Nach den zahlreichen Razzien in diversen Fachgeschäften im Laufe des vergangenen Jahres in ganz Deutschland entsteht der Eindruck, als wolle man gegen Shops, die CBD-Blüten oder Hanftee anbieten, bundesweit mit repressivsten Mitteln vorgehen, um Investoren abzuschrecken und so dem CBD-Boom auf diese Weise Einhalt zu gebieten.
Bemerkenswert ist hierbei, dass es Hanftees nach wie vor in vielen Teeläden, Reformhäusern, Bioläden und Drogerien zu kaufen gibt. Diese werden jedoch nicht ständig vom Zoll und/oder der Polizei heimgesucht. Bevorzugte Zielscheiben der Repressionisten sind szenenahe Shops. Hier offenbart sich die Willkür bei der Umsetzung der Vorschriften des BtMG.
Hanfbar-Prozess: Mehrjährige Haftstrafen gefordert
Unter dem Titel „Hanfbarprozess in Braunschweig: Müssen Betreiber ins Gefängnis?“ stand am 6. Januar 2020 in der Braunschweiger Zeitung, dass gegen die Hanfbar-Betreiber die Staatsanwaltschaft Haftstrafen von drei und von 2,5 Jahren fordere und somit Bewährung nicht möglich wäre. In dem Artikel heißt es, dass die beiden Männer Hanfblütentees aus Nutzhanf mit einem vergleichsweise geringen Anteil des verbotenen Wirkstoffs THC verkauft haben. Laut Staatsanwaltschaft ist der Verkauf dieser Tees an den Endkunden dennoch illegal, da der Missbrauch zu berauschenden Zwecken nicht ausgeschlossen werden könne.
Die Rechtslage
Cannabis (Marihuana, Pflanzen und Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen) ist in Anlage I zu § 1 Abs. 1 (nicht verkehrsfähige und nicht verschreibungsfähige Stoffe) des BtMG aufgelistet sowie auch in Anlage III zu § 1 Abs. 1 (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Stoffe) des BtMG.
Ausgenommen vom Verbot des Umgangs mit Cannabis zu gewerblichen Zwecken ist Cannabis, wenn die Cannabispflanzen im Rahmen des gemeinsamen Sortenkataloges für landwirtschaftliche Pflanzenarten angebaut wurden oder wenn ihr Gehalt an Tetrahydrocannabinol 0,2 Prozent nicht übersteigt. Da diese Pflanzen zu Rauschzwecken nicht tauglich sind, kann ein Missbrauch zu Rauschzwecken ausgeschlossen werden. Der Genuss von Hanftee ist nicht berauschend und das gilt auch für den Konsum von CBD-Gras. Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat CBD kein Missbrauchspotenzial.
Stellungnahme der Weltgesundheitsorganisation zu CBD
Auf seiner 40. Sitzung prüfte das Expertenkomitee für Drogenabhängigkeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Berichte über die Wirkung von Cannabidiol und empfahl, das reines Cannabidiol nicht unter die Kontrollmaßnahmen der internationalen Abkommen zu stellen. Cannabidiol kommt in Cannabis und Cannabisharz vor, hat aber keine psychoaktive Eigenschaften und hat kein Missbrauchspotenzial und kein Abhängigkeitsvermögen. Es hat keine signifikanten negativen Auswirkungen. Cannabidiol hat sich bei der Behandlung von Krankheiten wie Epilepsie als wirksam erwiesen. Es wurde für diese Verwendung in den Vereinigten Staaten im Jahr 2018 als Medikament zugelassen und derzeit wird die Zulassung in der Europäischen Union geprüft. Aus dieser Erkenntnis erfolgte die Empfehlung:
„Das Expertenkomitee empfiehlt der Tabelle I des Übereinkommens über Betäubungsmittel von 1961 eine Fußnote mit dem folgenden Text hinzuzufügen: „Zubereitungen mit überwiegend Cannabidiol und nicht mehr als 0,2 Prozent delta-9-Tetrahydrocannabinol fallen nicht unter die internationale Kontrolle.„
Beim Endkunden in Deutschland muss, anders als beim Produzenten, selbst ein theoretischer Missbrauch ausgeschlossen sein. Solchen schädlichen Aktionismus zu Unrecht besorgter Staatsanwälte könnte man nur Einhalt gebieten, indem der Gesundheitsminister und die Drogenbeauftragte das BtmG neu formulieren. Ersetzt man die Worte „einen Missbrauch zu Rauschzwecken ausschließen“ durch die Worte „kein Missbrauchspotenzial und kein Abhängigkeitsvermögen haben“ gemäß Einschätzung der WHO, wäre dem Treiben der fundamentalistischen Staatsanwälten schnell ein Ende bereitet. Der Bundesrat müsste dieser Änderung im Anhang I zu § 1 Abs. 1 noch zustimmen. Nur dann können Händler und Kunden von CBD-Blüten ähnliche Rechtssicherheit erhalten, wie es sie in einigen unserer Nachbarstaaten bereits gibt.
Die protektive Wirkung von Cannabidiol
Die protektive Wirkung von Cannabidiol ist der Drogenbeauftragten Daniela Ludwig durchaus bekannt, wie man im Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten Seite 80 nachlesen kann:
Cannabidiol ist der zweite Hauptwirkstoff der Cannabispflanze, der anders und teilweise gegensätzlich wie THC wirkt. Positive Effekte konnten in einzelnen Studien an Patienten mit therapieresistenten Epilepsien oder Psychosen gefunden werden.
Im Abschnitt Steigender Wirkstoffgehalt bei Cannabis heißt es auf Seite 86:
„Der Medianwert des THC für die Blütenstände lag 2018 bei 13,1 Prozent. Wenn die hochgezüchteten Cannabissorten zudem wenig oder kein Cannabidiol (CBD) enthalten, das die Wirkung des THC abmildern kann, steigt das Risiko für gesundheitliche Folgeschäden und die Entwicklung einer Abhängigkeit (Freeman et al., 2018; Yücel et al., 2016; Freeman et al., 2015).„
In dem Drogen- und Suchtbericht fehlen jedoch die genauen Quellenhinweise. In dem Bericht gibt es kein Quellenverzeichnis und die genannten Quellen sind nicht verlinkt. Das ist für die Leserinnen und Leser des Berichts besonders ärgerlich, weil es mehrere Forscher mit dem Namen Freeman gibt, die zu THC und CBD forschen und publizieren.
Da gibt es den Forscher Tom P. Freeman, der unter anderem am King’s College in London tätig ist und diverse Studien zu THC und CBD veröffentlicht hat. 2015 erschien ein Studie unter dem Titel „Untersuchung des Profils von hochwirksamem Cannabis und seines Zusammenhangs mit der Schwere der Cannabisabhängigkeit“ (Examining the profile of high-potency cannabis and its association with severity of cannabis dependence). In der Studie heißt es:
„Die Wirksamkeit von Cannabis wird in der Regel anhand der Konzentration von Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) beurteilt, dem psychoaktiven Hauptbestandteil von Cannabis. Die Cannabispflanze enthält jedoch viele andere Cannabinoide, insbesondere Cannabidiol (CBD). Diese anderen Cannabinoide (und möglicherweise andere als Terpenoide bekannte Pflanzenchemikalien) tragen zur Wirksamkeit bei, indem sie die Wirkungen von THC mildern. Beispielsweise kann CBD die Auswirkungen von THC in einer Reihe von Domänen blockieren oder dämpfen.„
Und weiter heiß es in der Studie:
„Es ist auch bemerkenswert, dass das Gedächtnis in dieser Studie die größte Sorge hinsichtlich des Cannabiskonsums aufwies, da dies auch das charakteristischste Merkmal von hochwirksamem Cannabis war. Dies steht im Einklang mit dem hohen THC- und dem niedrigen CBD-Profil von Skunk. Bei akuter Verabreichung führt THC zu robusten und dosisabhängigen Beeinträchtigungen des verbalen Gedächtnisses und diese Beeinträchtigungen können durch gleichzeitige Verabreichung von CBD gelindert werden. In ähnlicher Weise wurde Skunk als die mit Paranoia am stärksten assoziierte Cannabisart identifiziert. Dies steht im Einklang mit dem Beweis, dass die paranoia-induzierenden Wirkungen von THC auch durch CBD gehemmt werden können und dass der regelmäßige Gebrauch von Skunk mit einem erhöhten Risiko verbunden ist wie auch mit einem früheren Ausbruch von Psychosen, während Haschisch selbst bei täglichen Konsumenten diesbezüglich keine Rolle spielt.„
Dann gibt es noch die Forscherin Abigail M. Freeman, die mit anderen unter anderem eine Studie veröffentlicht hat zum Thema „Wie beeinflusst Cannabidiol (CBD) die akuten Wirkungen von Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) beim Menschen? Eine systematische Überprüfung„. (How does cannabidiol (CBD) influence the acute effects of delta-9-tetrahydrocannabinol (THC) in humans? A systematic review.) Auf welche Studie sich die Passage im Drogen- und Suchtbericht bezieht, ist aus den Angaben im Bericht nicht ersichtlich.
Bei Yücel ist die Recherche leichter zu bewerkstelligen. Unter Yücel at al., 2016 ist eine Publikation zum Thema Hippocampus-Schäden, Schutz und Genesung nach regelmäßigem Cannabiskonsum (Hippocampal harms, protection and recovery following regular cannabis use) zu finden. In der Zusammenfassung der Studie heißt es:
„Für jede Messung wurden drei Kurvenanpassungsmodelle über die gesamte Stichprobe getestet, um zu untersuchen, ob durch Cannabis bedingte Schäden am Hippocampus fortbestehen, durch CBD-Exposition minimiert (geschützt) oder durch langfristige Abstinenz wiederhergestellt werden können. Diese Analysen stützten ein Schutz- und Erholungsmodell für das Hippocampusvolumen und die N-Acetylaspartat. Weitere paarweise Analysen zeigten, dass Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Kontrollen ein geringeres Hippocampusvolumen hatten. Benutzer, die CBD nicht ausgesetzt waren, hatten 11% geringere Volumina und 15% niedrigere N-Acetylaspartat-Konzentrationen. Benutzer, die CBD ausgesetzt waren, und frühere Benutzer unterschieden sich in keiner Hinsicht von der Kontrollgruppe. Der fortgesetzte Cannabiskonsum ist mit einer Schädigung der Gehirngesundheit verbunden, die durch die chronische Exposition gegenüber THC untermauert wird. Solche Schäden werden jedoch durch CBD minimiert und können mit längeren Abstinenzperioden behoben werden.„
Weiter heißt es im Text zum Cannabiskonsum:
„Die meisten negativen Wirkungen (z. B. Wahrnehmungsstörungen, Angstzustände und psychotische Erfahrungen) werden auf THC zurückgeführt, während CBD antipsychotische, anxiolytische und potenziell neuroprotektive Eigenschaften aufweist. […] Wir stellen fest: Es kann neurobiologische Schäden geben, die mit einer langfristigen und starken Cannabis-Exposition einhergehen; die Schäden würden jedoch bei Personen, die CBD-haltiges Cannabis verwenden, nicht auftreten.„
Und in der Schlussfolgerung heißt es:
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass nicht alle Cannabiskonsumenten schädliche Gehirn- und Verhaltensergebnisse aufweisen, weil CBD möglicherweise eine Rolle bei der Schadensminimierung spielt. In der Tat haben frühere Berichte nahegelegt, dass CBD die psychotischen und kognitiven Effekte von THC verbessern (im Sinne von mildern) könnte. Beispielsweise haben Teilnehmer, die mit CBD behandelt wurden, signifikant weniger psychogenetische und anxiogene Effekte von THC.„
Fazit
Die Drogenbeauftragte Daniela Ludwig sollte nicht nur über Cannabis reden, sondern auch über eine völlig sinnlose und nicht selten doch recht willkürliche Repressionspolitik. Mit der zur Zeit praktizierten Vorgehensweise, kann man auch guten Willens nicht glauben, dass die fragwürdige Auslegung und Umsetzung von Vorschriften im BtMG dem Gesundheitsschutz dienen sollen. Hier ist ein Umdenken und akuter Handlungsbedarf von Nöten. Der Verkauf von CBD-Produkten sollte gefördert werden, da diese Produkte dem potenziellen Schaden, den THC-Produkte bei Konsumenten auslösen können, entgegenwirken.
Vergleiche hierzu in diesem Blog:
[17.12.2019] Haschisch und Marihuana im Vergleich
Sehr geehrter, hochgeschätzter Hans Cousto,
an dieser Stelle möchte ich endlich einmal meinen herzlichen Dank für Ihre ganz wunderbaren Arbeiten rund um drogenbezogene Themen loswerden! Ich freue mich auf jeden neuen Blog-Beitrag und mag die Art, wie Sie die Themen wissenschaftlich nachvollziehbar und seriös angehen.
Haben Sie jemals darüber nachgedacht, die Blog-Beiträge auch in einer Sammelpublikation in gedruckter Form zu veröffentlichen? Oder als digitale Sammelausgabe zu editieren?
Gerne würde ich mich namentlich verabschieden, als Mitarbeiter im Staatsdienst an eben relevanter Stelle lasse ich das jedoch lieber.
Alles Gute
Ihr
Harry Anslinger jr.