Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, stellten am Donnerstag, 28. April 2016, in Berlin die „Rauschgiftlage 2015“ vor. Dabei wurde den sogenannten „Drogentoten“ viel Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahr 2015 starben in Deutschland 1.226 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Damit stieg die Zahl der „Drogentoten“ in Deutschland wie im Vorjahr wieder an – aktuell um 18,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mehrzahl der Rauschgifttoten war weiterhin männlich (84 Prozent), das Durchschnittsalter lag – wie im Vorjahr – bei knapp 38 Jahren.
Haupttodesursache der Todesfälle war wie in den Vorjahren die Überdosierung von Heroin und/oder Morphin in Verbindung mit anderen Substanzen. Sie sind für etwa 65 Prozent der Todesfälle verantwortlich. Ein Anstieg von 25 auf insgesamt 39 Todesfällen ist bei dem Konsum von sogenannten Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) allein oder in Verbindung mit anderen Substanzen zu verzeichnen. Erwähnenswert sind hier vor allem die sogenannten Kräutermischungen respektive deren Inhaltsstoffe, die synthetischen Cannabinoide.
Marlene Mortler ist seit dem 15. Januar 2014 Drogenbeauftragte der Bundesregierung. Im Jahr vor ihrem Amtsantritt (2013) starben in Deutschland aufgrund des Konsums illegalisierter Drogen 1.002 Menschen. Seit ihrem Amtsantritt stieg somit die Zahl der sogenannten „Drogentoten“ in Deutschland um 22,4 Prozent. Vor diesem Hintergrund erscheinen Formulierungen der Drogenbeauftragten recht befremdlich wie zum Beispiel ihre Äußerung bei der Vorstellung des Jahresberichtrs 2015 des Internationalen Suchtstoff-Kontrollrats (INCB) am 2. März 2016: „Der Bericht der Vereinten Nationen gibt uns Recht: Der immer wieder zitierte ‚Krieg gegen Drogen‘ existiert in Deutschland nicht. Vielmehr stehen wir an der Spitze einer modernen Drogen- und Suchtpolitik.“
Bayern liegt bei Flächenstaaten vorn
Wie im Vorjahr lag Bayern bei den Flächenstaaten vorn. In Bayern gab es letztes Jahr 314 „Drogentote“. Das waren 24,6 Prozent mehr als im Jahr 2014 und 77,4 Prozent mehr als vor fünf Jahren im Jahr 2011. Pro 100.000 Einwohner gab es in Bayern letztes Jahr 2,5 „Drogentote“, zwei Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt, der bei 1,5 lag. Von den Flächenstaaten lagen außer Bayern nur noch das Saarland mit 1,9 und Hessen mit 1,7 „Drogentoten“ pro 100.000 Einwohner über dem Bundesdurchschnitt.
Abbildung 1 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Flächenstaaten der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2015 (Datenquelle: BKA). Die Flächenstaaten im Osten Deutschlands mussten im Schnitt weit weniger „Drogentote“ registrieren als die im Westen des Landes. Und Bayern lag übrigens nicht nur 2014 und 2015 über dem Bundesdurchschnitt, sondern schon kontinuierlich seit 2007, wie die folgende Abbildung zeigt.
Abbildung 2 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in Bayern und in Deutschland als Zeitreihe von 1994 bis 2015 (Datenquelle: BKA). Einzig im Jahr 2006 lag Bayern unter dem Bundesdurchschnitt, in den Jahren 1995, 1997, 1999, 2002 und 2005 lag Bayern etwa beim Bundesdurchschnitt und in allen anderen Jahren darüber. Es gibt gemäß dieser Statistik keinen Anlass für die Vermutung, dass die härtere Gangart in der Drogenpolitik (Verbot von Fixerstuben, hohe Kontrolldichte) positive Auswirkungen auf die Schadensminderung hat.
Die Drogenbeauftragte Marlene Mortler wird auch nicht Müde, immer wieder die vier Säulen der Drogenpolitik in Deutschland lobend zu erwähnen und erläutert dabei die vier Bereiche: Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Dabei verschweigt sie wie immer tunlichst, dass in ihrer Heimat Bayern die bayerische Staatsregierung stets betont, dass es im Freistaat Bayern nur eine 3-Säulen-Drogenpolitik gebe, die die Bereiche Prävention, Repression und Therapie umfasst. Der Bereich Schadensminderung fehlt bei dieser 3-Säulen-Politik. Deshalb gibt es in Bayern zum Beispiel keine Fixerstuben, dafür jedoch seit Jahren eine kontinuierlich steigende Anzahl an sogenannten „Drogentoten“. Solchen Fakten pflegt die Drogenbeauftragte in ihren Verlautbarungen nicht zu erwähnen.
Auch auf der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen zum Weltdrogenproblem (UNGASS 2016) fand die Drogenbeauftragte lobende Worte für die Schadensminderung. In ihrer völlig emotionslos vorgelesenen Rede vor der UNO-Vollversammlung sagte sie: „Drogenpolitik muss den Menschen und die öffentliche Gesundheit in den Mittelpunkt stellen! Abhängigkeit ist kein moralisches Fehlverhalten, es ist eine Krankheit, die erfolgreich behandelbar ist! Und das im Einklang mit den Menschenrechten. Prävention, Beratung, Schadensreduzierung, Substitutionsbehandlung – wir haben damit in Europa ausgezeichnete Erfahrungen gesammelt. Wir sehen Erfolge, weniger Kriminalität, weniger HIV, weniger Hepatitis. […] Prävention, Schadensreduzierung und Behandlung auf Seiten der Abhängigen, das sind zentrale Standbeine der Drogenpolitik.“ Den Misserfolg bezüglich der stetig zunehmenden Anzahl von sogenannten „Drogentoten“ seit ihrem Amtsantritt erwähnte sie nicht.
Große Städte stärker betroffen
Heroinkonsumenten ziehen gerne in große Städte, da es dort meistens eine bessere Infrastruktur für die medizinische Versorgung gibt. Dies gilt insbesondere für die Substitution mit Methadon und Buprenorphin sowie in einigen Städten für die Originalstoffvergabe (Diamorphin). Durch die Zuwanderung von Opiatabhängigen ist die Häufigkeit von „Drogentoten“ in großen Städten oftmals deutlich größer als auf dem Land.
Erst nach der Grundsatzentscheidung durch den Bundesgerichtshof am 17. Mai 1991 zur Therapiefreiheit des Arztes und zur Zulässigkeit der Methadonbehandlung wurde vom Gesetzgeber das Betäubungsmittelgesetz am 9. September 1992 dahingehend geändert, dass bei bestimmten Indikationen, auch sozialen, die Substitution zulässig war. Nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im September 1992 wurde auch die Verschreibungsverordnung für Betäubungsmittel 1992 und 1994 den richterlichen Vorgaben angepasst und erweitert, so dass sich die ärztliche Verschreibung von Ersatzdrogen wie Methadon und Levomethadon in den neunziger Jahren als anerkannte Methode zur Behandlung der Heroinabhängigkeit etablieren konnte. Auch die Abgabe von sterilen Kanülen wurde erst 1992 legalisiert.
Abbildung 3 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Stadtstaaten und ausgewählten Städten im Jahr 2015 (Datenquelle: BKA). Hannover, Düsseldorf und Dortmund liegen unter dem Bundesdurchschnitt, Hamburg, Frankfurt am Main und Köln übertreffen diesen um mehr als das Doppelte, München und Berlin liegen knapp unter dem Dreifachen und Nürnberg deutlich über dem Dreifachen.
Heimarbeit für die Drogenbeauftragte Mortler
In Nürnberg gab es pro 100.000 Einwohner im Jahr 2015 etwa 5,4 „Drogentote“. In keiner anderen deutschen Großstadt gab es im gesamten Jahr so viele „Drogentote“ in Relation zur Einwohnerzahl. Dennoch bleiben die Behörden in Bayern absolut lernresistent, setzen nach wie vor primär auf repressive Maßnahmen und verhindern die Etablierung von Maßnahmen zur Schadensminderung wie beispielsweise Fixerstuben.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, wuchs im Nürnberger Land in Franken (Nordbayern) auf und war bisher dort auch politisch aktiv. Für Mortler ist jetzt echte „Heimarbeit“ angesagt, um dem Drogenelend in der fränkischen Metropole und dem Bundesland Bayern Einhalt zu gebieten. Deshalb muss sie dafür sorgen, dass auch in Bayern der Schadensminderung eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Repression.
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[04.12.2013] Die CSU und der Drogentod
[30.12.2010] Die Tragödie von Nürnberg
[…] [30.04.2016] 2015 wieder mehr Drogentote […]