vonJakob Hein 13.06.2011

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Durch verschiedene Zufälle des Lebens verbrachte ich dieses Wochenende in Leipzig und konnte mir so mal das Wave-Gothic-Treffen (WGT) ansehen. Kurzum: Es war ziemlich dunkel. Lustig war, dass die Leipziger mittlerweile völlig immun gegenüber den dunkel Drapierten sind und sich entspannt über die nächste Eierschecke unterhalten, während neben ihnen T-Shirts das nahende Ende der Welt herausschreien.  Das Ganze ist mittlerweile so dermaßen harmlos, dass sich sogar die „Bild“ dafür begeistert, Sonderseiten schaltet und sogar eine Reporterin standesgemäß staffieren lässt. Für die Teilnehmer gab es Bändchen wie im Pauschalhotel, mit denen man sogar kostenlos Straßenbahn fahren konnte. So mussten die düster Dreinblickenden nicht mal ihr gefährliches Starren unterbrechen, wenn der Kontroletti kam.

Auf dem offiziellen T-Shirt stand: „Ich bin W-G-Tarier“, wobei einem das „arier“ sauer aufstieß, wenn man die vereinzelten Teilnehmer in SS-Uniformen (natürlich ohne Runen) sah. Die anderen T-Shirts hatten jeweils eine Aufschrift, die aus den Bestandteilen „death“, „burn“, „darkness“ und „romance“ zusammengebastelt war. Und sonst? Der Eindruck ist eher der einer Mottoparty unter Versicherungs-Fachangestellten. Übergewichtige sind stark vertreten, wohl weil Schwarz schlank macht und die häufig gesehenen Korsette ebenfalls figurfreundlich wirken können. Ein paar Frauen und Männer sehen aus wie Angestellte in einem Fetisch-Puff auf dem Weg zur Schicht. Und der Altersdurchschnitt ist überraschend knapp unter dreißig. Sehr, sehr gern lässt man sich von Touristen im Pensionsalter in seiner kohlrabenschwarzen Kostümierung fotografieren.

Mein Experte Galenza versicherte mir, dass die Szene sich mal aus dem Punk entwickelt habe. Aber ich fand das absolute Fehlen jeglichen Ziels stupend. Man war gegen niemand, wollte nirgendwo hin. Man war einfach nur pro ego und die beste Verkleidung gewinnt. Sicher brauchte kein Leipziger Polizist auch nur eine Minute länger zu arbeiten angesichts dieser geballten Harmlosigkeit in Totenschädel-Tracht. Abgesehen davon, dass man die meisten bei einem Fluchtversuch auch im langsamen Schritttempo hätte überholen können, da halbmeterhohe Plateausohlen schon sehr häufig waren.

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