vonHans Cousto 22.05.2013

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Seit Jahrzehnten beschwören Politiker aller Couleurs gebetsmühlenartig, dass es bei der Umsetzung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) und der Anwendung repressiver Maßnahmen in erster Linie darum gehe, die Händler von illegallisierten Betäubungsmitteln (Dealer) zu verfolgen, festzunehmen und vor Gericht zu stellen. Die Realität zeigt jedoch, dass die Konsumenten zunehmend weit mehr als die Dealer von der Polizei aufgegriffen werden.

Jahrzehnte lang lag der Anteil der Delikte, die von der Polizei registriert wurden und rein auf den Konsum bezogen waren (allgemeine Verstöße) in Bezug auf die Gesamtheit der registrierten Delikte deutlich unter 70%, zumeist im Bereich zwischen 61% und 66%. Nur im Jahr 1972 – also direkt nach der Neufassung des Betäubungsmittelgesetzes – lag dieser Anteil mit 71,5% über 70%. Erst im Jahr 2004, als Deutschland von einer Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen regiert wurde, stieg dieser Anteil wieder auf über 70% (70,6%). Im letzten Jahr (2012) erreichte dieser Anteil ein Allzeithoch mit 73,1%.

 

Allgemeine Verstöße in Prozent von allen Verstößen gegen das BtMG
Allgemeine Verstöße in Prozent von allen Verstößen gegen das BtMG

Grafik 1: Den Konsum betreffende Delikte (allgemeine Verstöße) in Prozent aller registrierten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, Zeitreihe 1975-2012. Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten. Diese Angaben gelten für alle Grafiken in diesem Artikel.

Bei Cannabis ist dieser Trend noch stärker ausgeprägt. Mitte der 80er Jahre lag der Anteil der allgemeinen Verstöße mit Cannabis in Bezug auf die Gesamtheit der registrierten Cannabis-Delikte stets bei 64% bis 66% mit einem Tiefststand im Jahr 1986 mit 64,1%. Bis Ende der 90er Jahre stiegt dieser Wert auf 70,4% an. Seit der Jahrtausendwende ist dieser Wert weiter massiv angestiegen und erreichte im Jahr 2012 ein Allzeithoch mit 76,2%. Das heißt, mehr als 3/4 aller Cannabisdelikte betreffen ausschließlich allgemeine Verstöße, also auf den Konsum bezogene Delikte. Hinzu kommen die Delikte bezüglich des Anbaus von Cannabis für den Eigenbedarf. Von den im Jahr 2012 regestrierten 4.595 Delikte bezüglich des Anbaus von Cannabis (3,3% aller Cannabis-Delikte) betreffen weniger als 20% Plantagen mit 20 Pflanzen oder mehr Pflanzen. Die meisten Fälle betreffen also eine oder wenige Pflanzen, die im Garten, auf dem Balkon oder in der Wohnung für den Eigenbedarf angepflanzt wurden. Unter Einbeziehung dieser Fälle liegt der Anteil der auf den Konsum bezogenen Delikte in Bezug auf die Gesamtheit der registrierten Cannabis-Delikte insgesamt über 78%.

Anteile der diversen Cannabis-Delikte in Prozent aller Cannabis-Delikte
Anteile der diversen Cannabis-Delikte in Prozent aller Cannabis-Delikte

Grafik 2: Die Zahl der Cannabisdelikte setzt sich zusammen aus der Zahl der allgemeinen Verstöße gemäß § 29 BtMG, illegaler Handel mit und Schmuggel von Cannabisprodukten gemäß § 29 BtMG, illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (in nicht geringer Menge) und illegaler Anbau von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG. In der Grafik sind die Anteile dieser Delikte in Bezug auf die Gesamtheit der registrierten Cannabis-Delikte dargestellt. Die obere rote Linie zeigt den Anteil der allgemeinen Verstöße, die daruter liegende gelbe Linie zeigt den Anteil der Delikte bezüglich Handel und Schmuggel. In den letzten 25 Jahren sank dieser Anteil von 33,6% auf 19,9%. Der Anteil bezüglich illegale Einfuhr nicht geringer Mengen (grüne Linie) sank im gleichen Zeitraum von 2,0% auf 0,6%.

Seit im wieder vereinigten Deutschland statistische Daten für das gesamte Land erfasst wurden (1993) stieg die Zahl aller registrierten Verstöße gegen das BtMG von 122.240 auf 283.708 im Jahr 2004, was einer Zunahme um 132,1% entspricht.  Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der registrierten Cannabis-Delikte von 50.277 auf 177.203, was einer Zunahme um 252,5% entspricht. Die Repression gegen Cannabiskonsumenten und ihrer Zulieferer hat somit deutlich stärker zugenommen in Relation zur gesamten Repression gegen Drogenkonsumenten und ihrer Zulieferer. Bis zum Jahr 2010 hat dann die Repression sukzessive abgenommen, bei allen Drogendelikten um 18,6%, bei den Cannabis-Delikten sogar um 25,3%. Seitdem stiegen die die Zahlen der erfassten Delikte wieder, von 2010 bis 2012 bei allen Delikten um 2,7%, bei den Cannabis-Delikten sogar etwa doppelt so stark (+5,3%).

BtMG-Delikte insgesamt und Cannabisdelikte
BtMG-Delikte insgesamt und Cannabisdelikte

Grafik 3: BtMG-Delikte insgesamt und Delikte betreffend Cannabis, Zeitreihe 1982-2012, Anzahl absolut in Deutschland. Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten.

Mitte der 80er Jahre lag der Anteil aller Cannabis-Delikte in Bezug auf die Gesamtheit der registrierten Drogendelikte zum Teil deutlich über 60%. Dann sank dieser Anteil bis 1992 auf 39,3%, um danach mehr oder weniger wieder stetig zu steigen. Gegen Ende der Rot-Grünen Koalition in den Jahren 2004 und 2005 stieg dieser Anteil dann nach Jahrzehnten wieder auf Werte von mehr als 60%. Danach sank dieser Wert leicht bis zum Jahr 2008 um danach bis 2012 wieder leicht zu steigen: 2012: 58,8%.

Cannabis-Delikte in Prozent aller BtMG-Delikte
Cannabis-Delikte in Prozent aller BtMG-Delikte

Grafik 4: Delikte betreffend Cannabis in Prozent aller registrierten BtMG-Delikte, Zeitreihe 1982-2012, Prozentwerte für Deutschland.
Besonders anschaulich kann die Entwicklung der Repression gegen Cannabiskonsumenten in der Zeitreihe der Häufigkeitszahlen (Fälle pro 100.000 Einwohner) dargestellt werden. Wurden 1993 etwa 40 Kiffer pro 100.000 Einwohner von der Polizei behelligt, waren es 2004 etwa 160. Danach sank diese Zahl bis zum Jahr 2010 auf 121,8 um dann bis zum Jahr 2012 wieder auf 129,5 zu steigen. Da Kiffer – wenn überhaupt – nur sich selbst schaden, jedoch keinen Drittpersonen einen Schaden zufügen, nennt man diese Häufigkeitszahlen auch Repressionskoeffizienten.

Repressionskoeffizienten / Häufigkeitszahlen der diversen Cannabis-Delikte
Repressionskoeffizienten / Häufigkeitszahlen der diversen Cannabis-Delikte

Grafik 5: Die Zahl der Cannabisdelikte setzt sich zusammen aus der Zahl der allgemeinen Verstöße gemäß § 29 BtMG, illegaler Handel mit und Schmuggel von Cannabisprodukten gemäß § 29 BtMG, illegale Einfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (in nicht geringer Menge) und illegaler Anbau von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
In der Grafik sind die Häufigkeitszahlen (Repressionskoeffizienten, RK) dieser Delikte dargestellt. Die obere rote Linie zeigt den RK der allgemeinen Verstöße, die daruter liegende gelbe Linie zeigt den RK der Delikte bezüglich Handel und Schmuggel. Der RK bezüglich illegale Einfuhr nicht geringer Mengen wird durch die grüne Linie dargestellt.

Der Schwerpunkt der Repression liegt somit in Deutschland nach wie vor eindeutig bei der Verfolgung der Cannabiskonsumenten. Repression ist eine Verhinderungspolitik. Sie sollte eigentlich die Verfügbarkeit und den Konsum von Drogen durch Verbot eindämmen. Rückblickend kann jedoch festgestellt werden, das die illegalisierten Drogen trotz stetig steigender Repression nahezu flächendeckend erhältlich sind und von Millionen von Menschen konsumiert werden. Die Repressionspolitik führte jedoch zur gesellschaftlichen Ausgrenzung der Drogenabhängigen mit der Folge einer sozialen Verelendung, zur Steigerung der Kriminalität und zur Spaltung der Gesellschaft. Repression ist somit keine vernünftige Interventionsstrategie (Intervention = Einmischung oder Maßnahme zur Verhinderung von etwas; Strategie = genauer Plan des Vorgehens, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen; Interventionsstrategie = gezielte Maßnahme zu Verhinderung von etwas).

Die Verbotspolitik und die mit ihr einhergehenden Repressionsmaßnahmen sind offensichtlich kein geeignetes Instrumentarium, um dem Drogenkonsum Einhalt zu gebieten respektive die damit einhergehenden Probleme zu entschärfen. Aufklärung, Beratung und Hilfe sind da weit wirkungsvoller. Das Betäubungsmittelgesetz in seiner derzeitigen Form muss als untauglich für das angestrebte Ziel, den Drogenkonsum sowie die Verfügbarkeit von Drogen zu verhindern, eingestuft werden. Die Repressionspolitik richtet nicht selten mehr Schaden an als sie Nutzen bringt – dies gilt insbesondere für die Repression gegen Cannabiskonsumenten.
Was bringt zu Ehren?
Sich wehren!

Johann Wolfgang von Goethe
West-östlicher Divan, 4. Kapitel:
Tefkir Nameh – Buch der Betrachtungen
Stuttgard, Cottaische Buchhandlung, 1819

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https://blogs.taz.de/drogerie/2013/05/22/polizei-intensiviert-kifferjagd/

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kommentare

  • Hanf legalisieren = den Markt für Erwachsene regulieren!

    Wie kann ein Rechtsstaat Cannabiskonsum nur mit dem Strafrecht regeln?
    Es gibt nichts, aber rein gar nichts, was den Umgang erwachsener Bürger mit Cannabis zum privaten Gebrauch zu einer Straftat machen könnte, außer dem Missbrauch des Strafrechtes durch den Staat!

    Was daran hat Wesensmerkmale, die eine Straftat in einem Rechtsstaat ausmachen? Eben, nichts! Die strafrechtliche Verfolgung von Menschen, die Cannabis konsumieren ist eine ideologische Bevormundung der Bürger durch den Staat, der weit gefährlichere Genussmittel wie Tabak oder Alkohol legal zugängig macht.
    Diese Anwendung des Strafrechts ist ebenso Willkür wie es das strafrechtliche Verbot der Rassenschande, der Homosexualität oder der Republikflucht war. So handeln sonst nur Unrechtsstaaten!

    Cannabis legalisieren, weil es vernünftig ist!

    -Kontrollierter Verkauf statt offener Schwarzmarkt
    -Jugendschutz in regulierten Geschäften
    -Verbraucherschutz durch Qualitätskontrolle
    -Bessere, weil ehrlichere, Drogenprävention für Jugendliche
    -Gutes Cannabis zu fairen Preisen für Erwachsene
    -Weniger Ausgaben für Justiz und Strafverfolgung
    -Steuereinnahmen und legale Jobs in der Cannabisindustrie
    -In Holland wird z.B. auch nicht mehr konsumiert als in Deutschland

    Es gibt sehr viele Gründe für die Legalisierung von Cannabis und keine stichhaltigen Gegenargumente. Ich freue mich über jeden ernstgemeinten Versuch, uns, die Legalisierungsbefürworter, argumentativ vom Gegenteil zu überzeugen.

    Legalisierung aus Vernunft
    Hanf legalisieren = den Markt für Erwachsene regulieren!

    P.S: Wer wirklich wissen möchte warum sich diesbezüglich seit Jahrzehnten nichts geändert hat, Youtube -> Cannabis in der politischen Welt

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