vonHans Cousto 15.04.2016

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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UNGASS ist die Abkürzung für „United Nations General Assemblay Special Sesson“. Die UN-Sondersitzung, die vom 19. bis 21. April 2016 stattfinden wird, hat das Thema Drogenpolitik auf der Tagesordnung und ist die erste ihrer Art seit 1998, als der illusorische, aber offizielle Slogan hieß: „Eine drogenfreie Welt – wir können es schaffen!“ Leitmotiv der UNGASS 2016 ist eine bessere Zukunft für die Jugend der Welt.

Im Vorfeld der Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem hatte der Internationale Suchstoffkontrollrat (INCB) seinen Jahresbericht 2015 veröffentlicht. Dieser stellt fest, dass die internationalen Drogenkontrollabkommen nicht zu einem „Krieg gegen Drogen“ bevollmächtigen. Der INCB unterstreicht, dass die Gewährleistung der Verfügbarkeit von Drogen zu medizinischen und wissenschaftlichen Zwecken einerseits und die Reduzierung der illegalen Versorgung mit Drogen andererseits sorgfältig gegeneinander abgewogen werden müssen. In der Pressemitteilung vom 2. März 2016 der Drogenbeauftragten, Marlene Mortler, erklärte diese „Der Bericht der Vereinten Nationen gibt uns Recht: Der immer wieder zitierte ‚Krieg gegen Drogen‘ existiert in Deutschland nicht. Vielmehr stehen wir an der Spitze einer modernen Drogen- und Suchtpolitik. Wir setzen die international diskutierte Philosophie um, das Angebot illegaler Drogen auf der einen Seite zu verringern und auf der anderen Seite die Nutzung für medizinische Zwecke im Sinne der Patienten zu fördern. Gesetzliche Regelungen sind auf den Weg gebracht.“ Genau ein jahr zuvor erklärte die Drogenbeauftragte in der Pressemitteilung vom 2. März 2015: „Der Jahresbericht des INCB belegt: Deutschland ist vorbildlich im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik. Die Abkommen der Vereinten Nationen sind keinesfalls nur ein ‚Instrument von Verboten und Strafe’ wie mitunter dargestellt wird. Im Fokus stehen Maßnahmen zur Suchtprävention und Behandlung ebenso, wie solche zur Schadensreduzierung. Dabei müssen die internationalen Menschenrechtsstandards eingehalten werden.

Nutzung für medizinische Zwecke

Wie die Förderung der Nutzung von Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland aussieht, kann in zahlreichen Gerichtsurteilen nachgelesen werden. Bereits im Jahr 2002 erlaubte ein Gericht einem Patienten den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Am 27. November erhielt ein Patient mit Morbus Crohn die richterliche Erlaubnis zum Anbau und zur Verwendung von Cannabis. Richter Michael Zimmermann vom Berliner Amtsgericht urteilte, dass sich der Angeklagte Michael Große in einer Notstandslage befunden habe und die medizinische Verwendung von Cannabis daher gerechtfertigt sei. Der Staatsanwalt verzichtete darauf, Berufung einzulegen. Damit war das Urteil rechtskräftig und zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren durfte ein Patient in Deutschland Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen und konsumieren. Ein Richter ebnete den Weg für Cannabis als Medizin. Damit wurde aus dem Berliner Fall ein Präzedenzfall und viele Patienten hofften, dass dies Konsequenzen für die eingereichten Klagen gegen die Bundesopiumstelle – die mehreren Patienten eine Genehmigung zum Anbau und Besitz von Cannabis verweigert hatte – haben werde.

Die Patienten hofften jedoch über zehn Jahre vergeblich, weil die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf stur schaltete und immer wieder Berufung einlegte, wenn es in einem Verfahren unterlegen war. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat jedoch am 6. April 2016 (BVerwG 3 C 10.14)  das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte verpflichtet, einem schwer kranken Kläger eine Ausnahmeerlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis zu erteilen, weil das Betäubungsmittel für seine medizinische Versorgung notwendig sei und ihm keine gleich wirksame und erschwingliche Therapiealternative zur Verfügung stehe.

Da diese Einzellfallentscheidung vom obersten Verwaltungsgericht in Deutschland getroffen wurde, werden sich künftig weitere Patienten darauf berufen können. Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM) hat Patienten bereits vor dem Urteil aufgerufen, entsprechende Anträge auf Eigenanbau einzureichen. Mariana Pinzon vom Deutschen Hanfverband schreibt hierzu unter dem Titel „Bundesverwaltungsgericht Leipzig erzwingt erste Anbaugenehmigung für medizinisches Cannabis“ sehr zutreffend: „Das aktuelle Urteil ist das Ergebnis von über einem Jahrzehnt des Kampfes von schwerkranken Patienten gegen die Behörden. Seitdem ist einiges an Fortschritt für die Betroffenen erzielt worden, aber leider nicht durch die Bundesregierung, die in dieser Frage stets nur gebremst hatte. Alle Fortschritte wurden von Patienten und den sie unterstützenden Vereinigungen (ACM/SCM) mühsam vor Gericht erkämpft. Die Bundesregierung hat nur soweit nachgegeben, wie es durch Gerichtsurteile ‚alternativlos‘ wurde. Das war schon bei den ersten Genehmigungen für Cannabisblüten der Fall.

Für das BfArM scheint das BtMG in erster Linie ein Gesetz zur „Verhinderung des Verkehrs mit Betäubungsmitteln“ zu sein. Offensichtlich wird beim BfArM die Verbotskultur (besser: Verbotsunkultur) höher bewertet als das Wohl der Patienten. Dr. Franjo Grotenhermen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin IACM), erklärte hierzu: „Es ist beschämend für ein zivilisiertes Land, dass es für diese Patienten keine andere Lösung findet, als sie wie Verbrecher zu behandeln und ins Gefängnis zu werfen.“ – IACM-News vom 18. August 2007

Die Prohibitionspolitik in der Bundesrepublik Deutschland nimmt Elend und Tod Schwerkranker billigend in Kauf und zeigt damit ihr wahres unmenschliches Gesicht – im vielfachen Leid der Schmerz-, Krebs-, AIDS- oder MS-Patienten zeigt sich, dass die deutsche Drogenpolitik weit mehr von Sadismus als von Recht und Ethik geprägt ist. Weshalb gegen solche staatliche Rechtswidrigkeit nicht schnell und nachhaltig gerichtlicher Rechtsschutz mobilisiert werden kann, ist unerklärlich. Und dass die Drogenbeauftragte vor diesem Hintergrund sich anmaßt zu behaupten, Deutschland stehe an der Spitze einer modernen Drogen- und Suchtpolitik oder gar Deutschland sei vorbildlich im Bereich der Drogen- und Suchtpolitik, macht einen völlig fassungslos.
Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (Bild: BPA/ Denzel)
Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (Bild: BPA/ Denzel)

Marlene Mortler sagte am Donnerstag, 10. März 2016, in der Radiosendung Redezeit „Welche Macht haben Drogen?“ beim Sender NDR Info: „Es gibt kein Land in Europa, das noch massiv mit Hilfe der Strafverfolgung gegen Konsumenten vorgeht. Und Sie wissen, dass auch der Besitz von kleinen Mengen [von Drogen] in unserem Land straffrei ist und diese Mengen sind unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland und von Substanz zu Substanz. […] Und ich wehre mich immer dagegen zu sagen, bei uns wäre alles so kriminalisiert. Der Konsum wird ja nicht bestraft und was den Eigenbesitz betrifft, so ist der unter einer gewissen Menge immer straffrei.

Es gibt Tausende von Menschen in Deutschland, die aus eigener Erfahrung wissen, dass die Aussage von der Drogenbeauftragten Marlene Mortler falsch ist, weil sie aufgrund das Besitzes von winzigen Mengen bestraft wurden – nicht nur in Bayern, sondern auch in anderen Bundesländern. Wer den Aussagen von Marlene Mortler glaubt respektive diese für wahr hält, läuft Gefahr, Ärger mit der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Justiz zu kriegen. Die Aussage „was den Eigenbesitz betrifft, so ist der unter einer gewissen Menge immer straffrei“ stellt eine krasse Irreführung der Öffentlichkeit dar.

Fazit

Statt die Menschen – wie zum Beispiel Cannabispatienten – in den Mittelpunkt der Drogenpolitik zu stellen, wird in Deutschland immer noch der Leitschnur Repression gefolgt. Wenn vor diesem Hintergrund die Drogenbeauftragte Marlene Mortler die Drogenpolitik in Deutschland immer wieder als vorbildlich darstellt, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Frau an einer akuten kognitiven Dissonanz leidet oder einfach von Halluzinationen geplagt wird. Dieser Eindruck erhärtet sich durch ihre Aussage „Der Konsum wird ja nicht bestraft und was den Eigenbesitz betrifft, so ist der unter einer gewissen Menge immer straffrei.“ Unfassbar, dass diese Frau Deutschland auf der UNGASS 2016 vertreten wird.

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https://blogs.taz.de/drogerie/2016/04/15/ungass-und-die-halluzinationen-der-drogenbeauftragten/

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kommentare

  • Wow… tausende Menschen haben ihren Führerschein, ihre Arbeitsstelle und vielleicht sogar das Sorgerecht für ihre kinder verloren und sind ein leben lang gebrandmarkt und schikaniert worden – aber werden ja nicht bestraft. Ich glaube diese Frau lebt in ihrer eigenen Welt. „Realität ist das einzige was nicht verschwindet, wenn man aufhört daran zu glauben.“ Ja die Colorado-Geschichte hat Mortler schön verändert. Tatsächlich liegt der Konsum bei Jugendlichen über dem US durchschnitt, das tat er aber auch schon vor der Legalisierung. Mortler betrachtet bereits 10-mal pro Jahr kiffen als regelmäßigen Drogenkonsum, also sind ihre zahlen nicht wirklich zuverlässig. Die frau muss ganz schnell da weg, die hat überhaupt keine Ahnung was sie tut!

  • Hätten wir nur die Pussy Riot in Deutschland, dann wären solche gelungen PR Aktionen wie der berühmte Kirchenauftritt in D gegen Mortler längst durchgeführt. Die internationale Aufmerksamkeit wäre gewiss und sogar die Medien würden über die Mortler-Lügen berichten. Aber leider gibt es hier keine Riot, sondern nur Pussies.

  • So eine unkommpetente “ Drogenbeauftrage“ kann doch so dumm sein, fragt ihr euch? Doch! Sie heißt Marlene Mortler. Lügt mit selbst erfundenen Statistiken, von angeblichen 39% mehr Kinder die in Colorado kiffen seit dem es erlaubt wurde. jetzt mit diesem Schwachsinn das die Kiffer „locker“ paar Grämmchen in der Tasche haben dürfen? Sag mal ist diese Frau einfach behindert, oder hat sie sich wircklich noch nie mit der „Drogenpolitik“ befasst?

  • An John F. Habidie:
    Ich denke, dass dein Vorschlag zu durchsichtig ist und daher vor Gericht ggf. unglaubwürdig. Ich denke man sollte sie mit ihren eigenen Waffen schlagen und da wo sie am verwundbarsten ist; Mit Hilfe der MPU in ihrem eigenen Wahlkreis. In Roth sind offenbar alle heilig und haben mit Drogen nichts am Hut, d.h. niemand fährt dort betrunken mit dem Auto.

    Ich denke wir sollten uns dort auf die Lauer legen und bei jedem der dort mit Alkohol Auto fährt sofort die Polizei holen. Später können wir dem Alki ja anonym mitteilen, dass er unsere Aufmerksamkeit der Mortler zu verdanken. Hat was glaubst du was da los sein wird, wenn die Alkis auf einmal Rücksicht nehmen müssen . Ich freu mich schon. Macht alle mit. Ihr vollbringt nebenbei noch eine gute Tat

  • Und nicht zu vergessen: Die Führerscheinstelle. Es gab erst vor kurzem den Fall dass jemand zur MPU musste, weil er im Taxi mit ein paar Gramm Gras erwischt wurde. Die Frau scheint echt unter harten Drogen zu stehen. An Verlogenheit kaum zu überbieten. Mir reicht es wirklich! Wie können wir uns wehren?

  • Falsche Forderung!
    Es braucht einfach kreative Leute, die Frau Mortler mit Cannabis bestücken und sie dann auffliegen lassen. Erstens kann die Methode nicht falsch sein, denn sie wurde von den Bullen als erstes praktiziert. Zweitens möchte ich den obenstehenden Satz aus dem Mund von Frau Mortler nochmals hören, wenn sie sich dann im Drogenknast oder im Vollzug befindet. In dem Zeitpunkt Sirup für meine Ohren!

  • Die Frau ist Inkompetenz bist hinten gegen, weg mit der.
    Schick dir auf nen Bauernhof, da würd die sich bestimmt wohlfühlen.

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