Am 29. Juni 2015 teilte die Polizeiinspektion Lüneburg in einer Pressemitteilung mit, dass eine 17-jährige nach dem Konsum von zwei Ecstasy-Tabletten verstorben sei. Eine Obduktion habe ergeben, dass der Konsum der Ecstasy-Tabletten ursächlich für ihren Tod gewesen sei. In Folge der weiteren Ermittlungen habe die Polizei bei einem mit Drogendelikten bereits in Erscheinung getretenen 17-jährigen in Lüneburg eine Durchsuchung durchgeführt und habe dort weitere Tabletten sichergestellt.
Wie aus einer Meldung der Drogenberatungsstelle „Drug Scouts“ vom 2. Juli 2015 zu entnehmen ist, gab die Polizeidirektion Leipzig diesbezüglich eine Warnung heraus. Dort heißt es:
„In Niedersachsen ist eine Jugendliche, die nach dem Rauchen von Marihuana eine Ecstasy-Tablette und eine Stunde später eine zweite konsumierte, verstorben. Das Mädchen krampfte und verstarb, trotz zeitnah eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen.
Die Sorten der Ecstasy-Tabletten waren „Pinke Chupa Chups“ und „grau-schwarzer NESCAFÉ“.
Die „Pinke Chupa Chups“ wurde nach Erkenntnissen der PD Leipzig in Leipzig gehandelt, so dass nicht auszuschließen ist, dass diese vorgenannte Sorte ebenfalls in Leipzig konsumiert wird.“
Mit „grau-schwarzer NESCAFÉ“ sind wohl die schwarzen „Nespresso-Pillen“ gemeint. Gemäß Angaben im Forum von Eve & Rave Schweiz sind „Nespresso-Pillen“ seit September 2014 in unterschiedlichen Farben im Umlauf und die Pillen sollen je nach Charge zwischen 130 mg und 225 mg MDMA enthalten. In Wien wurden im Dezember 2014 vom Projekt Checkit! dunkelblaue „Nespresso-Pillen“ getestet und die enthielten 120 mg und 125 mg MDMA. Im Januar wurde ebenfalls von Checkit! eine „Nespresso-Pille“ getestet, die orange war und 169 mg MDMA enthielt.
Die „Chupa Chups“ sind seit Oktober 2014 in verschiedenen Farben im Umlauf. Solche Pillen wurden sowohl in der Schweiz als auch in Österreich im Rahmen von Drug-Checking-Programmen getestet. Die Dosierungen lagen in der Schweiz zwischen 121 mg und 176 mg; die in Österreich getestete Pille enthielt 96 mg MDMA.
Die Abbildung zeigt „Chupa Chups“ in verschiedenen Farben. Die dunkelgrüne Pille enthielt 121 mg MDMA, die rote 136,2 mg und die hellgrüne 123,3 mg. Eine im November 2014 getestete violett gesprenkelte Pille enthielt 175,6 mg MDMA und drei im Januar getestete rote Pillen mit dem Logo „Chupa Chups“ enthielten zwischen 96 mg und 98 mg MDMA. Ähnlich aussehende Pillen können sehr unterschiedliche Dosierungen aufweisen.
In der Warnung der Polizeidirektion Leipzig heißt es lediglich, dass „Pinke Chupa Chups“ auch in Leipzig im Umlauf seien. Eine Angabe zu den Inhaltsstoffen oder zur Dosierung machte die Polizei nicht. Wenn die Polizei weiß (und nicht nur auf Grund einer Aussage vermutet), dass solche Pillen in der Stadt im Umlauf sind, dann weiß sie auch, was drin ist. Bekanntlich ist eine Warnung erst dann sinnvoll, wenn sie vollständig und präzise ist, da erst dann eine Beeinflussung des Konsumverhaltens zu erwarten ist und die Konsumenten in die Lage versetzt werden, ein vernünftiges Risikomanagement betreiben zu können. Eine Warnung ohne solche Angaben ist das Papier nicht wert, auf der sie geschrieben wurde.
Die Hannoversche Allgemeine berichtete am 30. Juni 2015 unter dem Titel „17-Jährige stirbt nach Ecstasy-Konsum“ von dieser Tragödie. In dem Artikel wird reichlich aus der Pressemeldung der Polizeiinspektion Lüneburg zitiert. In dem Artikel steht in einem Absatz unter dem Zwischentitel „Inhaltsstoffe weitgehend unbekannt“ folgender Satz: „Bislang gebe es aber keine Hinweise darauf, dass die Pillen in Niedersachsen mit giftigen Substanzen gestreckt seien.“ Das Abendblatt (Region Niedersachsen) schrieb jedoch in seiner Meldung zu diesem tragischen Ereignis bereits im Titel: „Polizei ermittelt und warnt vor verunreinigten Ecstasy-Tabletten.“
Wenn die Polizei in Niedersachsen wirklich präventiv für den Schutz der Unversehrtheit von Leib und Leben der Menschen proaktiv engagiert wäre, dann hätte sie so rasch wie möglich die Ergebnisse der Analysen der besagten Pillen veröffentlicht. Und dann wären in den Medien nicht solch widersprüchliche Meldungen aufgetaucht. Gemäß Polizeimeldung hatte ja die Polizei bei einem mit Drogendelikten bereits in Erscheinung getretenen 17-jährigen in Lüneburg weitere Tabletten sichergestellt. Solche Tabletten chemisch zu analysieren dauert keine 30 Minuten, wie man auf vielen Festivals und diversen Clubs in Österreich und in der Schweiz immer wieder beobachten kann. Zudem steht in der Polizeimeldung, dass eine Obduktion ergeben habe, dass der Konsum der Ecstasy-Tabletten ursächlich für ihren Tod gewesen sei. Eine Obduktion lässt recht genaue Rückschlüsse auf Inhaltsstoffe und deren Dosierungen zu. Auch hier wären genauere Angaben sachdienlich gewesen.
Es ist doch seit langem bekannt, dass Formulierungen wie „Die Polizei warnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich davor Ecstasy einzunehmen, da Tabletten im Umlauf sind, deren Nebenwirkungen unter bestimmten Voraussetzungen tödlich sein können.“ kaum einen Konsumenten zu einer Verhaltensänderung motivieren, präzise Angaben zu den Wirkstoffmengen, eingenommenen Medikamenten und beispielsweise dem Körpergewicht der 17-jährigen hätten erfahrungsgemäß jedoch sehr wohl die Eigenschaft gehabt, eine solche Motivation zu fördern.
Vergl. hierzu in diesem Blog:
Artikel vom 28.11.2014: Extrem hoch dosierte Ecstasy-Pillen im Umlauf
Artikel vom 09.01.2015: Tödliche Superman-Pillen im Umlauf
@ Tut Nixzursache
Ich geb dir zu 100 Prozent recht