vonHans Cousto 11.07.2019

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

Mehr über diesen Blog

Am 14. Januar 2014 wurde Marlene Mortler zur Drogenbeauftragten der Bundesregierung ernannt. Zum 2. Juli übernahm Frau Mortler ein Abgeordnetenmandat im Europaparlament in Brüssel. Deshalb hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Drogenbeauftragte der Bundesregierung aus ihrem Amt verabschiedet. In einer Pressemitteilung zu diesem Anlass erklärte Spahn: „Mit Marlene Mortler verliert die Bundesregierung eine engagierte Kämpferin gegen Drogen. Frau Mortler hat es verstanden, besonders in der Prävention wichtige Akzente zu setzen.

Die Akzente, die Mortler in der Prävention setzte, hatten oft nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. So stiegt der Anteil der Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die Cannabis konsumieren, in den letzten Jahren stark an und sank nicht, wie Mortler erhoffte. Auch die Verfügbarkeit und die Wirkstoffkonzentration bei Kokain hat massiv zugenommen bei stabilen bis sinkenden Preisen. Die Wirkstoffmengen in Ecstasytabletten haben auch massiv zugenommen und die Verfügbarkeit wurde nicht gemindert. Die Verfügbarkeit von Cannabis als Medizin in Apotheken lässt jedoch vielerorts zu wünschen übrig. Patienten müssen nicht selten nach wie vor ihre Medizin auf dem Schwarzmarkt erwerben oder selbst anbauen.

Extrem starke Zunahme der Repression

Bevor Marlene Mortler Drogenbeauftragte wurde – im Jahr 2013 – wurden in Deutschland 253.525 BtM-Delikte registriert, im Jahr 2018 waren es 350.662, dies entspricht ein Zunahme um mehr als 38 Prozent. Bei den allgemeinen Verstößen (konsumnahe Delikte) lag die Zunahme noch höher und erreichte 44,8 Prozent. Offensichtlich hat die zunehmende Repression ihr Ziel verfehlt; die Verfügbarkeit und der Konsum sind dadurch nicht eingedämmt worden.

Die Grafik zeigt die jährliche Anzahl an Verstößen gegen das BtMG in Deutschland (blau) und die konsumnahen allgemeinen Verstöße (rot) als Zeitreihe von 1984 bis 2018. Die Zahlen bis 1990 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich West-Berlin, die Zahlen der Jahre 1991 und 1992 beinhalten die Delikte der alten Bundesländer einschließlich Gesamt-Berlin, in den Zahlen ab 1993 sind die Delikte aller Bundesländer enthalten. Diese Angaben sind auch bei allen folgenden Abbildungen zu berücksichtigen. Datenquelle: BKA Wiesbaden. Es gilt die Datenlizenz Deutschland – Namensnennung – Version 2.0.

Der Anteil der allgemeinen Verstöße stieg während der Amtszeit von Mortler von 74,9 Prozent auf 78,4 Prozent um 3,5 Prozentpunkte – die Änderung im ersten Halbjahr 2019 noch nicht eingerechnet. Konsumenten werden nach wie vor von der Polizei verfolgt und kontrolliert.

Die Grafik zeigt den Anteil der allgemeinen Verstöße in Prozent von allen Verstößen gegen das BtMG als Zeitreihe von 1971 bis 2018. Datenquelle: BKA

Etwa 60 Prozent aller BtM-Delikte betreffen Cannabis. Die Zahl der erfassten BtM-Delikte insgesamt und die Zahl der erfassten Cannabisdelikte zeigen, dass die Repression bei Cannabis genauso zugenommen hat wie die gesamte Drogenrepression.

Die Grafik zeigt die jährliche Anzahl an Verstößen gegen das BtMG in Deutschland (blau) und die Verstöße betreffend Cannabis (rot) als Zeitreihe von 1982 bis 2018. Datenquelle: BKA

Im Jahr 1992 lag der Anteil der Cannabis betreffende Delikte unter 40 Prozent. In den letzten Jahren lag dieser stets bei 60 Prozent und darüber.

Die Grafik zeigt den Anteil der Cannabisdelikte in Prozent von allen Verstößen gegen das BtMG als Zeitreihe von 1982 bis 2018. Datenquelle: BKA

Als Repressionskoeffizient bezeichnet man in drogenpolitischen Kreisen die Anzahl der erfassten Delikte pro 100.000 Einwohner in einem bestimmten Gebiet (auch Häufigkeitszahl genannt). Die Zunahme des Repressionskoeffizienten bezeichnet man als Repressionsexpansionskoeffizienten. Seit Mortlers Amtsantritt bis Ende 2018 stieg der Repressioskoeffizient für Kiffer um 48,8 Prozent, derjenige für Händler und Schmuggler jedoch nur um 13,5 Prozent.

Die Grafik zeigt die Repressionskoeffizienten für diverse Delikte mit Bezug zu Cannabis als Zeitreihe von 1987 bis 2018. Datenquelle: BKA

Tatverdächtige im Zeitvergleich

Bis 1966 lag die Zahl der jährlich erfassten Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das Opiumgesetz in der Bundesrepublik Deutschland (einschließlich West-Berlin) deutlich unter Eintausend. Erst 1967, dem Jahr in dem die Studentenrevolte sich bundesweit auszubreiten begann und der Student Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien von der Polizei erschossen wurde, registrierten die Behörden über 1.000 Tatverdächtige. Vier Jahre später registrierten die Behörden bereits über 20.000 Tatverdächtige.

Ein Tatverdächtiger, für den im Berichtszeitraum mehrere Fälle der gleichen Straftat in einem Bundesland festgestellt wurden, wird nur einmal gezählt. Vor 1983 waren Personen, gegen die im Berichtsjahr mehrfach ermittelt wurde, immer wieder erneut gezählt worden. Wegen Ablösung dieser Mehrfachzählung, die zu stark überhöhten und strukturell verzerrten Tatverdächtigenzahlen führte, durch die jetzige „echte“ Zählung, ist ein Vergleich zu früheren Jahren nur eingeschränkt möglich.

In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts verdoppelte sich die Zahl der Tatverdächtigen und erreichte in der Folge im Jahr 2004 mit 232.502 einen absoluten Spitzenwert. Danach sank die Zahl kontinuierlich bis 2010 und danach stieg sie wieder kontinuierlich an und überflügelte 2016 erstmals die Anzahl von 2004 und nahm in den folgenden Jahren weiter massiv zu.

Die Grafik zeigt die Zeitreihe der Tatverdächtigen wegen Verstoßes gegen das BtMG von 1960 bis 2018. Wegen Änderung der Zählweise gibt es für 1983 keine Daten. Wegen der Änderung des staatlichen Bereiches sind die Daten seit 1991 mit denen der Vorjahre nur bedingt vergleichbar. Datenquelle: BKA

Zur Situation in den Bundesländern

In Hamburg hat die Repression in Sachen Drogen 2018 stärker zugenommen als in allen anderen Bundesländern. Der Repressionskoeffizient stieg in Hamburg innert Jahresfrist um 25 Prozent. In Bremen sank dieser hingegen um 7,5 Prozent. Auch im Saarland und in Hessen konnte eine Abnahme registriert werden.

Die Grafik zeigt die Zu- und Abnahme der erfassten Btm-Delikte in den Bundesländern von 2017 bis 2018 in Prozent Datenquelle: BKA

Hamburg ist auch das Bundesland mit dem höchsten Repressionskoeffizienten, hat also die höchste Anzahl an erfassten BtM-Delikte pro 100.000Einwohner. Über 700 BtM-Delikte pro 100.000 Einwohner wurden dort registriert. In Sachsen waren es nicht mal halb so viele. Handeln die Kiffer in Sachsen intelligenter respektive geschickter als in Hamburg und lassen sich seltener erwischen?

Die Grafik zeigt die Repressionskoeffizienten der Bundesländer im Jahr 2018. Datenquelle: BKA

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/drogerie/2019/07/11/mortlers-wirken-im-lichte-der-kriminalstatistik/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Die Verschärfung der Drogenproblematik in den letzten Jahren ist wohl mehr dem Umstand geschuldet, dass sich Deutschland Migranten ins Land geholt hat, Fachkräfte für den Drogenhandel. Diese kennen sich bestens damit aus und alles was sie nur tun mußten, ist eine supply chain aus ihren Herkunftsländern, wo sie auch ihr Fachhandwerk gelernt haben (z.B. Afghanistan), zu etablieren. Und schon konnte es losgehen mit dem steigern des Bruttosozialprodukts!

  • Herr Spahn sagte Frau Mortler habe es verstanden, besonders in der Prävention wichtige Akzente zu setzen? Spricht er da über die gleiche Frau, die sich grinsend mit einem Riesenhumpen Bier während ihrer Amtszeit ablichten ließ? Frau Mortler hat entweder nicht verstanden was Drogen sind und welche Drogen die meisten Toten in Deutschland verursachen, oder sie verherrlicht wissentlich den Drogenkonsum – beides keine besonders wünschenswerte Züge einer „Drogen“-Beauftragten. Auch sonst hat sie ja in ihrer Amtszeit eher mit Unwissenheit geglänzt. Unerreicht sind Aussagen wie: Cannabis sei verboten, weil es verboten sei. Und so jemanden will man nun auf die EU loslassen – mir schwant Übles. Dann können wir uns ja bald auf Glanzstücke freuen wie: „Glyphosat ist gesund, weil es erlaubt ist“ oder „freiwillige Selbstverpflichtung ist das wirksamste Mittel gegen Rechtsverstöße durch Konzerne“. Die Wirklichkeit stellt mit dieser Frau jeden SatirikerIn vor ungeahnte Herausforderungen, das kann man ja kaum noch überspitzen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert