In der Schweiz ist der Konsum von Cannabis – anders als in Deutschland – verboten. Da der Konsum von Cannabis in der Schweiz von Kanton zu Kanton unterschiedlich geahndet wurde, änderte die Regierung das Betäubungsmittelgesetz (BetmG). Mit dem Inkrafttreten der Revision des BetmG per 1. Oktober 2013 sollte diese uneinheitliche Handhabung von einer nationalen Regelung abgelöst werden. Durch die Einführung einer Ordnungsbuße von 100 Franken (derzeit ca. 94 Euro) für das Kiffen sollte eine Grundlage für die Gleichbehandlung aller Cannabiskonsumenten in der Schweiz entstehen. Eine Auswertung der in der Kriminalstatistik für das Jahr 2014 aufgeführten Daten zeigt jedoch, dass nach wie vor der Konsum von Cannabis in den einzelnen Kantonen signifikant unterschiedlich verfolgt und geahndet wird.
Der Konsum von Cannabis kann in der Schweiz mit einer Ordnungsbuße geahndet werden, wenn die Person mindestens 18-jährig ist und nicht gleichzeitig andere Gesetzesverstöße begeht. Da der Besitz von mehr als 10 g Cannabis strafbar ist, kommt das Ordnungsbußenverfahren nur bei Besitz von weniger als 10 g zur Anwendung.
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz
Im Jahr 2014 wurden in gesamthaft 45.292 Fällen Widerhandlungen (Verstöße) gegen das BetmG registriert. Innerhalb dieser Registrierungen wurden 80.986 Straftaten (Delikte) festgestellt und 33.885 Personen beschuldigt. Zudem mussten landesweit 14.861 Cannabiskonsumenten eine Buße von 100 Franken bezahlen.
Im Vergleich zum Jahr 2013 nahm die Zahl der beschuldigten Personen um 7.795 (-19%) ab, die Zahl der Fälle um 9.337 (-17%) und die Zahl der registrierten Delikte nahm um 16.303 (-17%) ab.
Grafik 1 zeigt die Entwicklung der Betäubungsmitteldelikte in der Schweiz als Zeitreihe von 2009 bis 2014: Straftaten, Fälle, beschuldigte Personen. Durch die Einführung der Bußgeldregelung für den Konsum von Cannabis inklusive Besitz von weniger als 10 g sind die Zahlen für 2014 deutlich niedriger als in den Vorjahren.
Häufigkeitszahlen in den Kantonen und Städten
Die Berechnung der Häufigkeitszahl (Anzahl Straftaten auf 1000 Einwohner) verbessert die Vergleichbarkeit. Diese Häufigkeitszahlen können aber Faktoren wie die Gelegenheitsstruktur (z.B. Partymeile in einer Großstadt) und die für die Kontrolle verfügbaren Personalressourcen, die das Kriminalitätsaufkommen in diesem Bereich wesentlich beeinflussen, nicht berücksichtigen. Bei Vergleichen ist dies zu beachten.
Grafik 2 zeigt die Häufigkeitszahlen (pro 1000 Einwohner) in den schweizer Kantonen. Über dem Landesdurchschnitt liegen außer Bern und Basel-Stadt ausschließlich Kantone aus der Romandie: Genf, Waadt, Wallis und Neuchâtel. Der Kanton Fribourg, wo in einigen Gebieten Französisch und in einigen Deutsch gesprochen wird, liegt leicht unter dem Landesdurchschnitt. Der einzige französischsprachige Kanton mit einer deutlich tieferen Häufigkeitszahl ist der Kanton Jura.
Die Häufigkeitszahl ist – wie bereits erwähnt – die Zahl der registrierten Delikte insgesamt oder innerhalb einzelner Deliktarten in Bezug auf 1000 Einwohner innerhalb des Erfassungsbereiches. Bei von Amts wegen verfolgten Deliktarten wie den Verstößen (Zuwiderhandlungen) gegen das Betäubungsmittelgesetz wird die Häufigkeitszahl auch Repressionskoeffizient genannt. In den meisten Kantonen der Romandie ist der Repressionskoeffizient größer als im Landesdurchschnitt, im Kanton Genf sogar mehr als doppelt so groß. Bei den größeren Städten zeigt die Statistik, dass Lausanne die Kantonshauptstadt mit der intensivsten Verfolgung der Drogenkonsumenten ist. Wie man der folgenden Grafik entnehmen kann, ist Appenzell der Kantonshauptort mit dem geringsten Repressionskoeffizienten – mehr als 20-mal kleiner als in Genf.
Grafik 3 zeigt die Häufigkeitszahlen der registrierten Betäubungsmitteldelikte in den größeren schweizer Städten sowie den Hauptstädten aller Kantone. Die Goldmedaille für den größen Fleiß bei der Verfolgung von Drogengebrauchern geht an die Polizei von Lausanne, Silber hat sich Bern verdient und Bronze geht an Biel/Bienne.
Cannabis-Ordnungsbußen
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, die klar im Zusammenhang mit dem Eigenkonsum stehen, werden als Übertretungen geahndet. Sobald Formen des Handels von illegalen Substanzen feststellbar sind, fallen die Widerhandlungen je nach Menge und Vorgehensweise unter Vergehen oder Verbrechen und werden mit einem höheren Strafmaß geahndet.
Am 1. Oktober 2013 ist eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Kraft getreten. Der Konsum von Cannabis durch Erwachsene kann mit einer Ordnungsbuße bestraft werden, wenn die mitgeführte Menge zehn Gramm nicht übersteigt. Die Häufigkeitszahlen von Ordnungsbußen in den Kantonen ist in der nachstehenden Grafik ersichtlich.
Grafik 4 zeigt die Häufigkeit von Cannabis-Ordnungsbußen in den einzelnen Kantonen. Im Kanton Zug wird am meisten von der neuen Regelung betreffend Cannabis-Ordnungsbußen gebrauch gemacht. Der Kanton Zug ist zudem der einzige Kanton, in dem mehr Bußen wegen des Konsums von Cannabis als Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz registriert wurden. Durch diese Verfahrensweise spart der Kanton viel Geld, da Ordnungsbußen den Staatssäckel füllen, Strafanzeigen und Gerichtsverfahren hingegen einen Kostenfaktor für die Staatskasse darstellen.
Im Kanton Bern – erhält die größte Summe aller Kantone aus dem Finanzausgleich – will man von der neuen Bußgeldregelung nicht so recht Gebrauch machen, sondern lieber Polizisten, Staatsanwälte und Gerichte mit dem Aufnehmen und Bearbeiten von Anzeigen beschäftigen. Auf eine Cannabis-Ordnungsbuße kommen im Kanton Bern mehr als 50 Verzeigungen (Anzeigen) wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz. Ja, die Staatsdiener im Kanton Bern wollen halt weiterhin von den anderen Kantonen alimentiert werden.
Helvetische Repressionskoeffizienten
Die Größe der gesamten Repression gegen Drogenkonsumenten und ihren Lieferanten in den einzelnen Kantonen setzt sich zusammen aus der Anzahl der Strafanzeigen und der Anzahl der Ordnungsbußen. Die Summen der erteilten Bußen und erfassten Straftaten in Relation zu den Bevölkerungszahlen zeigen die real existierende Intensität der Drogenrepression in den Kantonen. Die höchsten Repressionskoeffizienten wurden in den Kantonen Genf, Waadt und Basel-Stadt registriert, die niedrigsten in den Kantonen Appenzell-Innerrohden, Basel-Landschaft und Uri. Die folgende Grafik zeigt die Repressionskoeffizienten aller Kantone.
Grafik 5 zeigt die Repressionskoeffizienten aller Kantone im Jahr 2014. Mit Ausnahme des Kantons Jura liegen alle Kantone der Romandie über dem Landesdurchschnitt. In den Kantonen Uri, Schwyz und Unterwalden (Nid- und Obwalden), die der Überlieferung nach im Jahre 1291 die Schweiz gründeten, ist der Repressionskoeffizient nur etwa halb so groß wie im Landesdurchschnitt.
Bemerkenswert ist, dass im Jahr 2014 in der Schweiz weit mehr Anzeigen wegen eines auf den Konsum von Hanfprodukten bezogenes Delikt (22.083 an der Zahl) erstattet wurden als Cannabiskonsumenten (14.861 an der Zahl) wegen einer gleich gearteten Tat gebüßt wurden. Die Einführung einer Ordnungsbuße von 100 Franken für das Kiffen hat nicht zu einer Gleichbehandlung aller Cannabiskonsumenten in der Schweiz geführt.
Vergl. hierzu in diesem Blog den Artikel vom 2.10.2013: Schweiz führt Bußgeldregelung für Kiffer ein
Datenquellen: Bundesamt für Statistik
Verzeigungen nach BetmG ab 2009
Verzeigungen nach BetmG ab 2009 – Beschuldigte
Verzeigungen nach BetmG ab 2009 – Straftaten 2014
Verzeigungen nach BetmG ab 2009 – Substanzen 2014
Hallo, ein sehr interessanter Artikel! Ich bin froh, dass ich in Deutschland lebe und dass das BTM-Gesetz bei uns nicht ganz so streng ist wie bei euch!
Beste Grüße Matthias