Am 11.6.2020 wurde die Online-Petition der „Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM)“ zur Beendigung der Strafverfolgung von Cannabis-Patienten an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags gestartet. Cannabisblüten sind seit 2017 in Deutschland verschreibungsfähig. In der Realität haben viele Patienten allerdings weiterhin keine Möglichkeit, Cannabis legal zu erhalten. Eine Petition fordert jetzt die straffreie Nutzung von Cannabis für alle Patientinnen und Patienten, bei denen aus ärztlicher Sicht eine Behandlung mit Cannabis oder Cannabinoiden medizinisch indiziert ist.
Das Gesetz zu „Cannabis als Medizin“, das am 10. März 2017 in Kraft trat, hat den Zugang zu einer medizinischen Verwendung von cannabisbasierten Medikamenten und Cannabis theoretisch deutlich verbessert. In der Praxis sind viele Betroffene allerdings weiterhin von einer Behandlung ausgeschlossen. Die Gründe herfür sind in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) vom 4. April 2019 (Bundestag-Ausschussdrucksache 19(14)0068(22)) detailliert aufgeführt:
1. Viele Patienten finden keinen Arzt, der ihnen entsprechende Medikamente verschreibt oder in dem notwendigen Umfang verschreibt. Die Ursachen sind vielfältig, darunter mangelnde Erfahrung von Ärzten, Ängste von Ärzten vor Regressen, mangelnde Attraktivität der Behandlung mit CannabisMedikamenten aufgrund von bürokratischer Mehrarbeit.
2. Viele Ärzte behandeln ihre Patienten grundsätzlich nicht mit Medikamenten auf Cannabisbasis. Die Ursachen sind vielfältig: Grundsätzliche Ablehnung einer Therapie mit Cannabis oder Cannabinoiden, Angst vor Regressen, Angst vor Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Vermeidung der mit der Verschreibung verbundenen Bürokratie, Angst vor Repressalien (Staatsanwaltschaft, Regierungspräsidium, Gesundheitsamt).
3. Viele Patienten müssen die Präparate selbst bezahlen. Dafür gibt es vor allem drei Gründe: 1.) der behandelnde Arzt stellt grundsätzlich nur Privatrezepte aus, 2.) eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse wird bei der jeweiligen Erkrankung praktisch immer abgelehnt, sodass Ärzte demotiviert sind, weitere Kostenübernahmeanträge zu stellen, und 3.) trotz Kostenübernahme in vergleichbaren Fällen wird bei dem betroffenen Patienten – eventuell trotz Klage vor dem Sozialgericht – eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse abgelehnt.
Selbst viele ehemalige Erlaubnisinhaber für die Verwendung von Medizinalcannabisblüten aus der Apotheke nach § 3 Abs. 2 Betäubungsmittelgesetz haben bis heute keine Kostenübernahmezusage ihrer Krankenkasse für eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten erhalten.
4. Ärzte haben keine Therapiefreiheit. Es wird gefordert, dass Patienten zunächst zahlreiche Standardtherapien durchlaufen haben müssen, bevor eine Therapie mit Cannabis-basierten Medikamenten genehmigt wird. Dies führt nicht selten dazu, dass zunächst Medikamente mit viel stärkeren Nebenwirkungen – wie beispielsweise Opiate oder Neuroleptika – eingesetzt werden müssen, auch wenn dies angesichts der Risiko-Nutzen-Abwägung im jeweils konkreten Fall aus ärztlicher Sicht nicht vertretbar oder zumutbar ist.
5. Nach wie vor bestehen häufig Lieferengpässe für Cannabisblüten, sodass eine kontinuierliche Therapie mit dem wirksamsten Präparat nicht möglich ist.
6. Die Kosten für Medizinalcannabisblüten sind nach Inkrafttreten des Gesetzes am 10. März 2017 erheblich gestiegen. Dies belastet das Budget der Ärzte, erhöht die Ausgaben der Krankenkassen und macht die Therapie für all jene Patienten unerschwinglich, die entsprechende Präparate nur auf einem Privatrezept erhalten.
7. Apotheker, die Cannabis-basierte Medikamente an Patienten ausgeben, führen insbesondere bei Erstbehandlungen umfangreiche und zeitintensive Beratungen durch, die nicht vollumfänglich vergütet werden.
Mit dieser Position der ACM Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin soll der Bundestag aufgefordert werden, das Betäubungsmittelgesetz dahingehend zu ändern, dass Patientinnen und Patienten, bei denen aus ärztlicher Sicht eine Behandlung mit Cannabis oder Cannabinoiden medizinisch indiziert ist, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden dürfen. Als Nachweis soll ein ärztliches Attest dienen.
„Ärztinnen und Ärzte sollen entscheiden dürfen, ob eine Therapie unter Verwendung von Cannabisblüten notwendig und sinnvoll ist“, betont Dr. Franjo Grotenhermen, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. „Auf diese Weise können wir Patienten vor Strafverfolgung schützen, wenn die Behandlungskosten von den Krankenkassen nicht erstattet werden und die Betroffenen sich die Medikamente aus der Apotheke nicht leisten können.“ Nicht einmal der Hälfte der Patienten, die vor der Gesetzesänderung eine Ausnahmeerlaubnis nach §3 Absatz 2 BtMG hatten, hat bisher eine Kostenübernahme der Krankenkasse erhalten.
Geringe Medienresonanz
In den großen Massenmedien wird die prekäre Situation vieler Cannabispatienten selten bis nie thematisiert. Außer ein paar Fachmedien und ein paar Lokalzeitungen berichteten die Massenmedien nicht von der Petition. Die Boulevardpresse in Deutschland hat oft auf der Titelseite Platz für Bilder mit kaputten Fensterscheiben nach einer Demonstration oder Krawallen, die wegen einer Drogenkontrolle entstanden sind, doch für kaputte Lebensjahre von Cannabispatienten – verursacht durch eine verfehlte Gesundheitspolitik – gibt es keinen Raum in den Zeitungen mit den fetten Überschriften. Dabei wäre das Thema sicherlich für den Verkauf der Zeitungen förderlich. Doch in den Medienkonzernen will man konform mit Regierungsvorgaben und den Lobbyisten der Pharmabranche gehen, denn zu kritische Meldungen könnten Inserate kosten. Besonders die Pharmalobby hat kein Interesse an einer Ausweitung der medizinischen Behandlung mit Cannabis, weil diese den Umsatz mit diversen herkömmlichen und gewinnbringenden Medikamenten mindert.
Enttäuschung bei Patienten immer größer
Dass bisher so wenig Unterschriften bei der Petition zusammengekommen sind, ist für die betroffenen Patienten eine bittere Pille, ja die Enttäuschung wird von Tag zu Tag größer. Sie spüren zunehmend die Gleichgültig in großen Teilen der Bevölkerung und der Medien ihren Leiden gegenüber und fühlen sich zunehmend alleine gelassen. Die mangelnde Solidarität in der Gesellschaft ist sicherlich nicht förderlich für ihre Gesundheit und die Sturheit in der Politik fügt vielen dieser Patienten täglich Leid und Schmerzen zu.
Cannabis hat ein großes Potenzial aus medizinischer Sicht, wie man vielen Studien entnehmen kann. Auf dem Internetportal der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Cannabinoidmedikamente findet man hierzu eine über viele Jahre gepflegte und stets aktualisierte Übersicht.
Zum Ablauf der Petition
Die Petition wurde am 19. April 2018 durch eine Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. gestartet. Bisher wurden etwa 24.000 Unterschriften auf Unterschriftenlisten (auf Papier per Hand eingetragen) gesammelt. Am 11. Juni 2020 wurde die Petition in eine Online-Petition umgewandelt und kann bis zum 9. Juli 2020 auf der Internetseite des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages mitgezeichnet werden. Bisher wurde die Online-Petition von etwa 4.300 Personen unterzeichnet. Dass sich für die Leiden der Patienten so wenig Leute interessieren, ist für die Patienten schmerzlich – ein zusätzlicher Schmerz zu ihren bisherigen Schmerzen.
Hier geht es zur Online-Petition „Keine strafrechtliche Verfolgung von Patient/innen mit einem ärztlichen Attest zur Notwendigkeit einer Cannabistherapie vom 03.04.2020“ (Deutscher Bundestag, Petition 109200, Patientenrechte).
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[04.11.2018] Die Pharmalobby und der Drogentod
[26.11.2017] Mehr als 80.000 Unterschriften für die Legalisierung von Cannabis (Die Petition wurde bis heute noch nicht abschließend behandelt, sie wurde immer wieder auf die lange Bank geschoben.)
Ws soll das? NIRGENDWO KANN MAN DIE PETITION ZEICHNEN! Ws nutzt das Palaver, wenn die eintragung in der Liste nicht leicht und möglich gemacht wird? BLÖDSINN? ….