Die Meinungen über die Wirkung von Drogen sind bei der Bevölkerung in Deutschland sehr unterschiedlich. Dies wird hier am Beispiel der Meinungen zur „Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Hanfkraut oder Haschisch“ aufgezeigt. Anhand der Ergebnisse von zwei repräsentativen Umfragen aus den Jahren 2001 und 2014 wird ersichtlich, wie gering der Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Meinungsbildung ist.
Gesundheitsschädigung durch Alkohol und Haschisch
1997 hatte Bernhard Kouchner, Staatssekretär für Gesundheit im französischen Ministerium für Arbeit und Solidarität den Pariser Pharmazieprofessor Bernard Roques, der das Nationale Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (INSERM) leitete, beauftragt, die internationale Literatur zu sichten und die Gefährlichkeit von Drogen zu vergleichen. Im Mai 1998 legte er dem Ministerium einen 190 Seiten starken Bericht vor, der von einer zehnköpfigen Expertenkommission und weiteren externen Beratern erstellt worden war. Im Juni 1998 wurde der Bericht der Öffentlichkeit präsentiert. Auch die deutsche Presse berichtete ausführlich über diesen Bericht. Eine der zentralen Aussagen des „Roques-Reports“ an das französische Gesundheitsministerium ist die Einteilung der Substanzen in drei Risikogruppen. Zu den gefährlichsten Mitteln zählen danach Opiate, Alkohol und Kokain. In die mittlere Kategorie fallen Ecstasy, Aufputschmittel, Benzodiazepine (Beruhigungsmittel) und Tabak. Relativ geringe Risiken seien dagegen mit Cannabisprodukten wie Haschisch und Marihuana verbunden. Gemäß dieser Studie ist die Behauptung „der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol“ ein Irrglaube.
Verbreitung des Irrglaubens im Jahr 2001
Obwohl die Medien ausführlich über die Ergebnisse dieser Studie berichteten, war im Jahr 2001 mehr als die Hälfte der Bayern (54%) im Jahr 2001 der Meinung, dass Gras und Haschisch für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol; in der Hauptstadt Berlin teilte nicht einmal ein Viertel der Befragten (23%) diese Ansicht. Die Mehrheitsmeinung der Bayern entsprach auch der Ansicht der Mehrheit der Deutschen mit Volksschulbildung (52% bis 53%), der Deutschen die REPs, DVU oder NPD wählten (57%) wie auch der Deutschen, die CDU respektive CSU wählten (53%). Im Gegensatz dazu glaubte nur eine Minderheit von 29% der Deutschen mit Abitur oder Hochschulabschluss, dass Cannabisprodukte schädlicher seien als Alkohol. Von den Deutschen, die Grün wählten, teilte sogar nur jeder Fünfte (20%) diese Ansicht, bei den Wählern der PDS etwa jeder Dritte (34%).
Bei Wählern rechtsradikaler oder rechtskonservativer Parteien wie auch in den Bevölkerungsschichten mit niedrigem Bildungsniveau herrschte im Jahr 2001 mehrheitlich die Meinung vor, dass Cannabisprodukte für die Gesundheit schädlicher seien als Alkohol, bei Wählern der Parteien aus der Mitte (SPD, FDP) wie auch in Schichten mit mittlerem Bildungsniveau wurde die Schädlichkeit von Cannabisprodukten und Alkohol etwa gleich groß eingeschätzt, bei Wählern der linksgrichteteten PDS und der Grünen wie in Schichten mit hohem Bildungsniveau wurde hingegen Alkohol als gefährlicher eingeschätzt als Cannabisprodukte. Dies war das Ergebnis einer Emnid-Umfrage im Auftrag der Landesarbeitsgemeinschaft Drogen (LAG-Drogen) von Bündnis 90/Die Grünen vom August 2001. Die folgenden zwei Tabellen zeigen die Aufschlüsselung der Antworten auf die Frage zur Zustimmung der Behauptung: „Der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch ist gesundheitsschädlicher als der Konsum von Alkohol.“
Tabelle 1 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Bildungsgrad gemäß Umfrage aus dem Jahr 2001. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Tabelle 2 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Parteipräferenz gemäß Umfrage aus dem Jahr 2001. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Studien aus den Jahren 2007 bis 2010
In der Studie „Ranking van drugs – Een vergelijking van de schadelijkheid van drugs“ (Ranking von Drogen – Ein Vergleich von der Schädlichkeit diverser Drogen) des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu in Bilthoven im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport haben 20 Experten die Gefährlichkeit von Drogen für das Individuum wie auch für die Gesellschaft untersucht. Die Studie, in der Alkohol gemäß diverser Kriterien als signifikant gefährlicher als Cannabis eingestuft wurde, wurde im Jahr 2009 veröffentlicht. Zum Expertenteam gehörten Apotheker, Ärzte, Biologen, Epidemiologen, Psychiater, Toxikologen sowie Experten der Polizei. Die Niederländer untersuchten die akute sowie die chronische Toxizität von Drogen, das sogenannte Abhängigkeitspotenzial und zudem die individuelle sowie die gesellschaftliche soziale und allgemeine Schädigung. In den Abbildungen des Artikels „Plädoyer für Magic Mushrooms Social Clubs“ in diesem Blog sind die Ergebnisse dieser Studie in der Übersicht dargestellt.
In Großbritannien wurden in den Jahren 2007 und 2010 unter Federführung von David Nutt ähnliche Studien durchgeführt. Auch in diesen Studien („Ein vernünftiger Maßstab zur Bewertung der Gefahren von Drogen“ und „Alkohol ist die schädlichste Droge, noch vor Crack und Heroin“) wurde Alkohol stets als wesentlich gefährlicher eingestuft als Cannabis.
Verbreitung des Irrglaubens im Jahr 2014
Die Medien berichteten ausführlich über die Studien von David Nutt in Großbritannien. Dennoch glaubten im Jahr 2014 gemäß einer repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands 20% der Bevölkerung in Deutschland, dass der Konsum von Cannabis gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol. Auch im Jahr 2014 zeigte es sich, dass Menschen mit höherer Schulbildung weniger anfällig für diesen Irrglauben sind als Menschen, die nur die Haupt- oder Volksschule besucht haben.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass im Jahr 2014 mehr SPD-Wahler (27%) als CDU/CSU-Wähler (22%) glaubten, dass der Konsum von Cannabis gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol. Im Jahr 2001 stimmten noch 30% der CDU/CSU-Wähler dieser Aussage voll und ganz zu, jedoch nur 23% der SPD-Wähler.
Tabelle 3 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Bildungsgrad gemäß Umfrage aus dem Jahr 2014. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Tabelle 4 zeigt den Grad der Zustimmung oder Ablehnung der Behauptung, der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch sei gefährlicher als der Konsum von Alkohol aufgeschlüsselt nach Parteipräferenz gemäß Umfrage aus dem Jahr 2014. Zum Vergrößern der Abbildung, bitte Bild anklicken.
Irrglaube und Meinungsbildung
Gemäß der Auswertung der repräsentativen Umfrage von infratest dimap aus dem Jahr 2014 stimmten nur 8% jener, die glauben, dass der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol, der Forderung zu, dass Cannabis für Volljährige legal und reguliert erhältlich sein sollte. Diejenigen, die aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnissen glauben, dass der Konsum von Hanfkraut oder Haschisch weniger gefährlicher sei als der Konsum von Alkohol, stimmten mit 62% dieser Forderung zu.
Abbildung 1 zeigt die Zustimmungsraten für einen legalen und regulierten Cannabismarkt in Abhängigkeit der Einschätzung des Schädigungspotenzials von Cannabis im Vergleich zum Alkohol. Angaben gemäß der repräsentativen Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Hanfverbands aus dem Jahr 2014.
In der Politik in Deutschland scheint der wissenschaftlich schon lange wiederlegte Irrglaube immer noch Leitmotiv bei den Entscheidungen zu sein. Weder die Bundesregierung noch die Mehrheit der Parlamentarier sind gewillt, die Auswirkungen der Drogenpolitik evaluieren zu lassen. Sie scheinen die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Gefährlichkeit von Cannabis und Alkohol zu scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Vergl. hierzu den Artikel in diesem Blog vom 8. August 2010: Hat Demagogie in der Drogenpolitik erfolg?
[…] Vergl. hierzu: Artikel vom 2.10.2015: Hanfverbot: Der Cannabis-Irrsinn Artikel vom 31.01.2015: Politisch gewollter Irrglaube […]