Neuer Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen ist Burkhard Blienert (SPD) geworden. Das hat heute das Kabinett beschlossen und damit dem Vorschlag des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) zugestimmt. Burkhard Blienert, geboren am 30. März 1966 in Braubach (Rheinland-Pfalz) ist seit dem 12. Januar 2022 Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung (offiziell: Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen). Blienert beschäftigt sich seit etwa zehn Jahren intensiv mit Fragen der Drogen- und Suchtpolitik. In der 18. Wahlperiode (2013-2017) war er Mitglied des Deutschen Bundestages und vertrat seine Fraktion als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Gesundheit, im Ausschuss für Kultur und Medien sowie im Haushaltsausschuss. Blienert war während dieser Zeit Berichterstatter seiner Fraktion für Drogen- und Suchtfragen.
Blienert ist seit 1990 Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Vor seiner Zeit als Mitglied des Bundestages arbeitete er für den SPD-Parteivorstand und war Referent der SPD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen für Schule und Weiterbildung, Sport und Petitionen. Während des Wahlkampfs für die Bundestagswahl 2009 war er Referent im Büro des damaligen SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Zwischen 2010 und September 2013 war Blienert Referent für Schule und Weiterbildung, Sport und Petitionen bei der SPD-Landtagsfraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen.
In seiner Zeit als drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hatte sich Blienert einen Namen gemacht, weil er als einer der ersten Sozialdemokraten für einen Kurswechsel seiner Partei in der Drogenpolitik eintrat und die Forderung nach einer Freigabe von Cannabis erhob. In einem 2015 veröffentlichten und maßgeblich von Blienert erarbeiteten Positionspapier des SPD-Arbeitskreises Drogenpolitik hieß es, die aktuelle Verbotspolitik sei gescheitert. In dem Positionspapier, das unter dem Titel „von Repression zu Regulierung – Eckpunkte einer sozialdemokratischen Drogenpolitik“ erschien und von der Friedrich Ebert Stiftung herausgegeben wurde, heißt es wörtlich:
„Der »Krieg gegen Drogen« und die aktuelle Verbotspolitik sind gescheitert, sowohl mit Blick auf ihren beschränkten Nutzen und ihre enormen Kosten als auch hinsichtlich ihrer fatalen Nebenwirkungen. Die Verbotspolitik hält die Kosument_innen augenscheinlich nicht vom Konsum ab, sondern erschwert und verhindert vielmehr eine effektive wie flächendeckende Prävention und Hilfe. Das Verbot stärkt das Organisierte Verbrechen und unterstützt die Entstehung unkontrollierter Schwarzmärkte, durch welche die Drogen gefährlicher werden, als sie eigentlich sind. Gleichzeitig stigmatisiert und schädigt die strafrechtliche Verfolgung die Konsument_innen und bindet Ressourcen, die besser in der Prävention sowie im Kampf gegen das Organisierte Verbrechen eingesetzt werden könnten. Die Prohibition schützt auf diese Weise weder den/die Einzelne/n noch die Gemeinschaft, sondern schadet letztlich dem Gemeinwohl.“
In dem Papier wurde nicht nur die aktuelle Situation beklagt und kritisiert, sondern es wurden auch klare Forderungen formuliert, so zum Beispiel:
„Eine Politik, die geeignet ist, die oben genannten Ziele zu erreichen, muss erfolgreiche Maßnahmen aus den Säulen »Prävention und Frühintervention«, »Beratung und Behandlung«, »Schadensminimierung« und »Angebotsreduktion« ausgewogen kombinieren. Dabei müssen die Drogen entsprechend ihrer jeweiligen Schadenspotenziale differenziert behandelt werden. Bezüglich der Wirksamkeit drogenpolitischer Maßnahmen und der Schadenspotenziale muss sich die Drogenpolitik daher stärker als bisher auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft stützen.
Unmittelbarer politischer Handlungsbedarf besteht in Deutschland insbesondere im Umgang mit Cannabis, macht diese Droge doch das Gros des illegalen Konsums und der verfolgten konsumnahen Delikte aus. Angesichts der mit dem Cannabiskonsum verbundenen und weiter zu erforschenden Gesundheitsrisiken ist die Antwort auf das Scheitern der Prohibition ausdrücklich keine marktorientierte Legalisierung bzw. ungezügelte Liberalisierung. Vielmehr sollte im Sinne der oben genannten Ziele die Entkriminalisierung der Konsument_innen mit dem Aufbau eines staatlich regulierten Marktes einhergehen, in dem der Zugang, die Produktqualität, der Anbau und der Vertrieb streng geregelt und kontrolliert sind. Diesbezüglich sollte Deutschland Erfahrungen anderer Länder auswerten und aufgreifen.“
In der Pressemitteilung des Drogenbeauftragten vom 12. Januar 2022 wird Burkhard Blienert wie folgt zitiert:
„Dieses Amt übernehmen zu dürfen, freut mich wirklich sehr. Es gibt viel zu tun! Die Drogen- und Suchtpolitik muss in vielen Bereichen neu gedacht und neu gestaltet werden. Was wir brauchen, ist ein Aufbrechen alter Denkmuster. Es muss gelten: ‚Hilfe und Schutz statt Strafe.‘ Nicht nur beim Thema Cannabis, sondern in der Drogenpolitik insgesamt, national wie auch international. Die Welt steht gesundheitspolitisch vor nie dagewesenen Herausforderungen und auch die Sucht- und Drogenpolitik muss mit großem Engagement und ohne Vorurteile angegangen werden. Ich danke Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach für das Vertrauen und werde mein Bestes geben, um den Betroffenen und ihren Familien in ganz Deutschland die Unterstützung zu geben, die sie brauchen!“
Burkard Blienert war schon Referent auf der vom Deutschen Hanfverband (DHV) organisierten Cannabis-Normal-Konferenz 2018 und kennt daher zahlreiche Akteure aus den Szenen Drogenpolitik sowie aus dem Hilfesysem persönlich. Burkhard Blienert wurde im August 2019 als fachpolitisch versierte Nachfolge für das Amt der Drogenbeauftragten Marlene Mortler, die damals ins EU-Parlament wechselte, von mehreren Organisationen aus der Zivilgesellschaft der Bundesregierung anempfohlen. Dazu gehörten die drogenpolitischen Organisationen LEAP Deutschland, der Schildower Kreis, der Bundesverband Akzept e.V., das Knowmad Institut und der Deutsche Hanfverband. Mit seiner Wahl hat der Gesundheitsminister nun einen guten Brückenkopf in Sachen Drogenpolitik zu maßgeblichen Experten aus der Zivilgesellschaft.
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[06.01.2022] Vor der Entscheidung