vonHans Cousto 04.11.2016

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

Mehr über diesen Blog

Am 29. September 2016 wurde in Berlin eine Präventions- und Aufklärungskampagne zu Cannabis gestartet. Unter dem Titel „Zu breit?“ wollte die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales Jugendliche und Erwachsene mit der Kampagne aufrütteln, über die gesundheitlichen und sozialen Risiken des Cannabiskonsums informieren und zum Jugendschutz beitragen. Die Kampagne verfehlte jedoch ihr Ziel. Sie erntete in der Kifferszene vor allem Hohn und Spott und auch bürgerliche Kreise amüsierten sich über die wirklichkeitsfremden Überzeichnungen in den präsentierten Materialien.

Widersprüchliches

Dies gilt nicht nur für das Video von Drob Dynamic sondern auch für die Rubrik „Echt jetzt?! – Kiffer und ihre Ausreden“ mit dem Untertitel „Es gibt viele Mythen rund um Cannabis und ums Kiffen. Hier gibt’s die Fakten.“ Dort kann man beispielsweise lesen, dass das THC, das die Rauschwirkung erzeugt, die Gehirnareale, die für die Wahrnehmung von Sinnesreizen verantwortlich sind, blockiere. Und an anderer Stelle in dieser Rubrik wird genau das Gegenteil behauptet. Wörtlich heißt es da: „Cannabis gilt als sogenannte bewusstseinserweiternde Droge. In der Tat wird im Cannabisrausch die Wahrnehmung verändert. Die Sinnesorgane reagieren stärker. Farben, Töne, Gerüche, Empfindungen können intensiver oder zumindest anders wahrgenommen werden.

Schmalhirniges

Kiffen ist legal, genauso wie der Konsum aller anderen Drogen auch nicht verboten ist. Doch die Vorbereitungshandlungen zum Konsum, also der Erwerb und Besitz, sind verboten. Nun fragen sich viele Menschen, wieso es verboten ist, die Vorbereitungshandlungen für eine lagale Handlung zu tätigen. Zur Beantwortung dieser Frage braucht es ein juristisch breit gefächertes Wissen, doch die Autoren von „Zu breit?“ hatten wohl ein zu schmal gefächertes Wissen, um diese Frage zu beantworten. Ihr geistig-intellektuelles Niveau reichte dafür nicht aus und so wichen sie der Frage aus und schrieben lapidar: „Der Anbau von Cannabis sowie der Besitz von und der Handel mit Cannabis und Cannabisprodukten ist strafbar. […] Nicht strafbar ist der Konsum. Hier wird es allerdings kompliziert, denn wer Cannabis konsumiert, ist in der Regel auch im Besitz der Droge.

Verunglimpfung von Wissenschaftlern

In der Rubrik „Ist Cannabis harmloser als Alkohol?“ wird nicht nur behauptet, dass der Konsum von Cannabis auch einen Kater nach sich ziehen kann, sondern dass nach dem Cannabisrausch es zu einem ähnlichen Hangover kommen könne wie beim Alkohol, ja bei Cannabis könne der Kater sogar noch tagelang anhalten. Und in der Rubrik „Cannabis ist harmloser als Alkohol“ steht wörtlich: „Wer das behauptet, verkennt die langfristigen Folgeschäden des regelmäßigen Kiffens.“ Forscher des Rijksinstituut voor Volksgezondheid en Milieu in Bilthoven haben im Auftrag des Ministeriums für Gesundheit, Wohlfahrt und Sport im Jahr 2009 die Gefährlichkeit von Drogen für das Individuum wie auch für die Gesellschaft untersucht. Sie kamen zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Konsum von Alkohol in jeder Untersuchten Kategorie gefährlicher ist als der Konsum von Cannabis. Und Professor David Nutt (Independent Scientific Committee on Drugs, ISCD) und Dr. Leslie A. King (Fachberater der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, EMCDDA) haben im Herbst 2010 in London eine Studie zur Gefährlichkeitsbewertung von Drogen vorgestellt. Alkohol wurde dabei als gefährlichste Droge angesehen und erhielt 72 »Gefährlichkeitspunkte«, Cannabis lag im Mittelfeld und erhielt 20 Punkte und LSD wie auch die Zauberpilze wurden als eher ungefährlich eingestuft und erhielten 7 respektive 5 Punkte. All diesen Wissenschaftlern zu unterstellen, sie täten die langfristigen Folgeschäden des regelmäßigen Kiffens verkennen, ist eine Verunglimpfung der Forscher.

Drob Dynamic im Chaos

Das Kampagnenvideo zeigt den Rapper Drob Dynamic in einer absolut chaotischen Wohnung und er selbst verhält sich im Video auch wie ein völliger Chaot. Aus dem Bett kommend sieht man ihn durch sein vermülltes Zimmer gehen und in einen Haufen Kacke treten, dann putzt er sich mit der Klobürste die Zähne, geht dann auf die Straße und merkt dort, dass er keine richtige Hose an hat und später läuft er gegen eine Laterne – letzteres passiert eher Benutzer von Smartphones. Insgesamt wird der Eindruck vermittelt, Kiffer seien völlige Chaoten. Die Macher der Kampagne nennen das  Comedy Rap auf Augenhöhe der Zielgruppe.

Verantwortlich für die Kampagne ist die Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales. Nachdem der  Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin, Frank Henkel (CDU), und der Senator für Gesundheit und Soziales, Mario Czaja (CDU), mit dem Versuch gescheitert waren, die sogenannte „geringe Menge“ in Berlin von 15 auf 6 Gramm herab zu setzen, weil die SPD Widerstand leistete, vereinbarten die Koalitionsfraktionen CDU und SPD im Jahr 2015, einerseits an der liberalen Regelung zur Umsetzung des § 31a Betäubungsmittelgesetz festzuhalten und andererseits am Görlitzer Park und im Umfeld von Kitas und Schulen Null-Toleranz-Zonen einzuführen. Eine Aufklärungskampagne zu den Risiken des Cannabiskonsums sollte die Maßnahmen flankieren. Dafür wurden 500.000 Euro im Berliner Haushalt bereitgestellt. Herausgekommen ist dabei ein völlig chaotisches Wirrwarr.

Chaos, Chaoten und Oberchaoten

Am Samstag vor Ostern, 26. März 2016, fand an der East Side Gallery eine Demonstration zum Thema Uneingeschränkte Pressefreiheit statt. Dort wurden die Berliner Oberchaotenosterhasen in Gold, Silber und Bronze verliehen. Grundlage für die Auswahl der Sieger waren die Trefferzahlen bei Google News für die Suchbegriffe: „Berlin, Chaos“ und „Berlin, Chaoten“ und in der Folge die Trefferzahlen mit den am häufigsten vorkommenden Zusatzbegriffen. So führte die Suchbegriffskombination „Berlin, Chaos, Rigaer Straße“ zu 1.350 Treffern und die Kombination „Berlin, Chaoten, Rigaer Straße“ zu 218 Treffern. Das Datum der Abfrage war Karfreitag, 25. März 2016. Die Höchsten Trefferzahlen zeigten sich bei der Kombination der Suchbegriffe mit Fußball.

Darauf folgten die Kombinationen „Berlin, Chaos, S-Bahn“ (17.600 Treffer) und „Berlin, Chaos, BER“ (12.200 Treffer). Sowohl bei der Bahn als  auch beim BER (Berlin-Brandenburger Flughafen im Bau, auch Wowiläum genannt) war Hartmut Mehdorn Verantwortungsträger (Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG, Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH). Deshalb erhielt er den Berliner Oberchaotenosterhasen in Gold zugesprochen.

Darauf folgte die Kombinationen „Berlin, Chaos, LaGeSo“ (7.400 Treffer). LaGeSo steht für Landesamt für Gesundheit und Soziales. Der Senator für Gesundheit und Soziales in Berlin heißt Mario Czaja (CDU). Er erhielt als Hauptverantwortlicher für diesen Bereich den Berliner Oberchaotenosterhasen in Silber zugesprochen. Und darauf folgte die Kombination „Berlin, Chaos, Bürgerämter“ (4.750 Treffer). Hauptverantwortlicher für diesen Bereich ist der Senator für Inneres und Sport des Landes Berlin, Frank Henkel (CDU). Er erhielt deshalb den Berliner Oberchaotenosterhasen in Bronze.
Verleihung der Berliner Oberchaotenosterhasen
Ist es wirklich eine zufällige Korrelation, das die beiden Senatoren, die das größte Chaos in ihren Ämtern zu verantworten haben, sich in Sachen Prohibition (Verbotspolitik) bei Cannabis besonders stark hervor tun wollten, oder ist das eine allgemein gültige Regel? Die Kampagne „Zu breit?“ scheint eher letzteres zu bestätigen.

Übrigens, heute stand im Tagesspiegel Checkpoint:

Die Standesämter sind seit Anfang der Woche Außerstandes-Ämter – nach einem Update haben sich die Rechner nicht mehr getraut. Verbrämt wurde die neue Computerpanne (eine von vielen in den vergangenen Monaten) durch angebliche „Schließtage wegen Fortbildung und einer Personalversammlung“ (Charlottenburg-Wilmersdorf), anderswo war lediglich von „extrem eingeschränktem Service“ die Rede. Die eingesetzte Software heißt übrigens „Autista“.

BER count up: Tage seit Nichteröffnung: 1616

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/drogerie/2016/11/04/zu-breit/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Ein Skandal, dass für dieses peinliche Video und diese peinliche Kampagne eine halbe Million aus leeren Töpfen gekratzt wurde. Sicher ist da wieder die berüchtigte Vetternpolitik die Wurzel dieses Übels! Gut, dass die Henkel Truppe abgewählt wurde! Leider nur bleibt die Berliner Verwaltung in ewig gleichen, korrupten Händen. Möge Transparenz schnellstmöglichst in diese amtsschimmellige Welt einziehen!

    Danke, Hans Cousto für diesen erhellenden Beitrag!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert