Aus den jährlich erscheinenden Statistiken des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden zu den Unfällen unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr kann man entnehmen, dass der Straßenverkehr in Deutschland in den letzten Jahrzehnten signifikant sicherer geworden ist. 1970 gab es in der alten Bundesrepublik (Wessiland) gemäß Destatis 19.193 Verkehrstote. Damals hatte die alte Bundesrepublik 61.502.503 Einwohner. Damals gab es somit in der alten Bundesrepublik weit über 300 Verkehrstote pro Million Einwohner. Im Jahr 2017 kamen in Deutschland weniger als 40 Menschen pro Million Einwohner im Straßenverkehr ums Leben. Vor wenigen Jahrzehnten war das letale Risiko bei der Teilnahme am Straßenverkehr mehr als siebenmal größer als heute, obwohl der Fahrzeugbestand damals nicht einmal halb so groß war wie heute. Bezogen auf jeweils 100.000 Kraftfahrzeuge kamen 1970 über 100 Menschen im Straßenverkehr ums Leben, 2017 waren es noch im Schnitt etwas mehr als fünf. Der nahezu kontinuierliche Rückgang der Zahl der jährlichen Verkehrstoten in Deutschland ist in der folgenden Grafik dargestellt.
Deutlich weniger Tote und Schwerverletzte seit 1991
Seit 1991 sind Statistiken für ganz Deutschland verfügbar. Seit 1991 ging die Zahl der Verkehrstoten von 11.300 auf 3.180 im Jahr 2017 zurück, was einer Abnahme um knapp 72 Prozent gleichkommt. Die Zahl der Schwerverletzten nahm im gleichen Zeitraum von 131.093 auf 66.513 ab, was einem Rückgang von knapp 50 Prozent entspricht und die Zahl der Leichtverletzten nahm von 374.442 auf 323.799 ab, was einem Rückgang von etwa 13,5 Prozent entspricht.
Bei Unfällen, bei denen Alkoholkonsum mit ursächlich war, zeigen die Daten eine noch stärkere Abnahme der getöteten und geschädigten Menschen. So ging die Zahl der Verkehrstoten bei durch Alkohol bedingten Unfällen seit 1991 von 2.229 auf 231 zurück, was einer Abnahme um knapp 90 Prozent entspricht. Bei den Schwerverletzten konnte hier eine Abnahme von 21.350 auf 4.531 registriert werden, was einem Rückgang um 79 Prozent gleichkommt und bei den Leichtverletzten sank die Zahl von 35.030 auf 12.040, was einem Rückgang um zwei Drittel (-65,6 Prozent) entspricht. Die Zahlen sind bei Alkohol stärker rückläufig als insgesamt, was darauf hindeutet, dass immer mehr Menschen verstehen, dass Alkohol am Steuer keine gute Idee ist.
Bei Unfällen, bei denen Drogen und Medikamente mit ursächlich waren, zeigen die Daten eine andere Entwicklung, wobei hier festgestellt werden muss, dass die Überprüfung der FahrerInnen auf Drogen und Medikamenten in den letzten Jahren stark zugenommen hat, so dass in den frühen 90er Jahre sicher viele Fälle unentdeckt blieben. 1991 wurden 18 Verkehrstote bei Unfällen registriert, bei denen Drogen und/oder Medikamente mit ursächlich waren. Um die Jahrtausendwende stieg diese Zahl auf über 60 an, wobei 2002 die höchste Zahl von 68 registriert wurde. Danach ging auch hier die Zahl der Fälle wieder zurück und pendelte sich in den letzten zehn Jahren zwischen 31 und 47 ein. Bei den Schwerverletzten gab es hingegen hier eine deutliche Zunahme von 224 auf 750, was einer Steigerung um 235 Prozent entspricht. Bei den Leichtverletzten stieg hier die Zahl von 404 auf 1.978, was einer Zunahme um 390 Prozent entspricht.
Cannabiskonsum und Fahreignung
Was die Fahreignung in Bezug auf den Cannabiskonsum anbelangt, divergieren die Ansichten der Verkehrsexperten und die der in diesem Bereich verantwortlichen Politikerinnen und Politiker. Gemäß Pressemitteilung vom 24. Januar 2018 des Deutschen Anwaltvereins (DAV) zum 56. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar werde in Deutschland der Alkoholkonsum verkehrsrechtlich anders behandelt als der Cannabiskonsum. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) bezweifelt, ob dies gerechtfertigt sei.
„Die unterschiedliche Fahreignungsbetrachtung zwischen Alkoholkonsum und Cannabiskonsum ist nicht nachvollziehbar“, betonte Rechtsanwalt Christian Janeczek für die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV. Nicht nachvollziehbar sei, warum die Verwaltungsgerichte auch nicht dem von der Grenzwertkommission bereits Ende des Jahres 2015 empfohlenen Richtwert von einer THC Konzentration von 3 ng/ml im Blutserum folgen. Die Grenzwertkommission hatte bereits 2015 gemeint, dass erst ab diesem Wert man von einer Trennung von privatem Konsum und der Tauglichkeit am Straßenverkehr teilzunehmen, nicht mehr gesprochen werden könne. Die Gerichte hielten nicht nachvollziehbar weiterhin am Grenzwert 1 ng/ml fest. „Es steht in Frage, ob die Praxis der Gerichte wissenschaftlich belegbar ist, wenn beim Alkohol Bedenken erst ab 1,6 Promille bestehen“, so Janeczek weiter. Für die Verkehrssicherheit komme es allein darauf an, ob der Betroffene zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr trennen könne.
Die Unausgewogenheit wird anhand der Beispiele deutlich: Alkohol am Steuer: Der Alkoholtäter kann so viel Alkohol in seinem Leben getrunken haben, wie er mag. Wird er betrunken mit erstmals 1,09 Promille fahrenderweise angetroffen, dann passiert mit der Fahrlaubnis nichts. Cannabiskonsum am Steuer: Wer aber das erste Mal mit 1,0 ng/ml THC angetroffen wird und selbst angibt schon irgendwann einmal in seinem Leben vor vielen Jahren ein einziges weiteres Mal Cannabis geraucht zu haben, gilt sofort als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Ihm wird die Fahrlaubnis entzogen, er muss eine sechsmonatige Abstinenzzeit nachweisen und dann die Fahrerlaubnis komplett neu beantragen. Voraussetzung ist die bestandene MPU. Alkohol auf dem Fahrrad: Der betrunkene Fahrradfahrer gilt fahrerlaubnistechnisch bekanntlich erst ab 1,6 Promille als Problemfall. Dann kommen aber auch nur Eignungszweifel auf, die er mittels MPU ausräumen kann. Bis dahin darf er weiterhin Kfz fahren. Mischkonsum ohne am Straßenverkehr teilgenommen zu haben: Wer hingegen gelegentlicher Cannabiskonsument ist und nur 1,0 ng/ml THC und zudem Alkohol im Blut hat oder jugendlichen Alters war (ohne ein Kfz gefahren zu haben!), der gelte sogleich als charakterlich ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Er braucht hierfür nicht am Kraftfahrzeugverkehr teilgenommen zu haben.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Arbeitskreis V – Cannabiskonsum und Fahreignung – des Deutschen Verkehrsgerichtstages die Überarbeitung der Fahrerlaubnis-Verordnung im Hinblick auf Arzneimittel und andere berauschende Mittel durch den Verordnungsgeber. Der Arbeitskreis ist der Auffassung, dass der erstmalig im Straßenverkehr auffällig gewordene, gelegentliche Cannabiskonsument nicht ohne Weiteres als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei, sondern lediglich Zweifel an seiner Fahreignung auslöse, die er mittels einer MPU ausräumen kann. Der Arbeitskreis vertritt zudem die Meinung, dass nicht bereits ab 1 ng/ml THC im Blutserum fehlendes Trennungsvermögen unterstellt werden dürfe. Er teilt die Feststellungen der Grenzwertkommission, wonach dies erst ab einem THC-Wert von 3 ng/ml Blutserum der Fall sei.
Begutachtung der Fahreignung (MPU)
Die jährlichen Statistiken der Bundesanstalt für Straßenwesen (bast) erscheinen als Pressemitteilungen, jeweils mit einem ausführlichen Anhang. Sie vermitteln einen Überblick über die Verteilung der verschiedenen Anlassgruppen, die einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU, im Volksmund auch Idiotentest genannt) zugewiesen werden, sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse der MPU-Gutachten. In der längsschnittlichen Betrachtung der Jahresstatistiken können Veränderungen der Anzahl der angeordneten MPU-Gutachten aufgezeigt werden, die für die verschiedenen Anlassgruppen ggf. aufsteigende oder absteigende Tendenzen erkennen lassen.
Die jährlichen Gesamtzahlen der durchgeführten medizinisch-psychologischen Untersuchungen haben von 1990 bis 2017 um 25 Prozent abgenommen, diejenigen, die anlässlich von Alkohol am Steuer durchgeführt wurden sogar um 56 Prozent. Bei den wegen anderen Drogen durchgeführten Untersuchungen musste jedoch im gleichen Zeitraum eine Zunahme um 185 Prozent registriert werden.
Der Anteil der medizinisch-psychologischen Untersuchungen betreffend Alkohol sank im Zeitraum von 1990 bis 2017 von 75,1 auf 44,5 Prozent, was einer Abnahme um 30,6 Prozentpunkte entspricht. Bei den anderen Drogen stieg der Anteil von 6,9 auf 24,6 Prozent, was einem Anstieg um 17,7 Prozentpunkte entspricht.
Ergebnisse der MPU-Gutachten
Die MPU-Gutachten bieten der Straßenverkehrsbehörde die psychologische und medizinische Grundlage für die Entscheidung, ob den Klienten (je nach Prognose) die Fahrerlaubnis zugesprochen wird oder nicht. Wird die Fahrerlaubnis nicht zugesprochen, kann der Klient diese nach einem festgesetzten Zeitraum erneut beantragen. Bei manchen Anlassgruppen kann der Klient aufgrund des MPU-Gutachtens auch als nachschulungsfähig eingestuft werden und nach der Teilnahme an entsprechenden Kursen die Fahreignung wiedererlangen.
Bei den erstmalig Tatauffälligen wegen Alkohol wurden im Jahr 2017 mehr als die Hälfte (54 Prozent) nach der MPU für geeignet befunden, wieder ein Fahrzeug zu führen, bei den wiederholt Tatauffälligen war dies jedoch bei weniger als der Hälfte (47 Prozent) der Fall.
Bei den Betäubungsmittel- u. Medikamentenauffälligen wurden im Jahr 2017 fast zwei Drittel (64 Prozent) nach der MPU für geeignet befunden, wieder ein Fahrzeug zu führen. Das sind deutlich mehr, als dies bei Alkoholauffälligen der Fall ist. Offenbar bereitet sich diese Gruppe besser auf die MPU vor als die Alkoholauffälligen.