Freispruch bei illegalem Anbau von Cannabis durch einen Erlaubnisinhaber
Wie die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) am 29. August 2015 mitteilte, fand am 13. Juni 2014 bei Thomas K. eine Hausdurchsuchung mit Beschlagnahmung von zehn Cannabispflanzen sowie legal erworbener Cannabisblüten aus der Apotheke statt. Am 29. Juli 2015 wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Esslingen vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz freigesprochen. Der anwesende Oberstaatsanwalt legte jedoch gleich Berufung ein, so dass das Verfahren vor dem Landgericht weitergeführt wird.
Im Urteil führt das Gericht aus: „Vorliegend ist die Tat zwar nicht nach § 34 StGB gerechtfertigt, jedoch nach § 35 StGB entschuldigt. Von einer gegenwärtigen Gefahr für die Gesundheit („Leib“) des Angeklagten ist auszugehen. Der Angeklagte leidet unter massiven Schmerzen seiner Verletzungen […] Dass der Einsatz von Cannabis zur Linderung der Leiden und Beschwerden des Angeklagten geeignet und erforderlich ist, ergibt sich bereits daraus, dass ihm eine Erlaubnis zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten erteilt wurde. Gegenwärtig im Sinne der §§ 34, 35 StGB ist auch eine Dauergefahr […], sodass auch chronische Schmerzen, die nicht anderweitig gelindert werden können, darunter zu subsumieren sind. Das Ziel des Eigenanbaus ist zudem, die Gefahr vom Angeklagten selbst abzuwenden, die Schmerzen bei ihm zu lindern. Sie ist auch nicht anderweitig abwendbar.“
Bereits 2003 gab es ähnliche Freisprüche
Am 15. Mai 2003 wurde erstmals ein Patient, der Cannabis in seiner Wohnung anbaute und dann zu medizinischen Zwecken konsumierte und deswegen angeklagt war, von einem deutschen Gericht freigesprochen. Richter Bauer vom Amtsgericht Mannheim (1 Ls 310 Js 5518/02 – AK 64/02) erklärte nach Anhörung zweier medizinischer Sachverständiger, es habe eine Notstandslage vorgelegen. Die Verwendung von Cannabis sei daher unter den konkreten Umständen gerechtfertigt gewesen. Der Patient hatte vergeblich versucht, für eine Behandlung mit dem Cannabiswirkstoff Dronabinol (Delta-9-THC) eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen diesen Freispruch eingelegt, so daß der Rechtsstreit in den nächsten Monaten am Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entscheiden wird.
Fünfte Verhandlung und endgültiges Urteil
Am 27. November 2003 erhielt Michael G., ein Patient mit der unheilbaren und phasenweise sehr schmerzlichen Darmkrankheit Morbus Crohn, die richterliche Erlaubnis zum Anbau und zur Verwendung von Cannabis. Der Richter Michael Zimmermann vom Amtsgericht Tiergarten [4 Op Js 1431/00 Ls (168/00)] urteilte, dass sich der Angeklagte Michael G. in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt sei. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, Berufung einzulegen.
Damit war das Urteil rechtskräftig. Zum ersten Mal seit mehr als vierzig Jahren durfte wieder ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und konsumieren.
Der Richter Zimmermann verurteilte den Angeklagten zwar zu einer Geldstrafe auf Bewährung – die mildeste mögliche Strafe –, allerdings nur weil er eine viel zu große Menge Cannabis (59 Pflanzen) besessen hatte. Eine wesentlich kleinere Menge hätte ausgereicht, um sich ausreichend zu therapieren. Der Angeklagte Michael G. litt seit mehr als zwanzig Jahren an einer in Schüben auftretenden entzündlichen Darmerkrankung, die Gewichtsverlust, Durchfälle und äußerst schmerzhafte Krämpfe im Bauchraum verursacht. Im Jahre 2002 hatte ein anderer Richters des Amtsgerichts ihn zu einer fünfmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, das Berufungsgericht [KG, 18.11.2002 – (4) 1 Ss 273/02 (122/02)] hatte das Urteil jedoch aufgehoben und das Amtsgericht aufgefordert, die Umstände der Tat zu berücksichtigen.
Fazit
In Deutschland müssen immer noch Patienten leiden, weil ihnen das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte respektive das Gesundheitsministerium ihnen den Zugang zu ihrer Medizin behindert oder gar völlig verwehrt. Dies geschieht, obwohl Gerichte seit mehr als zehn Jahren diesen Notstand erkannt haben. Alle Drogenbeauftragten der Bundesregierung der letzten 12 Jahre [Marion Caspers-Merk (SPD), Sabine Bätzing (SPD), Mechthild Dyckmans (FDP), Marlene Mortler (CSU)] und alle Gesundheitsminister der letzten 12 Jahre [Ulla Schmidt (SPD), Philipp Rösler (FDP), Daniel Bahr (FDP), Hermann Gröhe (CDU)] sollten sich schämen.
Vergl. Hierzu: Richter ebnen den Weg für Cannabis als Medizin – Eine Analyse der medizinischen, juristischen und politischen Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland mit Urteilen und Beschlüssen verschiedener Gerichte zum Anbau und Gebrauch von Cannabis zu medizinischen Zwecken (Redaktion und Zusammenstellung: Hans Cousto, Stand: Dezember 2003)
Kann es überhaupt nicht nachvollziehen warum man Schmerzpatienten noch zusätzlich das Leben zur Hölle machen muss. Wenn Cannabis ihnen hilft, dann lasst sie doch machen! Als hätten die Staatsanwälte nichts wichtigeres zu tun.