei Unkenntnis der genauen Zusamemnhänge Leitfaden der informativen Nachdenkarbeit werden).

    DIe LINKE hat recht.

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