Die European Industrial Hemp Association (EIHA) teilte am 3. März 2020 in einer Pressemitteilung mit, dass Cannabidiol (CBD) nicht zwingend als Novel Food zulassungspflichtig sei. Dies geht aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hervor, in der das Ministerium der Auffassung des Bundesamtes für Verbraucherschutz widerspricht.
Erfolg für die European Industrial Hemp Association (EIHA)
Der European Industrial Hemp Association (EIHA) ist ein richtungsweisender Erfolg in der Diskussion um den allgemein zulässigen Handel und Verkauf von Cannabidiolhaltigen (CBD-haltigen) Produkten gelungen. Demnach haben sich die deutsche Bundesregierung sowie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eindeutig erkennbar der Auffassung der EIHA angeschlossen: Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze enthalten, sind grundsätzlich keine „neuartigen“ Lebensmittel im Sinne der Verordnung (EU) 2015/2283. Das gilt allerdings nicht automatisch auch für isoliertes CBD (Cannabidiol) oder mit CBD angereicherte Extrakte. „Somit sind Hanflebensmittelprodukte aus traditionell hergestellten Extrakten mit dem natürlichen Vollspektrum der in der Hanfpflanze enthaltenen Cannabinoide keine neuartigen Lebensmittel. Für die deutsche Hanflebensmittelindustrie ist diese Aussage der Regierung und des Ministeriums ein wichtiger Meilenstein“ , so Daniel Kruse, Präsident der EIHA. Zusammengefasst heißt das:
1.: Die European Industrial Hemp Association (EIHA) ist erfolgreich gegen die Veröffentlichung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vorgegangen.
2.: CBD-haltige Produkte fallen nicht grundsätzlich unter die Verordnung für zulassungspflichtige neuartige Lebensmittel (Novel Food).
3.: Nach Auffassung der Bundesregierung und des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sind offenkundig nur CBD-Isolate und mit CBD angereicherte Hanfextrakte „neuartig.“
Auslöser der Kontroverse war eine Veröffentlichung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf seiner Homepage zum Thema „Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln“ vom 20.03.2019. Dort heißt es:
„Dem BVL ist derzeit keine Fallgestaltung bekannt, wonach Cannabidiol (CBD) in Lebensmitteln, also auch in Nahrungsergänzungsmitteln, verkehrsfähig wäre.
Aus Sicht des BVL muss für CBD-haltige Erzeugnisse vor dem Inverkehrbringen entweder ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels oder ein Antrag auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels gestellt werden. Im Rahmen dieser Verfahren ist die Sicherheit des Erzeugnisses vom Antragsteller zu belegen.“
Die EIHA sieht diese vorstehend vom BVL vorgenommene pauschale Beurteilung zu der angeblich fehlenden Verkehrsfähigkeit von CBD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln sachlich und auch rechtlich als falsch und unzutreffend an. Aus Sicht der EIHA würde nämlich diese Beurteilung des BVL bedeuten, dass pauschal alle Hanflebensmittel unter die Novel-Food-Verordnung fallen würden und damit zulassungspflichtig wären. „Das ist so nicht richtig. CBD ist ein völlig natürlicher, nicht psychoaktiver Inhaltsstoff des Nutzhanfs und wird schon seit Jahrtausenden über die Hanfsamen, -blüten und -blätter konsumiert und zu hochwertigen Lebensmitteln verarbeitet, auch durch traditionelle Extraktionstechniken“ , so EIHA-Präsident Kruse. „Das BVL muss zwischen Extrakten mit dem natürlichen Vollspektrum der in der Hanfpflanze enthaltenen Cannabinoiden einerseits und mit Isolaten bzw. mit Cannabinoiden angereicherten Produkten andererseits unterscheiden. Ansonsten kommt es zu einer noch stärkeren Unsicherheit für die Hanflebensmittelindustrie und die Verbraucher in Deutschland.“
Das BVL beachtet bei den bislang pauschalisiert getroffenen Aussagen folgende Fakten nicht:
1.: Bei Cannabidiol (CBD) handelt es sich um eine natürliche Inhaltssubstanz der aus dem EU-zertifizierten Anbau stammenden Nutzpflanze Cannabis sativa L., die sich seit jeher – neben weiteren anderen Cannabinoiden – vornehmlich in deren Blüten und Blättern findet.
2.: Die vorgenannte, aus EU-zertifiziertem Anbau stammende Pflanze Cannabis sativa L. (Hanf) und ihre Pflanzenteile, nämlich deren Samen sowie deren verarbeitete Blüten und Blätter, sind nach Auffassung der Bundesregierung jeweils „Lebensmittel“ im Sinne von § 2 Abs. 2 LFGB (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch) in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie (EU) 178/2002 und damit keine Arzneimittel und bedürfen somit auch keiner Zulassung als Arzneimittel.
3.: Der Verzehr von CBD-haltigen Teilen der Pflanze Cannabis sativa L. (Nutzhanf), insbesondere auch von Hanfblättern oder -blüten bzw. deren Extrakten erfolgte bereits vor dem Inkrafttreten der Novel-Food-Verordnung am 15.05.1997 in nennenswertem Umfang innerhalb der EU bzw. ihrer Mitgliedstaaten. Deshalb sind derartige CBD-haltige Cannabisprodukte nicht „neuartig“ und bedürfen somit auch nicht der vorherigen Zulassung gem. Art. 6 der Verordnung (EU) 2015/2283 (sog. Novel-Food-Verordnung).
4.: CBD-haltige Pflanzenprodukte können somit grundsätzlich sowohl als Lebensmittel als auch als Nahrungsergänzungsmittel verkehrsfähig sein.
European Industrial Hemp Association widerspricht BVL
Hierzu hat die European Industrial Hemp Association (EIHA) das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) entsprechend angeschrieben und dabei unter anderem zwei schriftliche Mitteilungen der EU-Kommission an anfragende Unternehmen vom 03.02.1998 und 03.03.1998 vorgelegt, in denen die EU-Kommission nach Anhörung ihres Ständigen Lebensmittelausschusses seinerzeit bereits erklärt hatte, dass
„[…] entschieden wurde, dass Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze enthalten [wie z. B. Hanfblätter und Hanfblüten – Anmerkung des Autors], nicht unter die Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten fallen.“
Nach Auffassung der EIHA können daher lediglich „Isolate“ oder „Anreicherungen“ von Cannabidiol oder anderen Cannabinoiden als „neuartig“ im Sinne der Novel-Food-Verordnung angesehen werden. Nicht „neuartig“ sind hingegen diejenigen Hanflebensmittelprodukte, die aus traditionellen Hanfblüten/-blätter-Extrakten, die das in der Hanfpflanze enthaltene natürliche Vollspektrum von Cannabinoiden aufweisen – zu denen unter anderen auch das Cannabinoid Cannabidiol (CBD) gehört –, gewonnen werden.
Soweit das BVL in seiner Veröffentlichung nicht zwischen „natürlichen im Vollspektrum der Hanfpflanze enthaltenen Cannabinoiden“ auf der einen Seite und „Isolaten“ oder „Anreicherungen“ von Cannabinoiden auf der anderen Seite unterscheide, sei diese pauschale Mitteilung des BVL vom 20.03.2019 sachlich falsch und irreführend. Eine Änderung der bisherigen Veröffentlichung des BVL erfolgte aber dort gleichwohl bis dato noch nicht (Stand 4. März 2020, 21:00 Uhr): http://ots.de/uP0KPE
Bundesregierung bestätigt Auffassung der EIHA
Die EIHA hatte sich zwischenzeitlich auch direkt an die deutsche Bundesregierung gewandt – konkret an das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – und diese pauschale und undifferenzierte Veröffentlichung des BVL unter Beifügung der oben genannten Entscheidungen der EU-Kommission und anderer Belege über die vor dem 15.05.1997 erfolgte traditionelle Verwendung von Hanf als Lebensmittel kritisiert.
Die Bundesregierung hat sodann auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion wegen der Frage der Neuartigkeit von hanfhaltigen Lebensmitteln am 25.07.2019 im Deutschen Bundestag Folgendes erklärt (Deutscher Bundestag Drucksache 19/11922, Antwort auf Frage 7: „Inwieweit gelten ältere Stellungnahmen der Europäischen Kommission, in denen bestätigt wurde, dass es sich bei Lebensmitteln, die Teile der Hanfpflanze enthalten, nicht um neuartige Lebensmittel handelt?“ ):
„Die betreffenden Stellungnahmen der Europäischen Kommission, haben weiterhin Gültigkeit. Aus ihnen kann allerdings nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass sämtliche Erzeugnisse der Hanfpflanze, also beispielsweise auch isolierte Einzelsubstanzen wie Cannabinoide oder mit Cannabinoiden angereicherte Extrakte, als Lebensmittel verkehrsfähig wären.“
Hieraus ergibt sich offenkundig im Umkehrschluss, dass nach Auffassung der Bundesregierung Cannabinoide der Hanfpflanze nur noch dann als „neuartige Lebensmittelzutat“ angesehen werden, wenn sie isoliert oder angereichert verwendet werden. Ebenso hat auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in einem Antwortschreiben vom 19.11.2019 an die EIHA zu dieser Thematik ausgeführt:
„[…] dass nach hiesiger Kenntnis nach wie vor keine Belege über einen nennenswerten Verzehr von mit Cannabidiol (CBD) angereicherten Hanfextrakten in der EU vor dem 15. Mai 1997 erbracht worden sind. Vielmehr sind derartige Produkte nach vorliegenden Erkenntnissen erst in jüngster Zeit am Markt verfügbar geworden.
Damit handelt es sich nach übereinstimmender Auffassung der Europäischen Kommission und der EU-Mitgliedstaaten bei mit CBD angereicherten Hanfextrakten um zulassungspflichtige Lebensmittel, sofern sie keine Betäubungsmittel oder Arzneimittel sind.“
Die Bundesregierung hat sich damit von der bisherigen pauschalen und von der EIHA kritisierten Veröffentlichung des BVL distanziert und sich gleichzeitig erkennbar der Auffassung der EIHA angeschlossen. Die EIHA sieht dieses als einen wichtigen Erfolg für ihre gesamteuropäischen Mitglieder und für die auf dem deutschen Markt tätige Hanflebensmittelindustrie an.
Fazit der European Industrial Hemp Association (EIHA)
Es ist demnach festzuhalten, dass seitens der deutschen Bundesregierung an den früheren Feststellungen und Entscheidungen der EU-Kommission festgehalten wird, wonach Lebensmittel, die Teile der Hanfpflanze enthalten – wie unter anderem Hanfblätter und Hanfblüten –, nicht unter Art. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten fallen. Das Gleiche gilt auch, soweit diese Lebensmittel das natürliche, in der Hanfpflanze enthaltene Vollspektrum von natürlichen Cannabinoiden aufweisen, zu denen unter anderen das Cannabinoid Cannabidiol (CBD) gehört.
Daniel Kruse, Präsident der EIHA, macht deutlich: „Die jüngsten EU Novel Food Katalog-Einträge aus 2019 zu Cannabis Sativa L. (Nutzhanf) und Cannabinoiden sind – entgegen denen aus 2018 – logisch, rechtlich und historisch betrachtet schlichtweg falsch.“ Sofern allerdings Lebensmittel „CBD-Isolate“ oder „mit CBD angereicherte Hanfextrakte“ enthalten, sind sie als „neuartige Lebensmittel“ gemäß Art 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 anzusehen und entsprechend zulassungspflichtig.
Es bleibt jetzt abzuwarten, dass das BVL seine bisherige pauschale und undifferenzierte Veröffentlichung zu diesem Thema vom 20.03.2019, die bereits zu vermeidbaren Irritationen und Rechtsirrtümern bei vielen Landes- und Ortsbehörden sowie auch teilweise bei einzelnen Gerichten in Deutschland geführt hat, endlich entsprechend inhaltlich abändert und korrigiert. Ebenfalls gilt es abzuwarten, ob sich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) nunmehr zu einem seitens der EIHA bereits mehrfach angefragtem Expertentreffen bereit erklärt.
Pressekontakt EIHA Kommunikation D-A-CH:
Daniel Kruse | EIHA-Präsident
Rüdiger Tillmann | EIHA-Sprecher Media Relations D-A-CH
Rüdiger Tillmann <r.tillmann@jole-newsroom.com>
Fon +49 171 3677028
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[20.01.2020] Willkürliche Drogenpolitik – Hart, aber nicht fair
Der IACM fasst die aktuelle, weiterhin verwirrende Situation in Sachen CBD wie folgt zusammen:
„Es bleibt jetzt abzuwarten, dass das BVL seine bisherige pauschale und undifferenzierte Veröffentlichung zu diesem Thema vom 20.03.2019, die bereits zu vermeidbaren Irritationen und Rechtsirrtümern bei vielen Landes- und Ortsbehörden sowie auch teilweise bei einzelnen Gerichten in Deutschland geführt hat, endlich entsprechend inhaltlich abändert und korrigiert. Ebenfalls gilt es abzuwarten, ob sich das BVL nunmehr zu einem seitens der EIHA bereits mehrfach angefragtem Expertentreffen bereit erklärt.“
http://www.cannabis-med.org/german/acm-mitteilungen/ww_de_db_cannabis_artikel.php?id=305#3