Das Expertenkomitee für Drogenabhängigkeit (Expert Committee on Drug Dependence – ECDD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) tagte vom 12. bis 16. November 2018 in Genf. Auf dieser 41. Sitzung wurde vornehmlich über den Schaden, den der Konsum von Cannabis anrichten kann wie auch den Nutzen, den Cannabis als Medikament für die Patienten haben kann, diskutiert. Grundlage der Diskussion war der Bericht der 40. Sitzung des selben Expertenkomitees. Die 40. Sitzung fand vom 4. bis 7. Juni in Genf statt, wobei dort die Aspekte der verschiedenen Cannabinoide ausführlich diskutiert wurden.
Auf der 41. Sitzung des Expertenkomitees wurden Empfehlungen für eine Neubewertung von Cannabis ausgearbeitet, die in dem Anhang 1 zum protokolarischen Bericht der Sitzung zusammengefasst sind. Darin werden Umstufungen von Cannabis in verschiedenen Tabellen des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs) von 1961 empfohlen sowie die Entfernung von delta-9-Tetrahydrocanabinol (THC) aus der Konvention über psychotrope Substanzen von 1971.
Tabellen des Einheitsabkommens
Das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel listet Drogen in vier kontinuierlich aktualisierten Tabellen auf, die die Verkehrsfähigkeit in unterschiedlichem Maß einschränken so wie etwa die Anlagen I bis III zu § 1 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz in Deutschland. Diese Beschränkungen nehmen von Tabelle I (starke Beschränkungen) bis Tabelle III (eher moderate Beschränkungen) ab. Tabelle IV (extrem starke Beschränkungen) bildet eine Teilmenge von Tabelle I und nimmt einen Sonderstatus ein. Die in ihr aufgeführten Substanzen und Zubereitungen sind generell nicht verkehrsfähig und somit auch als Arzneimittel nicht zulassungsfähig. Die Reihenfolge von extrem restriktiv bis am wenigsten restriktiv lautet: Tabelle IV, Tabelle I, Tabelle II, Tabelle III.
Empfehlungen des WHO-Expertenkomitees
Das Expertenkomitee kam zu dem Schluss, dass die Aufnahme von Cannabis und Cannabisharz in Anhang IV des Einheitsabkommens nicht im Einklang mit den Kriterien für Stoffe ist, die für eine Aufnahme Anhang IV vorgesehen sind. Daraus folgte die erste Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Cannabis und Cannabisharz aus der Tabelle IV des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.
Die wichtigste psychoaktive Substanz in der Cannabispflanze ist eine der vier Stereoisomere von delta-9-Tetrahydrocannabinol. Diese Substanz hat therapeutische Zwecke und ist auch unter dem Namen Dronabinol bekannt. Dronabinol befindet sich derzeit in Tabelle II des Übereinkommens über psychotrope Substanzen von 1971. Tabelle II beinhaltet Stoffe mit eingeschränktem therapeutischen Nutzen wie Amphetamin, Phencyclidin (PCP) und Dronabinol. Nach dem heutigen Wissenstand trifft die Definition „mit eingeschränktem therapeutischen Nutzen“ nicht mehr zu, da ein therapeutischer Nutzen erwiesen ist. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die zweite Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Anhang I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern. Das Expertenkomitee empfiehlt zudem die Streichung von Dronabinol und von seinen Stereoisomeren (delta-9-Tetrahydrocannabinol) aus Tabelle II des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe, vorbehaltlich der Annahme der Empfehlung Dronabinol und seine Stereoisomere (delta-9-Tetrahydrocannabinol) in Tabelle I des Einheitsabkommens von 1961 einzugliedern.
In Tabelle I des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe sind Substanzen aufgeführt, die angeblich überhaupt keinen medizinischen Nutzen haben wie beispielsweise LSD, Psilocybin und MDMA. Heute weiß man, dass diese Substanzen sehr wohl einen medizinischen Nutzen haben und deshalb ist auch hier eine Anpassung an den heutigen Wissensstand nötig. Wie dem auch sei, in dieser Tabelle I sind auch sechs Isomere von Dronabinol aufgelistet. Diese sechs Isomere ähneln chemisch dem delta-9-Tetrahydrocannabinol, das derzeit in Tabelle II des Übereinkommens von 1971 über psychotrope Stoffe aufgeführt ist. Das Expertenkomitee hat jedoch empfohlen, delta-9-Tetrahydrocannabinol aus dieser Liste zu streichen und in Tabelle I des Einheitsabkommens von 1961 einzugliedern. Obwohl diese sechs Isomere dem delta-9-Tetrahydrocannabinol chemisch sehr ähnlich sind, gibt es nur sehr wenige Beweise bezüglich des Missbrauchspotenzials und der akuten berauschenden Wirkungen dieser Isomere. Es gibt keine Berichte, dass die in Anhang I der Konvention von 1971 aufgelisteten THC-Isomere eine physische Abhängigkeit hervorrufen. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die dritte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Tetrahydrocannabinol (bezogen auf die sechs in Tabelle I des Übereinkommens von 1971 aufgelisteten Isomere von THC) in Tabelle I des Einheitsabkommens über die Betäubungsmittel von 1961 einzugliedern, sofern die Empfehlung zur Eingliederung von Dronabinol in diese Tabelle I angenommen wurde.
Das Expertenkomitee hat erkannt, dass der Begriff „Extrakte und Tinkturen von Cannabis“ gemäß dem Übereinkommen über Betäubungsmittel von 1961 verschiedene Zubereitungen umfasst, die teilweise psychoaktiv wirken und teilweise dies nicht tun. Das Expertenkomitee hat erkannt, dass die Variabilität betreffend psychoaktive Eigenschaften dieser Zubereitungen hauptsächlich auf unterschiedlichen Konzentrationen von delta-9-Tetrahydrocannabinol beruhen. Cannabisextrakte und Tinkturen ohne psychoaktive Eigenschaften, darunter überwiegend Cannabidiol (CBD), das vielversprechende therapeutische Anwendungen hat, gehören deshalb nicht zum Kontext des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die vierte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt Extrakte und Tinkturen von Cannabis aus der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 zu streichen.
Auf seiner 40. Sitzung prüfte das Expertenkomitee für Drogenabhängigkeit der WHO Berichte über die Wirkung von Cannabidiol und empfahl, das reines Cannabidiol nicht unter die Kontrollmaßnahmen der internationalen Abkommen zu stellen. Cannabidiol kommt in Cannabis und Cannabisharz vor, hat aber keine psychoaktive Eigenschaften und hat kein Missbrauchspotenzial und kein Abhängigkeitsvermögen. Es hat keine signifikanten negativen Auswirkungen. Cannabidiol hat sich bei der Behandlung von Krankheiten wie Epilepsie als wirksam erwiesen. Es wurde für diese Verwendung in den Vereinigten Staaten im Jahr 2018 als Medikament zugelassen und derzeit wird die Zulassung in der Europäischen Union geprüft. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die fünfte Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 eine Fußnote mit dem folgenden Text hinzuzufügen: „Zubereitungen mit überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent delta-9-Tetrahydrocannabinol fallen nicht unter die internationale Kontrolle.“
Derzeit zugelassene Arzneimittel mit delta-9-Tetrahydrocannabinol als einzigem Wirkstoff werden (halb)synthetisch hergestellt wie zum Beispiel Marinol und Syndros. In der Zukunft ist es auch möglich, Zubereitungen mit gleichwertigen Eigenschaften aus Cannabis herzustellen, die die gleichen Mengen von delta-9-Tetrahydrocanabinol beinhalten. Die therapeutischen Wirkungen unterscheiden sich nicht. Es sind keine nachteilige Auswirkungen von aus der Cannabispflanze gewonnenes delta-9-Tetrahydrocanabinol im Vergleich zu (halb)synthetisch hergestelltem delta-9-Tetrahydrocanabinol bekannt.
Um den Zugang zu diesen Arzneimitteln nicht zu behindern und unter Bezugnahme auf Artikel 3.4 des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 erfolgte die sechste Empfehlung:
Das Expertenkomitee empfiehlt, dass Zubereitungen mit delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol), die entweder durch chemische Synthese oder als Zubereitungen von Cannabis, die als pharmazeutische Produkte mit einem oder mehreren anderen Inhaltsstoffen zusammengesetzt sind, und von solcher Beschaffenheit sind, dass delta-9-Tetrahydrocannabinol (Dronabinol) nicht mit leicht verfügbaren Mitteln extrahiert oder in anderer Weise eine Ausbeute gewonnen werden kann, in Tabelle III (Tabelle mit den geringsten Restriktionen) des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 aufgenommen werden, da sie unter den gegebenen Bedingungen kein Risiko für die öffentliche Sicherheit darstellen.
Resonanz bei Verbänden und Medien
Gibt man in eine Suchmaschine wie Google oder Bing die Suchbegriffe „WHO“ und „Cannabis“ ein, dann werden einem diverse Treffer zu Fachverbänden und Fachzeitschriften angezeigt. So schreibt der Deutsche Hanfverband (DHV) unter dem Titel Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis, dass die Weltgesundheitsorganisation den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen eine Neuklassifizierung von Cannabis empfehle, die den Umgang mit Cannabis grundlegend verändern und insbesondere die medizinische Nutzung erleichtern würde. Eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO habe zuvor die Risiken von Cannabis, THC und CBD untersucht und sei zu dem Schluss gekommen, dass die Risiken die aktuelle Einstufung nicht rechtfertigen. Gleichzeitig sei ein medizinischer Nutzen von Cannabis anerkannt worden.
Leafly fasst die Ergebnisse unter dem Titel Cannabis-Neubewertung: Erste Ergebnisse liegen vor wie folgt zusammen: Cannabisblüten und Cannabisharz sollen nicht mehr als gefährliche Stoffe eingestuft werden, die keinen medizinischen Wert besitzen. Dronabinol und Tetrahydrocannabinol sollen nicht mehr als psychotrope Substanzen, sondern als Betäubungsmittel eingestuft werden. Cannabidiol (CBD) ist nicht gefährlich und kann therapeutisch wertvoll sein. CBD-Extrakte, die bis zu 0,2 Prozent THC enthalten, sollen dereguliert und am Markt frei erhältlich sein.
Das Hanf Journal schreibt unter dem Titel WHO empfiehlt Neubetrachtung von Cannabis, dass die WHO eine Herabstufung von Cannabispflanzen sowie den Harzen der Gewächse aus der Kategorie IV auf Stufe I, in welcher nur die weniger gefährlichen Substanzen aufgelistet sind, fordere. Klar ausgesprochen werde von der WHO auch, dass Cannabidiol – kurz CBD – sowie Produkte mit dem Wirkstoff nicht unter internationaler Kontrolle stünden, solange sie den THC-Wert von 0,2 Prozent nicht überschreiten würden, was etwas Klarheit über den argwöhnisch beäugten Handel mit rauschfreien Blüten und Nahrungsergänzungsmitteln schafft.
Treffer zu den bekannten Massenmedien wurden bei den Suchmaschinen keine angezeigt – einzige Ausnahme: wallstreet-online. Wallstreet berichtet unter dem Titel Weltgesundheitsorganisation empfiehlt Neuklassifizierung von Cannabis, dass eine wissenschaftliche Arbeitsgruppe der WHO zuvor die Risiken von Cannabis, THC und CBD untersucht habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass die Risiken die aktuelle Einstufung nicht rechtfertigen. Neben dem Artikel wird der Aktienkurs eines bekannten Unternehmens aus der Hanfbranche angezeigt. Der Kurs von Aurora Cannabis ist innerhalb der letzten vier Wochen von knapp 6,00 Euro auf 9,70 Euro gestiegen.
Ein Treffer zur Seite der Drogenbeauftragten Marlene Mortler wurde von den Suchmaschinen auch angezeigt. Dieser führte zu einer Pressemitteilung, die unter dem Titel Aktuelle WHO-Studie zum Thema Cannabiskonsum veröffentlicht wurde. Die Pressemitteilung ist jedoch nicht aktuell, sondern darin wird von einer internationalen Expertenkommission unter Vorsitz des schwedischen Gesundheits-und Sozialministers berichtet, die im April 2015 tagte, um die Forschungsergebnisse bezüglich der Auswirkungen auf den Menschen bei Cannabiskonsum – sowohl psychisch als auch gesamtgesundheitlich betrachtet – zusammen zu tragen. Bemerkenswert an dieser Pressemitteilung ist, dass sie kein Veröffentlichungsdatum enthält. Nur wer aufmerksam die Seite betrachtet, kann in der Navigationsleiste sehen, dass diese Pressemitteilung um 2. Quartal 2016 veröffentlicht wurde. In der Übersicht zu den Pressemitteilungen aus dem Jahr 2016 der Drogenbeauftragten kann man sehen, dass alle Pressemitteilungen ein Veröffentlichungsdatum haben, außer jener hier erwähnten, die zwischen dem 30. Mai 2016 und dem 7. Juni 2016 eingetragen ist. Wurde hier das Datum entfernt, um die Relevanz bei Suchmaschinen zu manipulieren?
Die Revolution der Cannabisindustrie hat mit dem Anbau von medizinischem Cannabis schon einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Dennoch geht der Fortschritt in der Cannabisindustrie nur sehr schleppend voran. Der momentane Anbau der Pharmaindustrie kann noch nicht mal annähernd den Bedarf der Cannabisschmerzpatienten decken. Zum Glück gibt es Firmen wie Cannergrow, welche mit ihrem privaten Cannabisanbau die Pharmaindustrie und Regierungen unterstützen.
https://cannergrow.info
LG, Sebastian