Bis zu zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung befürworten die Aufhebung des Cannabisverbots – sofern gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Das zeigt eine repräsentative Bevölkerungsbefragung im Auftrag des Fachverbands Sucht, die am 16. August 2017 publiziert wurde. Es sei hier angemerkt, dass hier ausschließlich von Cannabis mit einem THC-Gehalt von mehr als einem Prozent die Rede ist – Cannabis mit einem THC-Gehalt unter einem Prozent ist schon jetzt in der Schweiz legal und ist vielerorts im Handel erhältlich.
Gemäß Medienmitteilung vom 16. August 2017 des Fachverbands Sucht unterstützen die Schweizerinnen und Schweizer unter gewissen Voraussetzungen, dass das Verbot, Cannabis zu kaufen und zu verkaufen wie auch zu konsumieren, aufgehoben wird (In der Schweiz ist im Gegensatz zu Deutschland auch der Konsum von Cannabis verboten). Das hat eine repräsentative Befragung im Auftrag des Fachverbands Sucht, des Verbands der Suchtfachorganisationen und -personen der Deutschschweiz, ergeben. Die beiden wichtigsten Voraussetzungen für die Aufhebung des Verbots sind aus Sicht der Befragten, dass der Konsum für unter 18-Jährige sowie in Zusammenhang mit Autofahren verboten bleibt. Je 66 Prozent von ihnen unterstützen, dass das Verbot aufgehoben wird, wenn die betreffende Voraussetzung erfüllt ist. Ebenfalls wichtig ist den Schweizerinnen und Schweizern, dass der Konsum von Cannabis denselben Bestimmungen unterliegt wie das Rauchen von Zigaretten, und dass Cannabis nur in Apotheken oder spezialisierten Geschäften mit geschultem Personal verkauft werden darf.
Die Befragung des Fachverbands Sucht zeigt zudem, dass die Zustimmung der Tessinerinnen und Tessiner (im Tessin spricht man Italienisch) bei allen formulierten Voraussetzungen am deutlichsten ist, gefolgt von der Deutschschweizer Bevölkerung. Am geringsten ist die Zustimmung zur Aufhebung des Verbots in der Suisse Romande, der welschen Schweiz, wo man Französisch spricht.
Durchgeführt hat die Befragung das Institut für Markt- und Sozialforschung, gfs-zürich, im Auftrag des Fachverbands Sucht. gfs-zürich befragte im Zeitraum vom 11. Juli bis am 5. August in telefonischen Interviews 1‘200 Personen ab 18 Jahren.
Viele Schweizer kiffen gerne
Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegalisierte Substanz in der Schweiz. Weil der Konsum trotz Verbot nicht abnimmt und die Verbotspolitik aus ihrer Sicht Nachteile hat, bereiten die Städte Bern und Zürich sowie die Kantone Basel-Stadt und Genf derzeit Pilotprojekte zur legalen Abgabe von Cannabis an ausgewählte Empfängerinnen und Empfänger vor. Der Fachverband Sucht verfolgt den Prozess und vertritt darin die Interessen der Fachpersonen, die in der Prävention, der Behandlung und der Schadensminderung tätig sind.
Die Cannabis-Konsumzahlen für die Schweiz zeigen, dass die derzeitige Cannabispolitik den Cannabiskonsum nicht verhindert. Aus Sicht von Prävention, Schadensminderung und Behandlung führt sie vielmehr zu zahlreichen unerwünschten Nebenwirkungen. Das Bundesamt für Gesundheit zeigt in einer neuen Studie vom Mai 2017 zum Beispiel auf, dass der Cannabis, der in der Schweiz auf dem Schwarzmarkt verkauft wird, mit Pestiziden, Schwermetallen und Schimmelpilzen verunreinigt ist. Aus gesundheitspolitischer Sicht ist das sehr bedenklich. In den Städten Bern und Zürich sowie in den Kantonen Basel-Stadt und Genf werden deshalb wissenschaftliche Pilotprojekte zur legalen Abgabe von Cannabis vorbereitet. Am meisten wird jedoch im Tessin gekifft, wie man der folgenden Grafik entnehmen kann.
Grafik 1 zeigt die Anteile der Bevölkerung in der Schweiz, die schon Cannabis konsumiert haben, aufgegliedert nach Alter, Sprachregion und Siedlungsart. Datenquelle: gfs-zürich, 2017. Deutlich ist zu sehen, dass Rentnerinnen und Rentner seltener kiffen als die jüngere Bevölkerung, dass im Tessin am meisten gekifft wird und dass in Städten mehr gekifft wird als in abgelegenen Regionen auf dem Land.
Grafik 2 zeigt die Anteile der Bevölkerung in der Schweiz, die schon Cannabis konsumiert haben, aufgegliedert nach Geschlecht, Bildung und Kommunikationsweg. Datenquelle: gfs-zürich, 2017. Deutlich ist zu sehen, dass Männer häufiger kiffen als Frauen, Kiffen in gebildeten Gesellschaftsschichten mehr als doppelt so populär ist als in ungebildeten Gesellschaftsschichten und dass Leute, die über Mobilfunk zu erreichen sind, häufiger kiffen als Leute, die man via Festnetz erreicht.
Jugendschutz und Sicherheit im Straßenverkehr sind wichtig
Jugendschutz und Sicherheit im Straßenverkehr sind den Befürwortern der Cannabislegalisierung sehr wichtig. Jeweils zwei Drittel der Befragten meinten, dass ein Verbot des Umgangs mit Cannabis für Jugendliche (unter 18-Jährige) eine Bedingung für die Legalisierung sein müsse und ebenso viele sprachen sich für Nüchternheit im Straßenverkehr aus.
Grafik 3 zeigt die Anteile der Bevölkerung in der Schweiz, die für eine Legalisierung von Cannabis sind, wenn der Konsum für unter 18-Jährige verboten bleibt. Datenquelle: gfs-zürich, 2017. Deutlich ist zu sehen, dass unter dieser Bedingung im Tessin (dort spricht man Italienisch) die meisten Befürworter der Legalisierung wohnen (83%), in der welschen Schweiz, wo man Französisch spricht, die wenigsten (56%).
Grafik 4 zeigt die Anteile der Bevölkerung in der Schweiz, die für eine Legalisierung von Cannabis sind, wenn der Konsum im Zusammenhang mit Autofahren verboten bleibt. Datenquelle: gfs-zürich, 2017. Deutlich ist auch hier zu sehen, dass im Tessin die meisten Befürworter der Legalisierung wohnen (80%), in der welschen Schweiz die wenigsten (53%). Menschen, die über Mobilfunk zu erreichen waren, sprachen sich weit häufiger für eine Legalisierung aus als Menschen, die via Festnetz erreicht wurden.
Betäubungsmittelgesetz und Cannabislegalisierung in der Schweiz
Im Juni 2004 war die Revision des Betäubungsmittelgesetzes gescheitert: Der Nationalrat (Volkskammer) lehnte es zum zweiten Mal ab, auf die Vorlage Revision BetmG einzutreten. Mit 102 zu 92 Stimmen sprach sich die Große Kammer für ein Nichteintreten aus. Dies obwohl der Ständerat (Länderkammer) zweimal beschlossen hatte, auf die Vorlage einzutreten. Seitdem sind auf verschiedenen Ebenen neue Anläufe genommen worden. Die Gesundheitskommission des Nationalrates hat im Februar 2005 in einer Kommissionsinitiative beschlossen, in einer ersten Etappe die mehrheitsfähigen Elemente dieser gescheiterten Revision zu verankern und in einer zweiten Phase eine Lösung für die Cannabisfrage zu suchen. Zudem wurde am 13. Januar 2006 die Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“ (Hanfinitiative) gestartet.
Die eidgenössische Volksinitiative „für eine vernünftige Hanf-Politik mit wirksamem Jugendschutz“, auch inoffiziell „Hanfinitiative“ oder „Cannabisinitiative“ genannt, war gemäß Artikel 139 Absatz 3 der Schweizer Bundesverfassung eine Volksinitiative, die am 30. November 2008 zur Abstimmung kam. Sie wurde vom Initiativkomitee „Pro Jugendschutz – gegen Drogenkriminalität“ lanciert und verlangte die Liberalisierung der Hanfpolitik, unter anderem die Legalisierung des Besitzes und des Erwerbs von psychotropen Substanzen der Hanfpflanze sowie des Anbaus der Hanfpflanze. Diese Initiative wurde am 15. Dezember 2006 mit 105.994 gültigen Unterschriften beim Bund eingereicht.
Ende November kam jedoch nicht nur die Hanfinitiative sondern auch das Referendum gegen das revidierte Betäubungsmittelgesetz zur Abstimmung. Der Souverän konnte sich somit separat zur Cannabis-Entkriminalisierung und zur gesetzlichen Verankerung des drogenpolitischen Viersäulenkonzepts (inklusive medizinischer Heroinabgabe) äußern. Die helvetische Drogenpolitik kam Ende November 2008 auf den Volks-Prüfstand.
Die Initiative „Pro Jugendschutz – gegen Drogenkriminalität“ für die Liberalisierung der Hanfpolitik fand schweizweit nur 36,7% Zustimmung und wurde somit verworfen. Nur die Stimmberechtigten in der Stadt Zürich stimmten mit 54,4% für die Initiative wie auch der Bezirk Saanen im Berner Oberland, wo 50,7% für die Initiative stimmten. Im Bezirk Saanen liegt der Nobelkurort Gstaad. Nur in drei Kantonen erreichte die Initiative „Pro Jugendschutz – gegen Drogenkriminalität“ einen Anteil von Ja-Stimmen, der über 40% lag: Basel-Stadt: 44,7%, Zürich: 43,3%, Schaffhausen: 40,6%. Bemerkenswert ist hierbei, dass der Kanton Basel-Stadt auch landesweit den höchsten Anteil an Ja-Stimmen bei der Abstimmung zur DroLeg-Initiative am 29. November 1998 (33,9%), zur ärztlichen Verschreibung von Heroin am 13. Juni 1999 (69,2%) und zum revidierten Bundesgesetz über die Betäubungsmittel am 30. November 2008 (76,2%) hatte. Basel-Stadt ist drogenpolitisch gesehen der liberalste Kanton in der Schweiz.
Das Referendum gegen das revidierte Betäubungsmittelgesetz kam nicht zustande. Nur 31,9% stimmten für das Referendum und somit hießen 68,1% oder mehr als 2/3 der Bevölkerung die gesetzliche Verankerung des drogenpolitischen Viersäulenkonzepts (inklusive medizinischer Heroinabgabe) gut. Die Zustimmung lag außer im Kanton Waadt (56,8% Ja-Stimmen) in allen Kantonen über 60%.
Starker Meinungsumschwung innerhalb von zehn Jahren
Stimmten im Jahr 2008 nur etwas mehr als ein Drittel der Bevölkerung für eine Legalisierung von Cannabis, so könnten es heute gemäß der Umfrage des Fachverbands Sucht zwei Drittel sein. Somit hätte nach dieser Umfrage etwa ein Drittel der Bevölkerung innerhalb der letzten zehn Jahren seine Meinung geändert. Am stärksten hat sich der Meinungsumschwung im Tessin manifestiert. Stimmten seinerzeit nur 33,6% für die Legalisierung, wären es heute gemäß Umfrage über 80%.